Erstellt am: 13. 2. 2015 - 13:04 Uhr
Zum Tod von Steve Strange
Alt ist er nicht geworden. Steve Strange ist gestern mit 55 Jahren in Ägypten an den Folgen eines Herzinfarktes gestorben. In der offiziellen Messeinheit der Popgeschichte - den Chartsplatzierungen - muss man ihn und seine "Band" Visage wohl als One-Hit-Wonder beschreiben. Sein Hit "Fade to Grey" war definitv einer der ganz großen "Style over Content-Momente" der 80er Jahre. Eine fantastische elektronische Basslinie, französisch hauchende Models, geraunte Befindlichkeiten über einsame Männer auf Bahnhöfen, ein sophisticated "European flavour", perfekter Lippenstift, fantastisches Make Up. "Fade to Grey" war vor allem ein richtiger Hit mit "Wetten, dass...?"-Auftritten, Bravo-Postern und erfundenen Geschichten über diese "Band" und ihren "Sänger" Steve Strange.
Steve Strange - Blitz Kid
Was hierzulande nur in Spurenelementen und über die Teeniepop-Presse angekommen ist - woanders fand der frühe Synthiepop kaum statt - gilt in Englands Clubkultur-Geschichte als einer der ganz großen Gründungsmythen: Steve Strange war der Erfinder und Herrscher des Blitz Clubs in Covent Garden, London. Es gibt soviele Geschichten und Anekdoten, Lügen und Halbwahrheiten über diesen Club, wie es Besucher gab. Und das können gar nicht so viele gewesen sein, wie heute behaupten dort Stammgäste gewesen zu sein. Die Location war winzig, und der Blitz Club existierte gerade einmal von 1979 bis 1981. Jeden Dienstag trafen sich dort Fashion-Studenten, Bowie-Fans, Queers, Wannabe-Popstars, Soulboys und alle, die von den zunehmend standardisierten Punk-Ritualen (Bier, Iro, Lederjacke) gelangweilt waren. Früher Synthie-Pop, Soul, New Wave und vor allem Bowie (bevorzugt die Berlinphase) waren der Soundtrack zu dieser völlig neuen Art der Selbstdarstellung.
Elaborierte Kostüme, sehr viel Haarspray, Make-Up, Dekadenz und Fantasie verschafften einem vielleicht Einlass in dieses Zauberreich der Exzentrik. Boy George, Princess Julia, Spandau Ballet, Midge Ure, Cerith Wyn Evans, John Galliano usw., die Liste der später berühmt gewordenen Blitzkids ist lang. Sicher ist jedenfalls, dass die Türpolitik von Steve Strange, der den Eingang zum Blitz überwachte, streng und wohl auch gemein war. Mick Jagger wurde jedenfalls angeblich nicht reingelassen. Irgendwer hat sich dann auch den Begriff "New Romantics" für die Szene einfallen lassen. Da war die Party aber in dieser unschuldigen Version schon wieder fast vorbei.
Was dann folgte, waren zahlreiche Popstar-, DJ-, Mode-, und Medienkarrien der ehemaligen Blitzkids, aber auch Neid, Drogenabstürze und die üblichen Schattenseiten des Nachtlebens. Mit dem raschen Ende der Karriere als Popstar bei Visage wendete sich auch für Steve Strange bald das Blatt. Für ihn bedeuteten die späten 80er und 90er-Jahre vor allem Entzugsdramen, Schicksalsschläge, Obdachlosigkeit und Ladendiebstahl. Der einst gefürchteste Style-Papst der britischen Popkultur musste schließlich in seine alte Heimat Wales zurückkehren, gezeichnet von diversen Style- und Clubwars. In den letzten Jahren schloss er sich diversen 80er Jahre Retro-Tourneen an und bastelte an neuen Visage-Platten. Steve Strange war zwar Vorreiter und Inspiration, konnte aber sein Leben als Fabelwesen des Nachlebens, im Gegensatz zu anderen, nie ordentlich zu Geld machen.
Ashes to Ashes
Es ist ein morbider Treppenwitz der Popgeschichte, dass die meisten Menschen Steve Strange im Video zu David Bowies "Ashes to Ashes" gesehen haben werden. Steve Strange gab später etwas verbittert zu Protokoll, dass Bowies Clown-Kostüm ja eigentlich von ihm, dem orignalen Blitz-Kid gestohlen worden sei. Er und ein paar - von Bowie im Blitz Club persönlich gecastete - Clubkids, tanzen am synthetisch eingefärbten britischen Strand zum melancholischen Abgesang auf Major Tom. Das hätte sich der 15-jährige walisische Bowie-Fan in seinem Jugendzimmer nicht besser ausdenken können.