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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

16. 2. 2015 - 13:56

The daily Blumenau. Monday Edition, 16-02-15.

Gespielte Hilflosigkeit zerstört die Glaubwürdigkeit: Österreichs Fußball lässt Matchfixing ununtersucht, und die Medien unterstützen das.

#demokratiepolitik #korruption #fußballjournal15

The daily blumenau hat im Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst. Und bietet Einträge zu diesen Themenfeldern.

Der heimische Fußball hat, weil er allen Erneuerungsversuchen zum Trotz immer noch so stammhirnmäßig daherkommt, eine eminente pars-pro-toto-Funktion: was dort "im Kleinen" abgeht, erzählt eine Menge darüber, wie der Hase gesamtgesellschaftlich läuft. Einfach weil in diesem, immer noch durch Machoismus, Provinzkaisertum und extra unverschämt ausgelebter Freunderlwirtschaft gestalteten Topos die Uhren noch zirka 1985 anzeigen und so die unter der dünnen Schicht seither errungener zivilisatorischer Errungenschaften definitionsmächtig pulsierende Realverfassung des Landes deutlicher sichtbar machen als sonstwo.

Im aktuellen Fall um den Betrugsversuch aus dem Jahr 2007, den Oliver Glasner jüngst öffentlich gemacht hat, spielt auch noch die (ganz schmutzige) Realpolitik hinein.

Geschehen ist folgendes: Glasner, jetzt Coach, damals Kapitän der SV Ried, plauderte in einem Hintergrund-(Kamin-)Gespräch über einen damals an ihn herangetragenen Bestechungsversuch. Ried sollte ein Match verlieren, pro Nase 50.000 Euro dafür einstreifen. Die Kronen-Zeitung preschte vor und veröffentlichte die wohl als off records gedachte Glasner-Anekdote und verdeutlichte (per Andeutungen) die Brisanz des mittlerweile allerdings sport/juristisch verjährten Kriminalfalls: der Bestechungsversuch, der "von sehr hoher Stelle" kam wird in Kärnten verortet, wo sich der damalige Liga-Club Austria Kärnten in Abstiegsnöten befand (und entkam; Innsbruck musste runter, allerdings eh aus eigenem Verschulden).

Aus welcher Ecke die Mittel kamen ist ebenso ausrechenbar wie etwa die Identität des ominösen Mittelsmanns (eines Mitspielers): ein (Kärntner) Akteur wechselte nach der Saison von Ried zur dortigen Austria; die von Frenk Schinkels trainiert und von Mario Canori präsidiert wurde und als Jörg Haiders Spielzeug galt. Haider fuhr dann im Herbst nach den Vorkommnissen promillestark in den Tod.

Das alles insinuiert der Krone-Bericht. In den ersten Reaktionen bestätigte Glasner die preisgegebenen Details. Ried und die Liga konzidierten Glasner korrektes Verhalten - weil er den Versuch blockte (das Match endete unentschieden), die Vereinsverantwortlichen informierte und damals keine Meldepflicht an die Liga bestand.

Die mediale Berichterstattung lief (in der Folge an den Geschichten von Rieds Landesblatt, den OÖ-Nachrichten dokumentiert) so ab: zuerst erstaunte Information, - dann der moralische Rückzieher: es wäre dumm von ihm gewesen, das alles zu thematisieren.

Dass es das nicht war, zeigt die (letztlich nur in den OÖN zwischengeschaltete nachhakende Analyse die viele offene Fragen aufwirft. Allerdings steht auch hier der Halbsatz es wäre "mehr dumm als mutig" gewesen, die Geschichte öffentlich zu machen.

Die übrigen Printmedien üben sich im stummen Nicken, beim TV-Medienpartner Sky presst man aus Glasner dieselbe Antwort heraus. Er hätte lieber schweigen sollen, sagt er, nach einer Suggestiv-Frage auf Tschapperl-Vorlage-Level.

Am Sonntag rudert auch der andere Anstoßgeber, die Kronen-Zeitung, zurück. Man könne jetzt eh nix tun, die Liga hätte nur Zugriffe auf Angehörige, also aktuelle Trainer und Spieler, und (Subtext) keinen auf eventuell Tatverdächtige.

