Erstellt am: 12. 2. 2015 - 17:00 Uhr
"Rübenpresse"
„Das Geschwür in meinem Magen nennt sich Journalist“ (Böhse Onkelz, Zeig mir den Weg)
Screenshot Facebook
Laut einer Umfrage (n=1000) des deutschen Medienmagazins "Zapp" erklärten vor wenigen Wochen zwei Drittel der Befragten gar kein oder wenig Vertrauen in die Arbeit von Journalisten zu haben. Vor drei Jahren war es noch annähernd Hälfte. Nun ist ein gewisses Grund-Misstrauen gegenüber etablierten Medien natürlich kein neues Phänomen, schon NS-Propagandaminister Goebbels neigte zur exzessiven Verwendung des Begriffs "Systempresse", die Vehemenz der Ablehnung, mit der Medien in Pausch und Bogen bedacht werden, ist zuletzt aber deutlich gestiegen.
Dabei spielt es wenig Rolle ob diese Verschwörungs-Narrative völkisch-national, linksradikal, libertär oder offen neonazistisch daher kommen. Allen gemein ist der Glaube an eine im Geheimen wirkende Elite aus Wirtschaft und Politik, denen die Medien als Erfüllungsgehilfe dienen, um den überwiegenden Teil der Menschheit "dumm zu halten". Und wenn dann manchmal von Seiten der etablierten Medien Fehler passieren, die meist dem Druck nach "der schnellen Geschichte" entspringen, ist das Wasser auf die Mühlen dieser Internetquellen, wo sie sofort zum Beweis für die große Verschwörung werden.
Brennpunkt Ukraine
Der Konflikt in der Ost-Ukraine dient seit einiger Zeit als Kristallisationspunkt für Misstrauen. In diesem Fall ergibt sich die Ablehnung der westlichen Berichterstattung aus einer strikt anti-westlichen Position. Putin wird als Held gefeiert, der sozusagen als einziger einer konstatierten "EUSA"-Hegemonie (also einem Konglomerat aus EU und USA) etwas entgegensetzt. Westliche Medien - vom Spiegel über ARD und ORF bis hin zum Boulevard - müssten ihn deswegen geradezu dämonisieren.
Die "alternativen" Medien sehen sich da als einziges "Korrektiv". In dieser strengen "Freund oder Feind"-Denke entstehen dann allerdings auch die krudesten Theorien über den Absturz der malaysischen MH370, Verschwörungen der westlichen "Homolobby" und dem "Genderterror", der "die Völker Europas knechtet" (gemeint ist meistens das "deutsche Volk") findet man dabei alles.
Eine der häufig verlinkten und zitierten Quellen ist der deutsche Publizist, Politikwissenschaftler und Verschwörungstheoretiker Udo Ulfkotte.
"Gekaufte Journalisten"
Faktencheck
Der Journalist Stefan Niggemeier hat "Gekaufte Journalisten ganz genau gelesen:
Ulfkotte, der fast 20 Jahre lang für die Frankfurter Allgemeine Zeitung schrieb, ist eine Art "bunter Hund", zumindest nannte ihn FAZ-Herausgeber Nonnemacher einmal so. Seit er im Vorjahr das Buch "Gekaufte Journalisten" veröffentlichte, ist er einer der Superstars der deutschsprachigen "Truther"-Szene. Dabei ging er vom FAZ-Auslands-Korrespondenten in vorwiegend islamischen Ländern, über den Umweltaktivisten, der gegen Shell kämpft, bis zum rechtspopulistischen Verschwörungstheoretiker einen weiten Weg.
Hat er vor einigen Jahren noch als "Sicherheitsexperte" (im Club2, 2010) gegolten und sich mit "der drohenden Islamisierung" beschäftigt, lag sein Augenmerk zwischenzeitlich vor allem auf der Ukraine und der Verschwörung der "US-gelenkten Geheimdienste".
2015 hat Ulfkotte zurück zur Xenophobie gefunden und veröffentlicht im Kopp-Verlag (der demnächst hier Thema seid wird) Artikel mit Überschriften wie "Multikulti in den Tod" oder "16 Argumente, um für PEGIDA auf die Straße zu gehen".
Aber auch zu etablierten Rechtsextremen hat Ulfkotte beste Kontakte, so wirbt "unzensuriert.at" (jene Seite, die dem ehemaligen Nationalratspräsidenten Martin Graf nahesteht) nach wie vor für sein Buch "Gekaufte Journalisten". Und schließlich hat sich Udo Ulfkotte, der laut Eigenangaben einst zum Islam konvertierte und nun wiedergeborener Christ ist, neuerdings auch zu einem prominenten Gesicht der PEGIDA und ihrer dutzenden Ableger gemacht.
"Everone off my bus, I need to pray"
Stellvertretend für etliche Übertreibungen und hysterische Halbwahrheiten, die mitunter auch harmloser als Ulfkottes Ankündigung "Deutschland stehe kurz vor dem Bürgerkrieg" klingen, steht die Geschichte über einen englischen Linienbus. Das englische Boulevard-Blatt "The Sun" berichtete über einen Busfahrer, der für sein Gebet Fahrgäste aus dem Bus geworfen hätte - eine Falschmeldung. Die Sun hat das richtig gestellt, für Ulfkotte dient es weiterhin als Beweis für den bevorstehenden Untergang des Abendlandes, den die "Lügenpreise bewusst verschweigt". Eine Zusammenfassung des Falles findet sich im Blog des Journalisten Stefan Niggemeier.