Erstellt am: 10. 2. 2015 - 18:37 Uhr

Raus mit dem Management

Das traditionsreiche Technikunternehmen Tele Haase hat seine Organisation radikal umgebaut, sich vom Management getrennt und setzt stattdessen darauf, dass MitarbeiterInnen Verantwortung übernehmen. Ob das funktioniert?

Christoph Haase ist ein Quereinsteiger in seinem Familienbetrieb Tele Haase, einem Unternehmen, das mit etwa 100 MitarbeiterInnen Komponenten herstellt, die man unter anderem für die Automatisierung und Überwachung von Maschinen braucht. Eigentlich kommt er aus der Werbe- und Kommunikationsbranche und vielleicht kommt daher seine Offenheit gegenüber Neuem. Denn als er die Geschäftsleitung von Tele Haase übernimmt, wird der Betrieb von Grund auf umgekrempelt. Aus dem über 50 Jahre alten Technikunternehmen will er ein "Unternehmen der Zukunft" machen.

TeleHaase

Prozess- statt hierarchieorientiert

Von 2010 an wurde die Organisation der Firma komplett neu gedacht. "Im Zuge von Fachkräftemangel und Professionalisierung muss auch ein kleines, mittelständisches Unternehmen attraktiv sein, es muss attraktive Arbeitsplätze haben, es muss attraktive Produkte haben, um auch zukünftig bestehen zu können", so Markus Stelzmann, mit Christoph Haase einer der beiden Geschäftsführer, zu den Gründen der Umstrukturierung. Echte Innovation könne nur aus einem innovativen Umfeld heraus entstehen.

Tele Haase

Anstatt eines Hierarchiebaums, bei dem der Chef ganz oben sitzt, unter ihm das Management, die AbteilungsleiterInnen und schließlich die MitarbeiterInnen, trat eine Prozessstruktur, in der drei Hauptprozesse definiert wurden: Innovation, Produktion und Verkauf. Der Rest wie Logistik und Qualitätsmanagement sind nur Unterstützungsprozesse. Selbst die Unternehmensleitung versteht sich als "Regie", die nur versucht, das Beste aus dem Team herauszuholen und nicht Befehle zu erteilen.

Die Prozesse sind den alten Abteilungen inhaltlich noch ähnlich, doch haben sie keine AbteilungsleiterInnen mehr. Deren Aufgaben wurden aufgeteilt in die der Prozess- und Teilprozessverantwortlichen, die sich darum kümmern, dass die Prozesse funktionieren, die Personalverantwortlichen, die aus anderen Prozessen kommen müssen, um objektiver agieren zu können und Gremien, die in der Firma die Entscheidungen treffen.

TeleHaase

Wer will Verantwortung?

Diese neue Struktur wurde der Firma übergestülpt, was zu Anpassungsschwierigkeiten führte. Vom Management und anderen MitarbeiterInnen, die diesen Umbau nicht mitmachen wollten, hat man sich getrennt. Auf der Arbeitgeberbewertungsplattform kununu kann man deren Reaktionen nachlesen. Die neuen Prozessverantwortlichen wurden anfangs von der Unternehmensleitung gekürt, Ziel ist aber, dass sie sich von selbst ergeben, dass fachlich qualifizierte MitarbeiterInnen, die Verantwortung übernehmen wollen, diese Positionen ergreifen.

Entscheidungen in Gremien

Die Entscheidungen werden bei Tele Haase seit der Strukturänderung nicht mehr im Chefbüro getroffen, sondern in Gremien. In diesen Gremien sitzen 5 bis 9 Personen: Prozess- und Personalverantwortliche, die Regie und wer sich sonst noch für das Gremium bewirbt oder dazu berufen wird, theoretisch jede Mitarbeiterin oder jeder Mitarbeiter.

Tele Haase

In den Gremien hat jedes Mitglied ein gleichwertiges Stimmrecht. Entscheidungen werden mehrheitlich getroffen. Die Regie hat zwar theoretisch ein Veto, kann damit aber nur Zeit schinden. Sie kann das Gremium nicht überstimmen.

Nachdem eine Entscheidung getroffen ist, wird sie intern veröffentlicht, so dass alle MitarbeiterInnen davon erfahren. Diese Kommunikation und Transparenz der Entscheidungen führt zu einer Identifikation mit dem Unternehmen, auch für die MitarbeiterInnen, die in keinen Gremien sitzen.

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Mehr Verantwortung für mehr Zufriedenheit?

Tele Haase bietet seinen MitarbeiterInnen an, sich im Unternehmen einzubringen und es in eine gewisse Richtung zu lenken. Das soll die Angestellten zufriedener in ihrer Arbeit machen. Laut Markus Stelzmann hat man zu Beginn der Organisationsumstellung in Zusammenarbeit mit den Angestellten auch darauf geachtet, die größten finanziellen Ungleichheiten im Betrieb zu beseitigen. Über Entlohnungen für Gremienarbeit durften die MitarbeiterInnen auch mitdiskutieren.

Durch die Umstrukturierung und den Verzicht auf ein Management hat sich die Firma einige teure Gehälter erspart. Ob mehr Verantwortung die MitarbeiterInnen in Zukunft wirklich zufriedener macht, wird sich weisen. Momentan klingt es zumindest so. Die MitarbeiterInnen bei Tele Haase fühlen sich wertgeschätzt und können sich nur schwer vorstellen, wieder in eine Firma mit klassischer Hierarchie zu wechseln. Mit sozialer Kontrolle durch KollegInnen können sie anscheinend besser leben als mit Kontrolle durch Vorgesetzte.

Der Strukturumbau bei Tele Haase ist noch nicht abgeschlossen. Ob am Ende sogar eine Beteiligung der MitarbeiterInnen am Unternehmen selbst oder zumindest am Gewinn stehen könnte, lässt Markus Stelzmann offen. Mittlerweile gehen die Gewinne der Firma weiterhin an ihre EigentümerInnen.