Erstellt am: 18. 2. 2015 - 14:22 Uhr
Gefüllte Paprika
Mit Akzent
Die unaussprechliche Welt des Todor Ovtcharov. Im Radio und auch als Podcast zum Anhören.
"Die Leiden des jungen Todor"
Das Buch mit den gesammelten Kolumnen gibt es im FM4 Shop.
„Von allen Gemüsearten, mag ich Fleisch am liebsten“, sagte mein Opa. Mein Opa konnte nur drei Sachen kochen: Schweinebraten, Lammbraten und gefüllte Paprika. Hühnerfleisch betrachtete er ironisch, für ihn stand Hühnerfleisch an der Grenze zwischen Fleisch und Gemüse. Alles, was nicht Fleisch ist, nannte mein Opa nur herabwürdigend „Garnitur“.
Ich liebte es, mit meinem Opa Fleisch für das Abendessen einzukaufen. Er ging immer von Fleischerei zu Fleischerei und wählte das Fleisch ganz sorgfältig aus. Er verglich die guten und die schlechten Seiten von den Schweinekoteletts und den Lammschultern. Nach dem Einkaufen fing er zu kochen an und ich hielt ihn an der Hose und betrachtete ihn mit großem Interesse. Seine Anstrengungen beim Kochen ähnelten denen eines Komponisten, der gerade an einer religiösen Messe arbeitet. Für meinen Opa war das Kochen von Fleisch eine Religion.
CC BY 2.0 von Mike Haller flickr.com/mhaller1979
Genauso betrachtete er auch den Verzehr des Gekochten. Falls jemand dumm genug war, das Essen zu salzen, wurde mein Opa sofort zornig. Er verfiel immer in einen Streit mit der armen Person, die die Qualitäten der Mahlzeit anzuzweifeln wagte. Die meisten Gästen kannten diese Seltsamkeiten meines Opas Charakters und niemand traute sich, nach den Gewürzen, die scheinbar großzügig auf dem Tisch standen, zu fragen.
Ich erinnerte mich letzten Sonntag daran, als meine liebe M. verkündete, dass wir Gäste erwarteten. „Ich habe die Mädels zu einem bulgarischen Essen eingeladen. Du kannst entscheiden, was du kochen kannst. Aber es soll etwas typisch Bulgarisches sein.“
Ihr wisst alle, wie schwierig es ist, in Wien am Sonntag einzukaufen. Alle Supermärkte haben zu. Gut, dass es bei uns in der Nähe ein türkisches Geschäft gibt. Ich nenne die Leute, die dort verkaufen „Die Schwindler“, weil sie jedes Mal versuchen, dir was Zusätzliches zu verkaufen. Wenn ich z.B. Melanzani kaufen will, versuchen sie mir immer Baklava mitzuverkaufen. „Die Schwindler“ haben auch nicht jeden Sontag offen, nur wenn sie es wollen.
Diesen Sonntag hatte ich Glück. Schweinebraten fiel aus, da die Türken kein Schweinefleisch verkaufen und das Lammfleisch war aus. Es blieb nur das Faschierte vom Rind. Es gab auch wunderschöne „Dolma“ Paprika, die von unten ein bisschen flach sind und im Topf gerade stehen können, wenn man sie mit Faschiertem füllt.
Für die Zubereitung gefüllter Paprika braucht man Zeit und Geduld. Ich habe vor Jahren versucht, ein Mädchen mit meinen gefüllten Paprika zu beeindrucken. Ich kochte sie aber so lange, dass sie zu Beginn der Mahlzeit schon das Interesse verloren hatte.
Dieses Mal war ich rechtzeitig fertig. Und das, obwohl ich noch mal zu den „Schwindlern“ rennen musste, da ich Petersilie vergessen habe. Mein Opa meinte, dass Petersilie die „Seele“ von gefüllten Paprika sei. Ich konnte mein Essen nicht seelenlos lasse.
M. kam gerade rechtzeitig. Sie rief mich unschuldig an und sagte, dass sie und ihre Freundinnen auf dem Weg seien. Und außerdem seien sie alle Vegetarierinnen. Ich fiel fast zu Boden. Hämmer fingen an, auf mein Gehirn einzuschlagen. „Was, Vegetarierinnen, - aus religiösen Gründe, oder?“. M. sagte, dass jetzt fast jeder Vegetarier sei, es sei gesund und modisch. Ich war bereit zu streiten und hatte schon die Stimme meines Opas im Kopf, aber sie hat schon aufgelegt.
Was würde jetzt wohl mit meinen mit faschiertem Fleisch gefüllten Paprika passieren? Ich verfluchte alle Vegetarier und alle, die so was propagierten, Kim Basinger inklusive. Es war nichts zu machen, die Gäste läuteten schon an der Haustür. Ich war kampfbereit. „Was denken sie sich wohl, dass sie Mahatma Gandhi sind?“ Ich öffnete die Tür. „Oh, wie gut es bei euch riecht“, sagte Arabella, die zuerst reinkam. Es roch tatsächlich gut, aber nach Rindfleisch. Langsam füllte sich die Wohnung. Ich versuchte M. zu erklären, dass ich ein Fleischgericht zubereitet hatte. Sie war, aber so vertieft in das Gesprächen mit ihren Freundinnen, dass sie mich gar nicht bemerkte. Es gab keinen Weg mehr zurück.
Alle beneideten M., da sie so einen tollen Freund hat. Ich verkündete, dass ich gefüllte Paprika gekocht habe, ohne zu sagen womit ich sie gefüllt habe. Ich brachte das Essen und ging in die Küche rüber um der nachfolgenden Unruhe zu entkommen. Es passierte nichts dergleichen. Im Zimmer herrschte Ruhe. Alle aßen, ohne Rücksicht auf Kim Basinger, Einstein oder Tolstoi. Bald waren die Paprika vernichtet.
Ich spürte meine Beine nicht mehr. Oh du Opa, der du schon im Himmel bist! Ich danke dir!