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Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

22. 2. 2015 - 16:06

Hyperaktivität essen Seele auf

Der Song zum Sonntag: Courtney Barnett - "Pedestrian At Best"

Die australische Musikerin Courtney Barnett wird oft mit dem etwas hohlen Begriff "Slacker" bedacht, und das wohl auch nur, weil sie bevorzugt unfrisiert und in abgefucktem Flanellhemd Garagenrock und angeschrotteten Folkpop aus ihrer Gitarre schüttelt. Dazu murmelsingt sie in gedehntem, monotonem Ennui-Ton von kaputten Fernsehern, den Turbulenzen liebesähnlicher Zustände und in kryptischen Bildern von den Hirngespinsten, die ihr philosophisch durch den Schädel spuken.

Mit eventuell bewusstseinserweiternden und das Leben verlangsamenden Substanzen hat es Courtney Barnett dabei nicht so sehr: In dem Stück mit dem symptomatischen Titel "Avant Gardener" – bislang Barnetts Signature-Song – heißt es "I take a hit from an asthma puffer / I do it wrong / I was never good at smoking bongs / I'm not that good at breathing in".

Courtney Barnett

Courtney Barnett

Der 2013 erschienene Song "Avant Gardener" handelt von einer jungen Frau, die während der Gartenarbeit eine Panikattacke erleidet und mit dem Rettungswagen abgeholt wird: "The paramedic thinks I'm clever 'cause I play guitar/ I think she's clever 'cause she stops people dying". Gartenarbeit. Courtney Barnett verschraubt in ihren Texten Alltag mit Motiven von Krankheit, Verzweiflung und Exkursen in die Welt der Psychologie. Dabei funkelt aus ihren Songs immer ein dunkler Humor.

Demnächst erscheint unter dem Titel "Sometimes I Sit And Think And Sometimes I Just Sit" nach einer EP-Collection das erste offizielle Album von Courtney Barnett, die Vorabsingle nennt sich "Pedestrian At Best" und singt von einer "Existential Time Crisis" und von Zwangsimpulsen der Erzählerin. Nicht die Faulheit dominiert, sondern das Gefühl, die Zeit laufe einem davon.

So hastet sich Barnett über einem wahlweise von Nirvanas "Serve The Servants" oder den Kinks abgehörten Riff auch gleich in der ersten Strophe in wenigen knappen Zeilen durch die Gefühlsschwankungen einer ganzen Beziehung: "I love you, I hate you, I'm on the fence, it all depends /Whether I'm up or down, I'm on the mend, transcending all reality /I like you, despise you, admire you".

Im Refrain gesteht sie ein, dass sie es aber sowas von gar nicht verdient hat, von einem verliebten Gegenüber allzu sehr verehrt zu werden: "Put me on a pedestal and I'll only disappoint you". Sie sagt das kaum schuldbewusst, vielmehr mit trotzigem Stolz, "Tell me I'm exceptional, I promise to exploit you" heißt es weiter. Später wird ein schöner Diss folgen: "I think you're a joke, but I don't find you very funny".

Es geht jedoch nicht ausschließlich um die Beziehungsfähigkeit, it's not you, it's me, sondern um die grundsätzliche Überforderung, die verwirrenden Reize des Lebens, die Orientierungslosigkeit. Das führt soweit, dass Barnett davon singt, sie würde sich ihren mit Impulsen und Ideen zugemüllten Kopf gerne mit Terpentin und Zyanid auswaschen.

"Pedestrian At Best" ist voller Wortspielereien, "Give me all your money, and I'll make some origami, honey", ein vermeintliches Dilemma einer auf Leistung gepolten Gesellschaft dreht sie um und passt es ihrer Situation an: "Under-worked and over-sexed, I must express my disinterest".

Der Titel des Stücks kommt im Song selbst nicht vor. "Pedestrian" bedeutet "Fußgänger", aber auch so viel wie "Unaufregend", "Schwunglos", "Öde", "Durchschnittlich". So nimmt Courtney Barnett der Raserei im Song den Wind aus den Segeln, so besonders sind wir jetzt alle wieder auch nicht, selbst wenn's mal wieder im Gemüt zwickt. Einer der besten Rocksongs des Jahres bisher, es kracht, kratzt und scheppert, es gäbe so viel zu tun, bloß was?