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Rainer Sigl

Spiel, Kultur, Pop im Assoziationsblaster.

20. 2. 2015 - 12:40

M-M-M-Monsterkill

Der asymmetrische Multiplayer-Shooter "Evolve" schickt Teamspieler zur Großwildjagd auf fremde Planeten.

Turtle Rock/Valve

Wenn man gemeinsam mit Freunden oder Unbekannten online in Multiplayer-Shootern in die Arena steigt, tritt man wie in anderen Mannschaftssportarten im Sinne der Fairness für gewöhnlich mit ausgeglichenen Voraussetzungen gegeneinander an. "Evolve" ist anders: Auf der einen Seite stehen vier High-Tech-Jäger, auf der anderen ein einsames Monster. "Asymmetrical Multiplayer" heißt das Rezept, das von den Machern der klassischen "Left 4 Dead"-Reihe hier auf Hochglanz poliert zum zentralen Spielprinzip veredelt werden soll - mit dem vielgespielten "Versus"-Mode des Zombie-Shooters hat man vor Jahren hier schon vorgelegt.

Vier gegen einen - das klingt zunächst unfair, doch die Ungeheuer sind nicht nur riesig, sondern werden im Spielverlauf noch stärker und mächtiger, sodass sie nur durch effizientes Teamwork zur Strecke gebracht werden können. Und überdies sind die Dschungel auf einem fremden Planeten, in denen auf die Jagd gegangen wird, auch noch voll mit anderen feindseligen Tieren, die den Jägern das Leben schwer machen können.

Auf First-Person-Raid

"Evolve" versucht etwas Neues, schafft es aber nur teilweise, seine Versprechen einzulösen. Denn noch mehr als in anderen Multiplayerspielen hängt es von den Mitspielern ab, ob eine Partie spannend und mitreißend oder aber einseitig oder gar langweilig verläuft. Wenn etwa die Zusammenarbeit im Team nicht optimal funktioniert, oder das Ungeheuer sich zu gut versteckt, wird aus dem potenziell spannenden Katz-und-Maus-Spiel schnell einmal ein mühsamer Dschungeltreck oder aber ein einseitiges Gemetzel - wer als Veteran von "Left 4 Dead" gewohnt war, dass versiertere Spieler schwächere Teammitglieder ausgleichen können, wird von "Evolve" eine Lektion in nötiger maximaler Effizienz erteilt bekommen.

Mit anfänglich drei sehr unterschiedlichen Monstern und einer Auswahl von zwölf verschiedenen Jägern mit jeweils eigenen Waffen und Strategien, die sich auf vier Klassen verteilen, steht eine beachtliche Lernkurve vor dem Spielspaß. Und weil der Kampf gegen auch nur halbwegs versierte Monsterspieler perfekte Zusammenarbeit erfordert, erinnert "Evolve" eigentlich weniger an andere First-Person-Shooter, sondern eher an die aus MMOs bekannten Raids oder MOBAs wie "Dota 2".

Turtle Rock/Valve/2K

Safari mit Statistik

"Evolve" lässt durch diese Anleihen leider seine atmosphärische Welt manchmal zur reinen Kulisse verkommen. Nicht nur, dass sowohl Monster als auch Jäger ermüdend lang Schaden einstecken, auch die praktisch pausenlos aufploppenden HUD-Markierungen und sonstigen visuellen Behelfe lassen trotz durchwegs beeindruckender Optik erstaunlich wenig Jagdatmosphäre aufkommen - die Spannung des Trailers verschwindet im Spiel sozusagen hinter dem Gameplay. Dass auch die dramatischen Kämpfe sich visuell darauf eindampfen, dass man Lebensbalken beim langsamen Kleinerwerden zusieht, macht "Evolve" zu einer im Grunde überraschend abstrakten, manchmal sogar unemotionalen Spielerfahrung. Wie ein Zahnrädchen im Getriebe zu funktionieren, seine Rolle gut zu erfüllen, seine Waffen und seine Skills zu beherrschen, ist das A und O für beide Seiten. Das gelungene Balancing lässt viele Varianten möglich werden - besondere Kreativität ist allerdings nicht gefragt. Effizienz ist Trumpf.

Konsequent zu den Anleihen bei MOBAs und MMOs passt leider auch die Einführung eines gewissen Grinding-Faktors zumindest für Neuspieler: Die meisten verfügbaren Charaktere und Monster sind nicht von Anfang an auswählbar, sondern müssen erst langsam, entweder im Single- oder Multiplayer, durch eine ermüdende Anzahl von Achievements freigespielt werden. Manche der schon vor Release angekündigten Spielfiguren will sich der Hersteller überdies als DLC separat bezahlen lassen. Selbst Käufer des Vollpreisspiels und des "Season Passes", in dem für gewöhnlich sämtliche Zusatzinhalte inkludiert wären, werden ordentlich zur Kasse gebeten, wenn sie wirklich alle Spielinhalte sehen wollen - eine Verkaufspolitik, die für heftige Kritik und Spielerprotest sorgt.

Turtle Rock/Valve/2K

Am besten mit Freunden

Mehr als andere Multiplayer-Spiele verlangt "Evolve" ein eingespieltes Team von Spielerinnen und Spielern, bevor es seine ganzen Reize entfaltet. Wer gemeinsam mit Freunden aufbricht, im Bestfall gemeinsam trainiert und während der Partien konsequent kommuniziert, kann trotz aller Kritik durchaus vom Jagdfieber gepackt werden. "Evolve" ist beileibe kein schlechtes Spiel geworden, auch wenn es sich hinter seinem bombastisch-atmosphärischen Äußeren spielerisch in gewisser Weise als spröde darstellt.

"Evolve" ist für PS4, XBox One und WIndows erschienen.

"Evolve" hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck; manche Spieler werden darin zweifellos die Teamplay-Erfahrung finden, die sie auch in anderen Genres schätzen. Ob es den großen Massenappeal - oder gar den Klassikerstatus eines "Left 4 Dead" - erreicht, ist abzuwarten. Es darf ein klein wenig daran gezweifelt werden.