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Robert Glashüttner

Videospielkultur, digital geprägte Lebenswelten.

12. 2. 2015 - 17:46

"I predate Bill Gates by quite some time"

Dame Stephanie "Steve" Shirley ist IT-Pionierin und hat den Verkauf von Software kommerzialisiert - in den frühen 60er Jahren. Sie war in Wien zu Gast.

Wir kennen Bill Gates und Steve Jobs. Uns sagt Linus Torvalds etwas, der Erfinder von Linux, oder Tim Berners-Lee, der Erfinder des WWW. Wir wissen, dass Frauen maßgeblichen Einfluss auf die Frühzeit der IT hatten: Hedy Lamarr war in ihrer Freizeit Cryptografin, Ada Lovelace die erste Programmiererin. Aber wer ist Stephanie Shirley? In den Anekdoten über die Geschichte der Computerentwicklung kommt ihr Name bislang kaum vor. Dabei war sie eine der ersten IT-Entrepreneurinnen der Geschichte.

Dame Stephanie Shirley

Dame Stephanie Shirley

Stephanie Shirley, 1933 geboren als Vera Stephanie Buchthal, konnte 1939 mit einem der letzten Kindertransporte vor dem Nazi-Regime flüchten und hat sich in England als Kind und Teenager schon früh für Mathematik interessiert. 1962 macht sie etwas aus heutiger Sicht Unglaubliches: Sie gründet ein Softwareunternehmen und stellt die ersten Jahre über ausschließlich Frauen ein. Der Grund war ihre eigene Konfrontation mit einer noch weitgehend ungleichen Gesellschaft: Frauen waren - auch im westlichen Europa - zu jener Zeit noch von vielen Dingen des Lebens ausgeschlossen. Ein Bankkonto durfte nur im Einvernehmen mit dem Ehemann eröffnet werden, bestimmte Berufsgruppen waren nicht zugänglich. Andererseits gab es klar für Frauen zugeschnittene Berufe wie "das Fräulein vom Amt", also die Arbeit in einer Telefonschaltzentrale. Besser bezahlte Managerjobs waren hingegen weitgehend unzugänglich, es gab eine gläserne Decke, die für Frauen bis in die 70er Jahre und darüber hinaus nur sehr schwer zu durchbrechen war.

Entsprechend konsequent, aber auch pragmatisch ist Stephanie Shirley vorgegangen, als ihr Unternehmen einmal gegründet war. Um an mehr Aufträge zu kommen, unterschrieb sie ab einem bestimmten Zeitpunkt mit einem männlichen Vornamen: Steve. Dennoch blieb bis ins Jahr 1975, wo aus rechtlichen Gründen auch Männer eingestellt werden mussten, ihre Firma ein reines Frauenunternehmen. Flexible Arbeitszeiten und teilweise ein Arbeiten von Zuhause aus wurden ermöglicht. Shirley war also an zwei Fronten ihrer Zeit voraus: beim Vorantreiben der IT-Industrie und bei der besseren Integration von Frauen in die Arbeitswelt.

Kommerzialisierung von Software

Was Dame Stephanie und ihre Mitarbeiterinnen in den 60er und 70er Jahren in ihrer Firma genau getan haben, ist heute schwer zu vermitteln. Computer und ihre Rechenzeit waren immens teuer, die Geräte so groß wie ganze Zimmer. Datenverarbeitung damals hatte nichts mit dem zu tun, was wir seit gut 30 Jahren von den Heimcomputern her kennen und gewohnt sind. Mitte bis Ende der 70er Jahre fand dann ein kompletter Paradigmenwechsel statt: Computer waren erstmals klein und billig genug, um von einzelnen Personen erworben zu werden.

In Sachen Software verlief es ähnlich. Zunächst war sie nur ein notwendiges Anhängsel der Rechenmaschinen, Programme und Betriebsysteme wie Unix wurden unkommerziell entwickelt und verbessert. Mit Heimcomputern veränderte sich das und Software wurde fortan verkauft. Doch auch hier hat Mrs. Shirley Pionierarbeit geleistet: Ihre Firma basierte schon gut 15 Jahre vor Apple, Microsoft und Co. darauf, dass Software als Produkt betrachtet, kommerzialisiert wurde. Auf die Frage, was sie von der Freie-Software-Bewegung halte, winkt sie ab: "I won't comment on that."

Dame Stephanie Shirley

Dame Stephanie Shirley

Make the world a better place

1993 hat sich Stephanie Shirley aus ihrer Firma zurückgezogen. Sie ist zu diesem Zeitpunkt längst Millionärin gewesen und beschließt, fortan als Philanthropin Menschen und ihre Visionen finanziell zu unterstützen. Aufgrund eines Schicksalsschlags - ihr autistischer Sohn Giles ist 1998 35-jährig verstorben -, unterstützt sie neben IT-Projekten auch die Autismusforschung.

Es ist der klassische Werdegang von enorm erfolgreichen Industriellen: Karriere machen, im Management einige Jahre lang sehr gut verdienen und später das Geld für sich arbeiten lassen und gleichzeitig ausgewählte Initiativen unterstützen, um jenen gesellschaftlichen Beitrag zu leisten, den der eigene Reichtum moralisch und gesellschaftlich von einem verlangt. Im Fall von Stephanie Shirley ist dieser Werdegang dennoch alles andere als gewöhnlich. Alleine der Umstand, dass sie als Frau in den 50er Jahren aufgewachsen ist und in den 60er Jahren eine Firma gegründet hat, hat ihr genügend Hürden, Fallen und Ernüchterungen in den Weg gelegt. Zunächst hat sie die Leidenschaft zur Mathematik und der Wunsch nach gesellschaftlicher Gleichberechtigung angetrieben. Der finanzielle Erfolg kam erst später und war naturgemäß auch von Rückschlägen durchsetzt.

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"Let IT Go" - Dame Stephanies Memoiren

2012 hat Stephanie Shirley ihre Memoiren veröffentlicht. In "Let IT Go" erzählt sie ihre Lebensgeschichte.