Allenthalben entschuldigend gen Himmel geworfene Arme.
Was soll man machen, geschehen ist geschehen, Verjährtes verjährt, Schwammdrüber.

Welch verheerendes Zeichen der Umgang mit den Fall für eventuell aktuell Betroffene, also junge Menschen, darstellt, bedenkt keiner. Die groß ausgespielte Ohnmacht erzählt allen, denen Vergleichbares passieren wird, dass es immer besser ist die Gosch'n zu halten, als sich an die Institutionen (oder die Öffentlichkeit) zu wenden. Weil beide (Institutionen und Medien) die Glasner-Äußerung ja unisono als Dummheit abtun.

Apropos: Thomas Zündel, der im Zusammenhang mit dem Taboga/Kuljic-Kriminalfall quasi co-suspendiert wurde, wiewohl ihm letztlich kein reeller Vorwurf gemacht werden konnte, hat wieder einen Verein gefunden, in der Regionalliga.

Hätte es sich um einen Vorfall, hinter dem eine international organisierte Wettmafia steckt, gehandelt, dann wäre alles anders abgelaufen. Die Arme wären zwar auch immer noch gen Himmel geflogen (die Globalisierung, was willst denn machen...); Schuldige wären aber deutlicher festgenagelt worden.

Das jedoch deutlich bedrohlichere Szenario des Matchfixing auf lokaler machtpolitischer Ebene (in den unteren Klassen zu Saisonschluss alljährliche Folklore, immer auch schon mit Zugriff auf die dritte und zweite Leistungsstufe und hier wohl mit einem erstmaligen Beleg für ihr Vorhandensein in der Top-Klasse) wird durch das mit gespielter Hilflosigkeit orchestrierte, als Vorgehen getarnte, Nichtstun behandelt wie ein Weltkulturerbe.

Für die Lokalkaiser und Provinzfürsten, die den heimischen Fußball immer noch regieren - und tief im Denken auch derer drinnen sitzen, die diese Ära des Kartnigismus rein äußerlich überwunden haben - ist ein solches Prozedere auch tatsächlich die Norm: Wer-das-Gold-hat-macht-die-Regel-Mentalität, brutale Machtausübung samt Omerta und die Sicherheit, dass die Petite schon allein deshalb nie auffliegen wird, weil es das (in seiner Interdependenz strukturell total verklüngelte) System, in dem man sich befindet, gar nicht zulassen kann. Was sich angesichts der Glasner entfleuchten Enthüllung aufs Bitterste bestätigt.

Denn natürlich wäre es möglich den Sachverhalt aufzuarbeiten: die Liga könnte sich mit den heimischen Investigativ-Ressorts kurzschließen und sich so (oder anders) an einer Aufklärung beteiligen. Das wäre auch im Sinne der unter Verdacht geratenen Kärntner, deren Schuld jetzt ohne bekräftigende Belege ins öffentliche Bewusstsein einsickert. Nur weil man sportjuristisch oder nach dem Strafgesetzbuch nichts (oder zu wenig) unternehmen kann, muss man ja nicht den künstlich hilflosen Eindruck erwecken, den die heimischen Fußball-Mächtigen in diesem Fall abgeben. Und mit dem sie künftige (und hochgefährliche) Standards für den Umgang mit Matchfixing setzen.

PS 1, noch von Montag

Ein kürzlich der Spielbetriebspraxis Entfleuchter schreibt mir folgende schöne Säätze: "...es gibt die Spielmanipulation, von der jeder weiß, weil sie seit immer praktiziert wird und über die sich deswegen nie wer drübertraun wird. Never, ever."

PS 2

Drübertraun tun sich, am Dienstag dann, die Rieder. Im konkreten Fall die dortige Staatsanwaltschaft, die die Ermittlungen aufnimmt. Die Liga spricht in einer ersten Reaktion bandwagoneskerweise davon, dass sie eh darauf gehofft/gewartet hatte und widerspricht dem bisherigen Eindruck. Vielleicht ein Hoffnungsschimmer.