Erstellt am: 14. 2. 2015 - 12:10 Uhr
Rainbow Scouting
"Der Pfadfinder/die Pfadfinderin achtet alle Menschen und versucht sie zu verstehen", so steht es im Gesetz der PPÖ, mit 80.000 Mitgliedern die größte Pfadfinderorganisation Österreichs. Den zitierten Grundsatz hat sich vor einigen Jahren Philipp Pertl zu Herzen genommen und die Initiative Rainbow Scouting Austria gegründet.
Philipp ist seit seiner Kindheit Pfadfinder und war viele Jahre ehrenamtlicher Mitarbeiter im Wiener Landesverband der PPÖ. Im Jahr 2011 reiste er nach Schweden auf ein Jamboree, also ein weltweites Pfadfindertreffen. In dem riesigen Zeltlager hielten sich 40.000 Scouts auf. Einige von ihnen wollten ein Treffen lesbischer und schwuler Pfadfinder veranstalten. Philipp war im Pressebereich des Jamborees beschäftigt: "Der Weltverband hat verhindert, dass man dieses Treffen am Lager selbst bewirbt. Man durfte also im Lagerradio, das es dort gab, und in der Lagerzeitung nichts darüber erzählen. Ganz stark gemacht hat sich der amerikanische Verband. Ich war im Pressebereich tätig, habe mitgekriegt, was da verboten wird, und mir gedacht: 'Oida, das widerspricht doch dem Pfadfindergedanken. Das gibt’s ja nicht!'"
©Burstup
Die Diskussion führte noch während des Welt-Pfadfindertreffens zu einer kleinen Pride-Parade im Lager selbst - und die schwedische Presse berichtete darüber. Auffällig sei gewesen, erzählt Philipp, wie unterschiedlich die Chefs verschiedener Länderverbände Homosexualität bewerteten: "Dort waren über 150 Länder vertreten. Für die Bundesleiter von Estland, Lettland, Polen und Russland war Schwulsein eine Katastrophe. Die Schweden und die Briten waren eher verwundert, dass das so verboten wird."
Streit um das Wort "homosexuell"
Derart große Unterschiede sollten sich auch in Österreich zeigen. Inspiriert von seinem Erlebnis auf dem Welt-Pfadfindertreffen gründete Philipp Pertl die Initiative "Rainbow Scouting Vienna" - und stieß schon mit dem ersten Flugzettel auf Widerstand. Denn er hatte geschrieben: "Eine Initiative für homosexuelle Pfadfinder". Daraufhin wurde Philipp vom Wiener Pfadfinderpräsidenten, der auch Bezirkspolitiker in Wien ist, ins Büro vorgeladen: "Er sagte mir unter vier Augen: Wenn du dieses Wort schreibst, darfst du nichts machen. Ich habe gesagt: Das geht nicht, ich kann das Wort 'homosexuell' nicht weglassen, denn es erklärt die Initiative. Er hat gesagt: Nein, das darfst du nicht. Auf meine Frage, was ich denn hinschreiben solle, hat er gesagt: Schreib 'Im Sinne von Rainbow'. Ich habe zu ihm gesagt: Was heißt im Sinne von Rainbow? Er sagte: Das werden eh alle verstehen."
Philipp gab nicht auf. Er druckte Flyer und Plakate mit dem Wort homosexuell auf eigene Kosten. Der Landesverband hatte die bereits gegebene Zusage für eine Kostenübernahme wieder zurückgezogen. Der Aktivist erweiterte die ursprünglich nur für Wien gedachte Initiative auch gleich auf ganz Österreich.
Seine ehrenamtlichen Funktionen im Wiener Landesverband, unter anderem als dessen Pressesprecher, ist Philipp mittlerweile los. Doch die nun "Rainbow Scouting Austria" genannte Initiative ist in jedem Bundesland aktiv. In ganz Österreich, sagt der Aktivist, gäbe es mittlerweile Pfadfindergruppen und Einzelpersonen, die sich mit Rainbow Scouting solidarisieren, auch in Wien. Anhand der Steiermark sehe man am deutlichsten den Unterschied zwischen den Landesverbänden: "Dort sind die Rainbow Scouts bereits im Team des Landesverbandes integriert." Aus allen Bundesländern, erzählt Pertl, kämen mittlerweile auch Einladungen, Workshops und Seminare zu halten: "Was ist Ausgrenzung? Was ist Homophobie? Wir diskutieren und wir machen eine Art Jugendleiterausbildung."
Das Kernteam von Rainbow Scouting Austria besteht mittlerweile aus 10 bis 15 Ehrenamtlichen. Aufgrund der Initiative fänden junge Menschen bei den Pfadfindern heute eher den Mut, sich zu outen und Fragen über sexuelle Orientierungen zu stellen. Rainbow Scouting sehe sich aber nicht als Coming-Out-Gruppe, sagt Philipp, sondern empfehle die Coming-Out-Beratungen von Initiativen wie der HOSI. Im Wiener Vereinslokal letzterer, dem Gugg, gibt es auch ein regelmäßiges, monatliches Treffen. Die Arbeit von Rainbow Scouting ist ein gelungenes Beispiel dafür, wie man auch in einer alten, manchmal ein bisschen konservativ agierenden Jugendorganisation erfolgreich Vorurteile abbauen kann.