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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

12. 2. 2015 - 15:05

The daily Blumenau. Thursday Edition, 12-02-15.

Aus aktuellem Erinnerungsanlass: Was der austrofaschistische Ständestaat fürs Hier und Jetzt hinterlassen hat.

Über die durchaus bedeutsamen Auswirkungen der geschichtlichen Ereignisse hinter dem PSC.

The daily blumenau hat im Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst. Und bietet Einträge zu diesen Themenfeldern.

Heute ist also wieder einmal Protestsong-Contest.
Und da den (mit FM4 gemeinsam) das Rabenhof-Theater im im 34er-Bürgerkrieg schwer betroffenen Rabenhof ausrichtet, ist der feststehende Termin (es ist jedes Jahr der 12. Februar) einer, der die entsprechende historische Erinnerung fördert: Er markiert die militärische Zerschlagung der letzten oppositionellen Zuckungen durch eine mit Heer, Polizei und Miliz durchgreifenden Staatsmacht, für die der Begriff "autoritär" im Licht seiner heutigen Verwendung (von Putin oder Erdogan bis hin zu Lukaschenko oder Aliyev) deutlich zu schwach ist.

Denn der austrofaschistische Ständestaat, den die Christlich-Soziale Partei mit Unterstützung und Förderung der katholischen Kirche und (selbstverständlich) der Großindustrie, schon im Jahr 33 nach der Ausschaltung des Parlaments ausgerufen hatte, orientierte sich an den Ideologien des großen faschistischen Nachbarn Italien, wo Mussolinis PNF seit den 20ern die Macht hielt.

Protestsongcontest

Das Finale des Protestsongcontests am 12. Februar präsentiert von FM4 und dem Rabenhof Theater.

Die Videos vom Protestsongcontest gibt es ab Samstag, den 14.2., auf fm4.ORF.at. Und ab 22.45 Uhr wird das Finale auf ORF III im TV ausgestrahlt.

Alle Stories zum Protestsongcontest im Überblick

Der Beginn des Austrofaschismus lässt sich 1930 ausmachen: Da schwor sich die Miliz der ÖVP-Vorgänger-Partei im Korneuburger Eid auf die Ausschaltung des Parlaments und das Ende der Demokratie der 1. Republik ein. Das wurde 1933 durch die Ausschaltung des Parlaments, 1934 durch die Niederschlagung des sozialdemokratischen Widerstands und 1936 durch die Installierung der Einheitspartei "Vaterländische Front" dann auch umgesetzt.
Die Ideengeschichte des dahinterstehenden Ständestaats ist eine deutlich ältere, diente aber eher als ideologisches Fernziel: Die Errichtung einer antisozialistischen, antiliberalen und streng autoritären Staatsform mit oligarchisch-autokratischer Kasten-Struktur: Die Klassenzugehörigkeit bestimmt den Wert des Menschen; Kirche, Geldadel und Großbürgertum gehen voran.

Der Austrofaschismus orientierte sich zwar auch an den Modellen, die in Spanien und Portugal existierten, schielte aber noch kräftiger rüber zur symbolreichen italienischen Variante. Der deutsche Faschismus war nicht so sehr aus ideologischen Gründen ein Feind (Ernst Rüdiger Starhemberg, zwischen Dollfuß und Schuschnigg 34-36 Chef der Vaterländischen Front, nahm etwa an Hitlers euphemistisch Marsch auf die Feldherrenhalle genannten Putschversuchs in München 1923 teil), sondern deshalb, weil Hitler seit der Machtergreifung der NSDAP nach 1933 systematisch versuchte, seine eigentliche Heimat ins neue großdeutsche Reich einzugliedern und dabei nicht vor (heute würde man sagen: terroristischen) Anschlägen zurückschreckte.

In jedem Fall ist die durch den Einmarsch der deutschen Wehrmacht 1938 (und dem Anschluss, dem offiziell 99,73 % der Österreicher, die allermeisten davon tatsächlich höchst freudig erregt, zustimmten) beendete Versuchsanordnung des austrofaschistischen Ständestaats die einzige autoritäre, mit Waffengewalt durchgesetzte und klarer Symbolpolitik (Parlament-Ausschaltung, Einheitspartei etc) durchgeführte Diktatur, an der eine ursprünglich demokratisch gesinnte, christlich-soziale, konservative Partei beteiligt war.
Ein Tabubruch der allerdrastischsten, allerschlimmsten Sorte.

Der Dreck, den die CS demokratiepolitisch am Stecken hat, ließ sich auch durch ihre Neugründung als Österreichische Volkspartei 1945 (und nur weil man damals nicht allzu sehr an die Vorgänger-Partei erinnern wollte, heißen die hiesigen Christlich-Sozialen als einzige klassisch-mitteleuropäische Gesinnungspartei nicht so wie Belgier, Dänen, Deutsche, Holländer, Schweden, Schweizer oder Italiener) nicht abwaschen.

