Erstellt am: 10. 2. 2015 - 16:21 Uhr
Die Grammys und der Österreicher
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Wolfgang „Wolfi“ Schiefermair (35) ist in Eile. Nicht weil der Soundtüftler nach seinem Triumph Dutzende Medientermine wahrnehmen müsste (ganz im Gegenteil), sondern weil er gerade mitten in einer Produktion steckt und im Studio werkelt. Für uns hat sich der aus Linz stammende und in Berlin lebende Meister der Töne trotzdem kurz Zeit genommen, um über einen verpassten und einen gewonnenen Grammy zu sprechen.
Matthias Kronsteiner
Zunächst die Sportlerfrage: Wie fühlst du dich jetzt nach dem Abschwung im Ziel?
Das Gefühl ist ein zweischneidiges. Einerseits schade, dass man es nicht geschafft hat. Andererseits Freude, dass es mit einer anderen Nominierung dann doch geklappt hat. Ich nehm’s also tatsächlich sportlich.
Es gab zwei Nominierungen aus dem Klassikbereich in Verbindung mit deinem Namen und zwar für das Album „City Noir“. Dabei handelt es sich um eine symphonische Komposition des Amerikaners John Adams, die du in Berlin abgemischt und gemastert hast.
City Noir von John Adams, aufgenommen mit dem St. Louis Symphony unter Dirigent David Robertson und dem Saxophonisten Timothy McAllister
Das eine war eine persönliche Nominierung für „Best Engineered Album, Classical“. Gewonnen hat dann aber die andere Nominierung „Best Orchestral Performance“. Aber natürlich ist auch das eine tolle Anerkennung für alle, die da mitgemacht haben.
Ich schätze, dass für einen Produzenten schon allein die Nominierung in einer Einzelkategorie sehr wichtig ist.
Absolut, denn es bedeutet, dass beim Einreichen des Projekts die Klangqualität positiv aufgefallen sein muss. Für so eine Nebenkategorie bewirbt man sich ja nicht selbst. Das hat die Jury erledigt. Das freut dann umso mehr.
Wie kommt man zu einer Grammy-Nominierung? Eingereicht kann ja in Prinzip jedes Album werden.
In Wahrheit ist das alles sehr auf den US-Markt konzentriert. Ich hatte das Glück, eine amerikanische Produktion eines amerikanischen Komponisten mit einem amerikanischen Orchester auf einem amerikansichen Label (Nonesuch, Anm. d. A.) zu betreuen. Diese Umstände haben die Nominierung sicher begünstigt.
Wie bist du von eurem Gewinn erfahren? In der TV-Live-Übertragung werden ja bloß die Hauptkategorien im Pop verliehen?
Von der Nominierung habe ich bereits zwei Monate vor der Verleihung erfahren. Und dann wartet man halt bis zur Übertragung. Ich habe mit meiner Freundin in Berlin via Grammy-Stream zugeschaut. Der Großteil der Nebenkategorien wird in einer Pre-Show, der sogenannten „Premiere Ceremony“, vergeben. Als meine Nominierung dran war, ist leider der Stream abgerissen und ich hab’s verpasst. Das war natürlich ärgerlich. Aber wir haben dann später einfach auf der Website der Grammys nachgeschaut.
Was bedeutet dieser Erfolg für dich beruflich?
Manche wollten wissen, ob ich viel Geld bekommen habe oder ob ich ab jetzt irrsinnig hohe Honorare verlangen kann. Dem ist nicht so. Die Auszeichnungen sind aber sicher eine gute Visitenkarte. Ich bin hier in Berlin in eine größere Studiosituation eingebunden, wo auch bisher sehr interessante und große Projekte gemacht wurden. Die persönliche Nominierung, die rein auf mich zurückgeht, ist aber natürlich toll. Ich glaube schon, dass in Zukunft einige interessante Telefonanrufe kommen werden.
Auf deiner Website trittst du als Einzelperson auf. Was machst du eigentlich für wen?
Ich bin selbständig und arbeite sehr häufig als Freelancer für das Teldex Studio Berlin. 50% meines Arbeitspensums ist Klassik. Ich habe bei Teldex aber auch einen Mischraum gemietet, wo ich viele Produktionen außerhalb meines Kernbereichs betreue: Jazz, Hip Hop, aber auch Pop-Sachen.
Wie zum Beispiel Mono & Nikitaman?
Genau, für die habe ich die „Live!“ DVD aufgenommen. Die Mono kommt ja – so wie ich – aus Linz und da kennt man sich halt und ich habe noch immer ganz gute Kontakte nach Österreich.
Welche Ausbildung hast du absolviert? Wie lautet eigentlich deine Berufsbezeichnung?
Da habe ich mir auch lange den Kopf darüber zerbrochen, wie man das nennen könnte. Also ich bin jedenfalls kein Tonmeister mit Tonmeisterstudium. Ich habe in Linz am Bruckner Konservatorium Klassik und Jazz studiert und diverse technische Ausbildungen gemacht. Über ein Praktikum bin ich dann zu Teldex nach Berlin gekommen.
Und wie schaut deine tägliche Arbeit aus?
Im Prinzip ist es Aufnehmen, Mischen und Mastern. Das sind jetzt so die Sachen, die man auch als Toningenieur, also als traditioneller Aufnahmemensch, macht. In der Klassik greift man dann schon auch mal in den Ablauf der Produktion ein, das heißt, man gibt den Musikern Tipps, was man noch verbessern kann, oder man sagt ihnen, wenn falsche Noten drinnen sind. Das ist dann so die Produzentenebene. Bei Jazz und Pop hast du das eher weniger.
Ist Wien nicht eher die Stadt der Klassik? Und wäre das nicht ein besserer Standort für dich als Berlin?
Berlin ist die Stadt der Aufnahmetechnik! Die Stadt von Telefunken oder Neumann! Natürlich gibt’s in Wien etwa die AKG. Aber die Aufnahmegeschichte Berlins ist historisch gesehen umfassender. Das Potential ist auch besser, weil die Studios wesentlich größer sind. In Wien gibt es zwar sehr viele Aufnahmeräumlichkeiten, aber die sind weniger geeignet für den klassischen Bereich, was mich auch immer wieder überrascht. Speziell die ganz großen Produktionen werden eigentlich immer von ausländischen Firmen gemacht.
Du bist gerade mitten in der Arbeit und hast dir nach den Grammys gar nicht freigenommen und gefeiert?
Wenn ich den Preis tatsächlich persönlich bekommen hätte, hätte ich wahrscheinlich schon einen Tag blau gemacht, aber so waren Kunden da und es ist gleich weitergegangen mit der Arbeit. Ich freu mich natürlich riesig, bewerte aber den Preis jetzt auch nicht über. Man hat Spaß am Musikmachen und ich glaub, das ist das Wichtigste.