Erstellt am: 19. 2. 2015 - 13:15 Uhr
Hart auf Hart
"Adam" steht im Hebräischen für Mensch. "Adam" heißt in der Genesis der erste Mann. "Adam" ist wohl nicht zufällig einer der Protagonisten in "Hart auf Hart" (orig. "The Harder They Come"), dem fünfzehnten Roman von Thomas Coraghessan Boyle.
"Ein letztes Mal rief sie: "Adam!" Sie war ganz kurz davor, ihn dort stehen zu lassen, seinen Rucksack auf den Parkplatz zu werfen und Gas zu geben, als sein Gesichtsausdruck sich veränderte und er um die Front des Wagens herum zur Beifahrertür ging, den Hund nach hinten schob und sich setzte. Sie drehte bereits am Lenkrad und trat aufs Gas. Er wandte ihr den ganzen Oberkörper zu und sah sie an. "Ich hab dir doch gesagt, ich heiße Colter"."
Colter - wie der amerikanische Trapper.
Schlauer und zäher als alle anderen nahm John Colter an etlichen Expeditionen teil, erforschte die unberührte Wildnis und lebte abgehärtet im Einklang mit der Natur. Weniger im Einklang mit den Blackfoot-Indianern, aber selbst denen entkam er.
Ein einsamer Wolf, ein Held vieler Patrioten, das große Vorbild von Adam. Vor allem, wenn Adam von seinen schizophrenen Wahnvorstellungen eingenommen wird. Dann wird der 25-jährige zu einem unberechenbaren, kahlgeschorenen Muskelpaket.
Aber genau das findet die rechte antiautoritäre Sara ziemlich sexy. Und weil die 40-jährige etlichen Verschwörungstheorien nachhängt, machen die beiden schnell ihren gemeinsamen Feind aus: die Polizei.
Hanser Verlag
Dabei sorgt die Polizei doch nur für Recht und Ordnung. Genauso wie das Adams Vater Sten überzeugt macht. Als ehemaliger Schuldirektor und Vietnamveteran hat er sich nicht nur Respekt erworben, sondern legt am liebsten selbst Hand an und kommt seinen bürgerlichen Pflichten mit ausgesprochenem Eifer nach. Als Gründungsmitglied des Vereins "Unser Wald gehört uns" verfolgt er auch gern mal Mexikaner. Schließlich könnten sie ja illegal im Land sein.
Aus den Perspektiven dieser drei Protagonisten erzählt T.C. Boyle von deren vermeintlichem Streben nach Leben, Freiheit und Glückseligkeit. So wie es die Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten vorsieht.
Schwierig wird es allerdings, wenn sich dazu Patriotismus, Verschwörungstheorien, Aggression, Waffen, Gewalt, Drogen und Wahnvorstellungen mischen. Es kommt "Hart auf Hart".
"So endete es. So endete es immer. So endete es für jeden auf diesem Planeten. Man konnte aus Holz sein – dann setzten sie einen in Brand. Man konnte aus Stahl sein – dann spritzten sie einen nass, bis der Rost sein Werk getan hatte. Man konnte Colter sein und aufgeben und im Bett sterben. Es gab kein Entkommen, und es spielte eigentlich auch keine Rolle. Man musste so hart wie möglich sein und selbst zur Legende werden, und alles andere dem Schicksal überlassen."
Ecco
Boyle zeichnet mit der ihm typischen erzählerischen Leichtigkeit einen amerikanischen Alptraum. Camouflagefarben und düster – spannend und verstörend. Boyle-LeserInnen erinnern sich an "America" und "Grün ist die Hoffnung".
Einmal mehr bezieht er sich auf eine wahre Geschichte: 2011 ermordete Aaron Bassler in Kalifornien zwei Männer und versteckte sich dann über einen Monat in Wäldern vor der Polizei. (The New York Times vom 29.9.2011)
So reiht sich "Hart auf " bestens ein in die Bestandsaufnahme der Amerikanischen Gesellschaft, die T.C. Boyle meisterhaft beschreibt.
"Die amerikanische Seele ist ihrem Wesen nach hart, einzelgängerisch, stoisch und ein Mörder. Sie ist noch nicht geschmolzen."
Dieses vorangestellte Zitat von D.H. Lawrence wirft noch mehr Fragen auf.
Woher kommt dieses Streben nach Heldentum? Die Ehrfurcht vor einem Heldentod? Was und wer halten den krankhaften Patriotismus aufrecht? Warum hat Selbstverteidigung eine derartige Bedeutung in den USA? Wo beengt die Freiheit des einen die des anderen? Welchen Einfluss hat der leichte Zugang zu Waffen auf die zunehmende Radikalisierung?
Frag T.C. Boyle
Man möchte T.C. Boyle so vieles fragen – und das Gute ist – man kann das! Ihr könnt das!
In einem FM4 Reality Check Spezial mit T.C. Boyle.
Simon Welebil
Bei seinem letzten Wienbesuch genoss die Ikone der amerikanischen Gegenwartsliteratur das Gespräch mit den FM4-HörerInnen so sehr, dass er wiederkommen wollte.
Daher öffnen wir erstmals in der Sendung FM4 Reality Check die Telefonleitungen ins Studio – wo der amerikanische Starautor und FM4-Freund eine Stunde lang zu Gast ist und eure Fragen beantwortet. Fragen aus dem Umfeld von "Hart auf Hart". Also Fragen zu gesellschaftspolitischen Entwicklungen in den USA, Ursprüngen von Gewalt, Waffenbesitz und zu Radikalisierung.
Am Donnerstag, 26. Februar
ist T.C. Boyle
von 13 bis 14 Uhr
zu Gast bei Chris Cummins in FM4 Reality Check.
Ihr könnt anrufen:
088 226 996 (in Österreich gratis)
oder aus dem Ausland
0043-1-503-63-18 (normaler Tarif!).
Radio FM4 / Gartenbau Kino
Gewinnspiel beendet
Am Donnerstag, 26. Februar um 20 Uhr (Einlass ist ab 19:30 Uhr) tritt T.C. Boyle im Gartenbaukino in Wien auf.
Er liest Textstellen aus "The Harder They Come", Dirk Stermann liest aus der Deutschen Übersetzung "Hart auf Hart". Und Chris Cummins moderiert das. Klingt gut.
Und ist auch schon seit Wochen ausverkauft.
Aber hey - wir haben noch 5x2 Karten - und fünf signierte Ausgaben von "Hart auf Hart". Wenn ihr das eine oder andere wollt, müsst ihr nur ein bisschen nachdenken und aktiv werden.
Schreib uns eine (oder gern auch mehrere) schlaue Frage(n) an T.C. Boyle. Und zwar per Mail an game.fm4@orf.at. Bitte Namen und nicht vergessen, und ob du lieber die Karten oder den signierten Roman gewinnen willst.
Der Einsendeschluss ist vorbei, die GewinnerInnen werden per Email verständigt. Vielen Dank für´s Mitmachen!