Erstellt am: 18. 2. 2015 - 16:40 Uhr
It's NOT the Start-Ups, stupid!
Was ist eigentlich dran am ganzen Hype um Start Ups und ihre risikoverliebten Investoren. Sind sie ein Garant für Innovation, für Wachstum und Wohlstand? Ein Gegenpol zum verschlafenen Vater Staat, der in Bürokratie und Untätigkeit versinkt? Mariana Mazzucato, Volkswirtin und Professorin an der Universität Sussex hält das für einen wirtschaftsliberalen Mythos. In ihrem Bestseller „Das Kapital des Staates. Eine andere Geschichte von Innovation und Wachstum“, der in acht Sprachen erschienen ist, räumt sie damit auf. Nicht Unternehmer sorgten für die großen Innovationen, sondern die öffentlich Hand, meint die charismatische Ökonomin.
Habt ihr euch schon einmal gefragt, warum die innovativsten und erfolgreichsten Unternehmen wie Google, Facebook und Apple alle aus den USA kommen? Mit diesen Worten legt die italo-amerikanische Ökonomin Mariana Mazzucato gerne los, wenn sie über ihr ureigenstes Fachgebiet, die Innovationsforschung spricht. Ob in einem der zahlreichen Radio- und TV-Interviews die sie dieser Tage gibt, ober in diesem TED Video. Die gängigste Antwort ist wohl: Weil die USA eine Start-Up Kultur haben, weil sich der träge Staat heraushält und die kreativen Garagenbastler machen lässt.
Für Mariana Mazzucato ist diese Erklärung völlig falsch. Um das zu beweisen, zieht sie gern ihr Iphone aus der Tasche. Denn tatsächlich stecken darin nur Technologien, die staatlich finanziert wurden. Ob Halbleiter, Internet, Touchscreens, GPS oder Sprachassistent. Immer waren es staatliche Labors, militärische Programme oder Unis, die für den Durchbruch sorgten.
Ohne Geld vom Steuerzahler gäbe es kein Silicon Valley,
so Mariana Mazzucatos These, die sie in Buchform auf knapp 300 Seiten erklärt. Findige Unternehmen und kurzfristig denkende Investoren würden erst auf den fahrenden Zug aufspringen, den die öffentlich finanzierte Forschung antreibt.
Bei den meisten radikalen, revolutionären Innovationen, die den Kapitalismus vorangetrieben haben – von Eisenbahnen über das Internet bis aktuell zur Nanotechnologie und Pharmaforschung – kamen die frühesten, mutigsten, und kapitalintensivsten 'unternehmerischen' Investitionen vom Staat.
Risikofreudiger als die ganzen Wagniskapitalgeber
Mariana Mazzucato
Der Staat ist risikofreudiger als die ganzen Wagniskapitalgeber, die sonst immer gelobt werden, und ist damit nicht Hemmschuh, sondern Motor von Entwicklungen, Impulsgeber für neue Produkte und Dienstleistungen. Natürlich brauche es auch die Zuckerbergs, Jobs und Brins dieser Welt. Doch sie profitieren von staatlichen Förderungen und minimieren so ihr unternehmerisches Risiko.
Wenn ein öffentlich gefördertes Projekt scheitert, wie das Überschallflugzeug Concorde, trägt die Verluste die Allgemeinheit, so Mazzucato. Wenn aber die staatliche Grundlagenforschung zu marktreifen Produkten führt, werden die Gewinne privatisiert.
Ein anderer Grund, warum Mazzucato den Start-Up Hype kritisiert: Die meisten kleinen Firmen gehen nach kurzer Zeit Pleite. Statt vieler neuer Jobs schaffen sie tatsächlich nur wenige, meist schlecht bezahlte Arbeitsplätze. Und jene Unternehmen die Gewinne erwirtschaften, stecken, heute nur mehr einen Bruchteil davon in Forschung und Entwicklung. "Dass Apple nach dem Tod von Steve Jobs damit begann, einen beträchtlichen Teil des Gewinnes für den Rückkauf von Aktien auszugeben um deren Wert zu steigern und damit auch die Einkommen der Chefetage zu erhöhen war ein gewaltiger Kurswechsel in der Firmenpolitik. Das sind die Dinge, über die wir uns viel mehr Gedanken machen müssen. Wie verhalten sich diese Firmen eigentlich? Investieren sie denn langfristig in jene Bereiche, die Wachstum, Arbeitsplätze und Produktivität hervorbringen?"
Steuergeschenke und Förderungen für Firmen seien meist hinausgeworfenes Geld. So lautet Mazzucatos schlichte Botschaft an die Politik. Will man Innovation und Wachstum für alle fördern, müsse der Staat investieren, nicht nur in Grundlagenforschung, sondern ganze Innovationsketten gestalten, wie sie sagt. Von den Gewinnen daraus sollen dann nicht nur einzelne Unternehmen und Investoren profitieren, sondern die Allgemeinheit. Wie das gelingen soll, deutet die Wissenschaftlerin im Buch nur an. Etwa durch Tantiemen auf Patente, die aus staatlichen Laboren kommen oder durch Beteiligungen an Unternehmen. Mit ihren Thesen hat die derzeit vielgefragte Politikberaterin einen Nerv getroffen. Daraus die richtigen Taten ableiten, müssen andere.