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Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

12. 2. 2015 - 17:34

Sleeping Tapes

Silk Rhodes schütteln auf ihrem Debütalbum wie beiläufig im Traum erschienene Schmusemusik aus dem Handgelenk. Soul ohne Zweck.

Im programmatisch "This Painted World" betitelten Song des amerikanischen Duos Silk Rhodes lautet eine – für das gesamte Album – zentrale Zeile: "There's No Such Thing As Reality". Producer und Instrumenteallrounder Michael Collins und Sänger Sasha Desree (sprechender Künstlername) interessieren sich in ihrem gemeinsamen Projekt – und auch außerhalb davon – für den Eskapismus, für das Entkommen von diesem tristen Planeten Richtung psychedelisch verspukter Scheinwelten.

Sie malen sich ihr Leben bunt, wenn auch in eher blassen, verwaschenen Pastelltönen, ihre Welt ist schemenhaft und nebulös. Zur Not tut es auch der Rückzug unter die eigene Bettdecke und die Zuhilfenahme bewusstseinserweiternder Aromen. Wenn es eine Gruppe schon so sehr drauf anlegt, wollen wir ausnahmsweise nicht so sein und einen Albumtitel und einen Bandnamen doch recht wörtlich nehmen: "Silk Rhodes" so nennt sich auch das Debütalbum der zwei Musiker aus Baltimore. "Silk", die Seide, "Rhodes", eine Anspielung auf das Fender Rhodes Piano, das schon auch gern zur Herstellung besonders geschmeidiger Säusel-Musik benutzt wird.

Silk Rhodes

Theo Jemison

Silk Rhodes

Die doppelte Weichspülung also, ein zu vernachlässigendes Wortspiel ebenso, Musik von der Seidenstraße. Silk Rhodes versuchen sich auf ihrem Debütalbum an der samtenen, hypersexuellen Entspannungsmusik - am besten klarerweise fürs Schlafzimmer.

Silk Rhodes gleiten, fließen und schmusen sich so auf 12 Tracks durch rudimentär aus den Geräten gekitzelten feingliedrigen Soul, lasziven Funk und ein paar abgebremste HipHop-Versatzstücke, manchmal klappern die Drums doch gar schön swinginduzierend. Es ist groovy, man.

Das Schöne an "Silk Rhodes" von Silk Rhodes ist, dass diese wie beiläufig zusammengestückelte Platte kein Ziel und keinen Zweck zu haben scheint – außer vielleicht die Kunde von sexy Faulheit und zurückgelehnter Lustbefriedigung in die Welt zu tragen. Vielleicht hört sie ja jemand, falls nicht, naja, Kopfhörer wieder auf, Augen wieder zu.

Es gibt verschlafen elegant aus der Gitarre geschüttelte Licks zu erleben, Orgeln, die wabern und vibrieren, Musik die nach süßem Dampf duftet.
Dazu wird von der Körperlichkeit, dem Schweiß, dem Herz und der Liebe gehaucht. Desree kiekst müde, lässt ohne Not die Silben von seiner Zunge rollen. Langgezogene Ooohs und Aaahhs dominieren die Gemütslandschaft zwischen Leiden, Sehnen und Fühlen.

Silk Rhodes

Stones Throw

"Silk Rhodes" von Silk Rhodes ist via Stones Throw erschienen.

Aus dem Album spricht der ausgedünnte Geist von guten Menschen wie Marvin Gaye, Sly Stone, Prince, Al Green oder den leider vergessenen Neo-Soulern Plantlife. Jedoch in der runtergedämpften Lo-Fi-Minimal-Version. Groß variiert wird hier nicht, ab und zu gibt es selige Glöckchenklänge, eine Triangel, ein bisschen Streicherschmelz. Da und dort darf es kurz ein bisschen munterer werden, beispielsweise im hinsichtlich Ambition grade noch als "Hit" durchgehenden Stück "Face 2 Face".

Aus all dieser einlullenden Dunstmusik, diesen Sounds aus Watte, sticht ein Track hervor: Die Nummer "Personal Use", die sich mit Handclaps, Bongo-Beat und kurz in den Mix geschnippselten Diva-Vocals fast schon als House-Track für den Dancefloor empfiehlt. Das war's dann aber auch schon auf "Silk Rhodes" von Silk Rhodes mit Ausnahmen und höherer Energie.

Viel mehr ist nicht los auf dieser seltsam bezaubernden, in jedem Sinne kleinen Platte, die mit einer Spieldauer von gerade mal einer halben Stunde auch eher eine lange EP denn ein Album ist. Eine putzige Fingerübung, skizzenhafte Songs, diverse Interludes, bloß angedeutete Motive, ein Fillerstück, das kaum mehr ist als ein Hörspiel via Anrufbeantworter. Mögen den Silk Rhodes in ferner Zukunft noch viele Schmuckstückchen im Dienste der Verweigerung und der sweet Relaxation aus den Ärmeln rutschen. Sofern die zwei Herren nicht demnächst komplett wegdösen.