Erstellt am: 24. 2. 2015 - 13:13 Uhr
20.000 Meilen unter dem Meer
Irgendwo tief unter unseren Füßen liegt ein gewaltiges, dunkles Meer. Fledermäuse flattern über den Wellen, riesige Krabben durchpflügen das Gewässer und statt Sternen leuchten von der weit entfernten Decke der riesigen Höhle fluoreszierende Pilze herab.
Failbetter Games
Das Leben ist hart als Kapitän auf den Wogen der "Unterzee", und die Angst, aber auch das Staunen sind unsere ständigen Begleiter, wenn wir mit unserem wackeligen Kahn zwischen den verstreuten Kolonien und Städten dieser Höhlenwelt hin und her schippern. Willkommen in "Sunless Sea", wo das Unheimliche und das Phantastische stets ganz nah beieinander liegen.
"Sunless Sea" ist ein ungewöhnliches Spiel. Vor allem wegen seiner bizarren Welt, die Spielerinnen und Spieler immer wieder aufs Neue überrascht: In einer alternativen Version des ausgehenden 19. Jahrhunderts sind wir mit ganz London in einen Abgrund gestürzt, der sich als riesige Unterwelt mit eigenen Gesetzen herausstellt. Hier treffen wir "Gruftkolonisten", die nach ihrem Tod ein banales, stets vom Schimmel bedrohtes Leben am Rande des Meeres weiterführen, besuchen Inseln aus riesigen Pilzen, verhandeln mit intelligenten Meerschweinchen - und staunen über den Einfallsreichtum der Autoren, die "Sunless Sea" tatsächlich zu einem Schatzkästchen aus hunderten verschrobenen Geschichten machen.
Die Atmosphäre oszilliert dabei zwischen heiterem Jules Verne und augenzwinkerndem HP Lovecraft - richtiger Horror erwartet die Spieler nicht, aber dafür eine beeindruckende Fülle an frischen Ideen und absurden Miniaturen.
Zeemannsgarn
Zusammengehalten wird diese originelle Steampunk-Welt durch das Gameplay: Wie im Klassiker "Pirates" steuern wir unser Schiff von Hafen zu Hafen, kaufen und verkaufen Waren oder kämpfen mit Seemonstern und Seeräubern. Dabei müssen wir stets ein Auge auf das körperliche und geistige Wohlergehen unserer Mannschaft haben. Verbringen wir zu viel Zeit auf dem dunklen Meer oder erleben wir besonders Schreckliches, treibt uns die wachsende Angst bald in den Wahnsinn - und wer auf Proviant oder ausreichend Treibstoff vergisst, muss im schlimmsten Fall seine eigene Crew anknabbern. Der Slogan "Lose your mind. Eat your crew" ist hier also durchaus wörtlich zu nehmen.
"Sunless Sea" verbindet seine Expeditionen mit einer Vielzahl von kleinen und größeren Geschichten, die sich hauptsächlich in den Hafenstädten entfalten. Eine Viertelmillion Wörter gibt es insgesamt zu lesen, und die Lust, mit der die Autoren hier wieder und wieder Staunen und Faszination beim Leser wecken, ist nicht nur für ein Computerspiel bemerkenswert. Die Welt des Browser-Unikats "Fallen London", in dem auch "Sunless Sea" angesiedelt ist, ist nun mal ein reicher Fundus für schräge Ideen und außergewöhnliche Storys. Einer der einzigen Kritikpunkte an einem literarischen Spiel, das ansonsten durch und durch gelungen ist, wiegt leider umso schwerer: Die Winzigkeit der Schrift bei höheren Auflösungen lässt die Lektüre der stets stimmungsvollen Texte bei längeren Spielsessions schon mal anstrengend werden.
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Leben und Sterben auf tiefer Zee
Dass man alles von dieser Welt auf einmal zu sehen und zu lesen bekommt, ist übrigens unwahrscheinlich: Wenn wir im Kampf gegen Seemonster unterliegen, heißt es in Roguelike-Manier zurück zum Start. Im besten Fall werden die Landkarte der erforschten Gebiete und Ausrüstungsgegenstände unseres verstorbenen Kapitäns aber an seine Erben weitergegeben. Weil die unterirdische Welt nicht statisch ist, sondern ganz am Anfang des Spiels per Zufall generiert wird, bleibt das Erforschen eine herausfordernde Aufgabe. Wer's gerne vorsichtiger mag, kann aber auch jederzeit in den weniger unbarmherzigen "Manual Save"-Mode wechseln - der Schrecken der Unterzee ist damit zumindest ein wenig gebändigt.
"Sunless Sea" ist für Windows und Mac erschienen.
"Sunless Sea", "a game of exploration, survival and loneliness", ist ein Fest für Entdecker, die gerne lesen. Eine schrägere und fantasievollere Welt als die dunklen Steampunk-Ozeane bekommen Spielerinnen und Spieler nur selten zu sehen.