Und auch weil sich die VP symbolpolitisch nicht wirklich von der CS zu distanzieren vermag - das berühmte Dollfuß-Gemälde im Parlamentsclub gilt da als zentraler Zankapfel; wenn das einmal abgehängt wird, dann kann die VP (therapietechnisch gesprochen) damit beginnen ihre Vergangenheit abzuarbeiten.

Die 2. Republik basiert seit 1945 auf einer Art Balance des Schreckens zwischen der durch den Februar '34 traumatisierten Sozialdemokratie (die direkt aus den KZs der Austrofaschisten in die der Nazis überführt wurden) und den von der nachkriegszeitmäßig hochblühenden Angst vor dem Kommunismus paralysierten Konservativen. Das eigentlich unüberbrückbare Misstrauen fiel gut in die Zeit des Kalten Krieges, wo die gesamte Welt in diesen Freund/Feind-Schemata funktionierte. Und es führte direkt in das hochgradig austarierte System der Sozialpartnerschaft und in den sumpfigen Proporz (die Doppelbesetzung von allen wichtigen Positionen durch Vertreter beider Reichshälften), der zurecht als Wurzel der aktuellen Demokratie-Müdigkeit und als Ursache für neue antidemokratische Bestrebungen, also als Impulsgeber für ein mögliches (baldiges?) Ende der 2. Republik ausgemacht wird.

Die gesamte Seltsamkeit und Verschrobenheit des heimischen Polit-Systems, vor allem auch sein Agieren im allzu österreichischen Konjuntivismus fußt auf dieser allseits unaufgearbeiteten Phase des Austrofaschismus.
Die automatisierte Gelähmtheit der politischen Debatten-Kultur, das stete Schönlächeln dort, wo Konfrontation gefragt wäre, alles ist auf diese Schreckens-Phase zurückzuführen. Das nationalsozialistische Intermezzo (das Österreichs Identität in anderer Hinsicht - Xenophobie, Antisemitismus, Kunstbegriff etc - devastiert hat) bedeutete für die Herrn Karls der Nation nur eine leichte Umfärbung (weil ganz egal, ob Hahnenschwanzler, Krucken- oder Hakenkreuzler).

In bestimmten Bereichen hat sich die Weigerung seine eigene Geschichte aufzuarbeiten aber auch positiv ausgewirkt. Auch weil die satte, pralle, katholische Variante des christlich-sozialen Konservativismus im Gegensatz zu den protestantisch geprägten Kulturen des Nordens oder der weltlichen Version des französischen Gaullismus eine in diesem Zusammenhang wesentliche Zutat bereithält, eine ultrakatholische: die der Schuld.
Obwohl unausgesprochen und verdrängt, lastet eine historische Schuld auf herrschaftlich engagierten Vertretern, die sich der CS/ÖVP-Tradition zugehörig fühlen. Und das wiederum äußert sich in teilweise absurd anmutender Freizügigkeit, was widersprechende kulturelle/sozialpolitische Äußerungen betrifft.

Das erklärt die künstlerisch teilweise radikalen Projekte, die im tiefschwarzen Niederösterreich (und eben nicht in Wien) stattfinden ebenso wie die Existenz subversiver audiovisueller Programme im vom stockkonservativen Gerd Bacher regierten ORF (auf deren Basis bis heute in Relation gesehen mehr möglich ist als im vergleichsweise deutlich liberalen Deutschland) oder die im politischen Spektrum recht weitreichende Zustimmung zum Wurst-Phänomen bis hin zum Rupprechterismus. Nicht dass dieser Zustimmung zu Spielwiesen oder die Ausstellung von Denkungsarten dann in Gesetze oder echtes Umdenken münden - aber allein die lange Leine macht einen Unterschied; und verschiebt Österreichs Konservativismus (ideologisch; und eben nicht zufällig) in den europäischen Süden.

In der Verdrängung der autoritären Jahre, in denen eine heute noch existierende durchaus staatstragende Bewegung die Demokratie zur Diktatur wandelte, stecken noch zahlreiche weitere implizite Folgen, die vieles an unserem heutigen Denken, Sprechen und Handeln ausgelöst haben.

Da sich die Weigerung der Aufarbeitung seit vielen Jahrzehnten immer (eh wenig elegant, eigentlich hochpeinlich plump) hinter der ohnehin auch viel zu lange verweigerten intensiven Aufarbeitung des deutlich grausameren und gruseligeren, hochaktiven österreichischen Mittätertums beim Nationalsozialismus abgeduckt hat, konnte sie bislang ihre Existenz sichern.
Dem ein Ende zu bereiten, wäre - vor allem angesichts der in erster Linie darauf fußenden Erodierung der österreichischen Demokratie - eine anstehende Pflichtaufgabe nicht nur für Historiker, sondern vor allem für Politik und Publizistik. Wenn es dem Auch-Integrations-Minister Kurz mit seiner Forderung nach Politischer Bildung als Pflichtfach ernst ist, dann wird er die Untersuchung dieser Ära als allerersten Schwerpunkt einführen.