Erstellt am: 12. 2. 2015 - 16:10 Uhr
Chinas Internetzensur plagt Europäer
Das World Wide Web wird in China schon seit vielen Jahren eingeschränkt. Von vielen Websites wie etwa Wikipedia gibt es nur streng zensierte Versionen. Andere werden vollständig blockiert, zum Beispiel die Angebote von Google, Facebook und Wikileaks. Von zahlreichen gesperrten Internetplattformen gibt es chinesische Klons, deren User total überwacht werden: Nutzer von WeChat, einem chinesischen Whatsapp-Klon, wurden in jüngster Vergangenheit bloß aufgrund unliebsamer Chats verhaftet. Auch auf Weibo, der chinesischen Twitter-Kopie, wird jede abgesetzte Nachricht einzeln kontrolliert, bei Nichtgefallen durch Zensoren gelöscht und als Grundlage für Verhaftungen und Anklagen herangezogen.
APA/EPA/ROLEX DELA PENA
Viele Internetuser in China umgehen die Zensur mit Hilfe von Virtual Private Networks (VPN). Seit einigen Wochen werden aber die bekannten VPN-Anbieter von den chinesischen Behörden gebremst oder vollständig blockiert. Die Zensur wird strenger, und immer mehr europäische Firmen beklagen sich darüber.
In einer jüngsten Umfrage der Europäischen Handelskammer in China sagen 86 Prozent der Unternehmen, dass sie in China von Internetblockaden in ihren Geschäften eingeschränkt werden. Das sind 15 Prozent mehr als vor einem halben Jahr. Diesen Eindruck bestätigt auch Bernd (Name von der Redaktion geändert). Er arbeitet für eine Werbeagentur in Peking. "Der Bericht deckt sich mit meinen Erfahrungen hier - nämlich insofern, dass so ziemlich jeder leidet", sagt Bernd. VPN-Anbieter, deren Service jahrelang gut funktioniert habe, seien plötzlich nutzlos und man müsse neue suchen.
Hohe Kosten
"Ich arbeite zwar in einem Unternehmen, dessen IT gut aufgestellt ist – denn Werbung hat viel mit Digitalisierung zu tun. Es stört aber, dass wir dauernd für lokale Leute VPNs einrichten müssen." Das Anfangsgehalt eines chinesischen Werbegrafikers in Peking seien wenige hundert Euro. Für viele Chinesen sei ein kommerzieller VPN-Anbieter einfach zu teuer. Eher seien es also Ausländer, die sich Virtual Private Networks leisten würden. Seine Firma koste die Einrichtung von VPNs für ständig neue chinesische Geschäftspartner viel Zeit und Geld, sagt Bernd. "Sowohl unsere IT-Abteilung in Deutschland, als auch die in China hat immer viel zu tun."
Mühsame Recherche
Das Hauptproblem für Bernd ist aber, dass er in seinem Beruf als Grafiker eigentlich täglich darauf angewiesen ist, im weltweiten Internet zu recherchieren, gerade das jedoch von Peking aus immer mühsamer werde: "Jede Kreativindustrie lebt von Originalität. Wenn ich nicht nachschauen kann, ob es etwas, das ich machen will, in dieser Art schon gab, dann laufe ich Gefahr, unbewusst zu kopieren." Außerdem bremse der Zugriff auf weltweites Wissen die Innovation in jedem Sektor seiner Branche, was für den Markt ingesamt schädlich sei.
Braindrain
Dass deshalb ganze Unternehmen in naher Zukunft aus China abwandern werden, glaubt Bernd zwar nicht, denn die wirtschaftlichen Möglichkeiten würden derzeit noch überwiegen - einen Talentschwund gebe es aber schon länger. "Die chinesische Regierung hat versucht, gegen den Braindrain anzukämpfen. Mit Gehaltserhöhungen, mit Goodies, auch für Heimkehrer". Die Blockade von VPN-Tunneln laufe diesen Maßnahmen jedoch zuwider. "China braucht mehr denn je qualifizierte Fachkräfte aus dem Ausland: Ausländer, chinesische Heimkehrer und sogenannte ABCs (American Born Chinese). Doch deren Zahl wird sich verringern, weil das Leben hier weniger frei wird. Hingegen wird die Abwanderung junger Top-Talente weitergehen wie bisher. Denn das sind die Leute, die wirklich ein VPN haben wollen, weil sie Zugriff zum weltweiten Netz wollen."
China beschwichtigt
Die chinesische Regierung verteidigt die Störung von Virtual Private Networks. Wen Ku, Direktor für Telekommunikation im Informationsministerium, sagt, seine Behörde müsse "neue Wege gehen, um die Sicherheit im Internet zu wahren". Für Bernd wirkt diese Aussage nicht beruhigend: "So etwas wie Sicherheit gibt es im chinesischen Internet nicht. Es ist hier wirklich spürbar, dass es zur Zeit vielen Ausländern gruselt. Man lebt hier ja doch ein wenig in einer Blase, die einem das Leben leichter macht als den meisten Chinesen. Plötzlich aber ist man direkt betroffen von der Zensur, weil die VPNs, die bisher geduldet wurden, attackiert werden. Man spürt, wie alles ein bisschen unentspannter wird. Wie die Leute unentspannter werden."