Erstellt am: 9. 2. 2015 - 16:52 Uhr
Wolf im zerknautschten Anzug
An den Archetyp des halb freiwillig, halb vom Leben dazu verdammten einsamen, silbenschwachen Einzelgängers, der eisern durch eine bittere Welt schreitet und dem jegliche Richtschnur der Moral lange schon verlorengegangen ist, haben wir uns schon gewöhnt.
Mit der Figur des gegerbten Ganoven Parker hat der US-Amerikanische Autor Donald E. Westlake unter dem Pseudonym Richard Stark in seinem 1962 erstmals erschienen Roman "The Hunter" einen immergültigen Paradecharakter der Hard-Boiled-Kriminalliteratur geschaffen; dass das Buch die Witterungen der Zeit gut überstanden hat, zeigt eine gerade bei Zsolnay veröffentlichte deutschsprachige Neuübersetzung.
Der Titel "The Hunter" wird auch in der deutschen Version beibehalten, zu stark ist die simple Strahlkraft dieser zwei Wörter, auf dem Einband des Buches prangt ein lobendes Zitat von Quentin Tarantino: "''The Hunter' ist ein Klassiker und hat mich stark beeinflusst."
Ausnahmsweise soll die Marktschreierei nicht allzu zerknirschen, zumal Tarantino freilich recht hat und "The Hunter" selbst frei von meta-reflexiven Ironie-Spielchen ist. Westlake/Stark sollte nach "The Hunter" noch etliche Parker-Romane schreiben, teils schlechtere, teils bessere, komplizierter gebaut oder auch mit leisem Humor ausgekleidet, "The Hunter" jedoch ist die kalte, die schlichte Ursuppe.
"Die Frauen in den vorbeifahrenden Autos sahen ihn an und erschauerten. Sie wussten, er war ein Dreckskerl, sie wussten seine großen Hände waren zum Zuschlagen geschaffen, sie wussten, sein Gesicht würde sich nie zu einem Lächeln verziehen, wenn er eine Frau ansah. Sie wussten, was er war, sie dankten Gott für ihren Ehemann, und trotzdem erschauerten sie."
Parker ist ein harter Typ, so hart, er hat nicht einmal einen Vornamen. Er ist ein Gauner, der hochkonzentriert seine Dinger dreht. Skrupellos, intelligent, ohne Gnade. Nach seinem Ausbruch aus einer Gefängnisfarm ist er auf der Jagd. Ehefrau Lynn und Komplize Mal haben ihn bei einem Waffendeal übers Ohr gehauen. Alle anderen Mitstreiter bei dem Coup ermordet und Parker zum Sterben zurückgelassen.
"Und Mal hatte Lynn den Revolver gegeben, damit sie ihn, Parker, umlegte. Mal hatte das Ganze eingefädelt, so viel war klar, aber dann hatten sie es zu eilig gehabt, weil sie vor Tagesanbruch längst verschwunden sein wollten. Sie hatte sechsmal auf ihn geschossen, und er hatte blutend auf dem Boden gelegen, aber sie hatten sich nicht vergewissert. Und das war ihr Fehler."
Viel mehr muss in diesem knapp 200 Seiten schmalen Buch auch nicht passieren. Parker treibt bestimmt und emotionslos durch New York City. Finstere Kaschemmen, Prostituierte, geheime Poker-Runden in Hinterzimmern, Whiskey. Zuviel geraucht, zuviel schlechter Kaffee. Auf der Suche nach Erzfeind Mal gelangt er von einem Informanten zum nächsten schmierigen Handlanger zum nächsten windigen Schmalspurkriminellen. Nebenfiguren, die sich Parker in den Weg stellen, ihm nicht behilflich sein können oder wollen, werden ohne Zögern, in einem Nebensatz, aus dem Weg geräumt oder immerhin so weit eingeschüchtert, dass bei weiterem Fehlverhalten keine Zweifel über deren Dasein bestehen.
Zsolnay
"Point Blank", die mit Knautschgesicht Lee Marvin treffend besetzte Verfilmung des Stoffes von John Boorman aus dem Jahr 1967, übt sich in spielerischer, weirder Psychedelik, arbeitet mit traum-gleich verspukten Szenarien und legt am Ende eine mögliche metaphysische Lesart des Gesehenen nahe, das Buch selbst jedoch bleibt strengem Realismus verpflichtet und arbeitet ungerührt Brutalität und die Abgestumpftheit des eben auch nicht gerade superverlässlichen und vertrauenswürdigen Parkers heraus.
"Ich werde sein Blut trinken", sagte er. "Ich werde sein Herz zerkauen und es in die Gosse spucken, damit die Hunde das Bein daran erheben können. Ich werde ihm die Haut abziehen und die Adern rausreißen und ihn daran aufhängen."
"The Hunter" ist trostlos, Humor findet nicht statt, auch keine verschwurbelt konstruierten Krimi-Plot-Twists. Es muss eben weitergehen, das Leben ist sinnlos. Der Roman ist auch heute noch einnehmend, ist knapp erzählt, selbst wenn so schön altmodische Wörter wie "ausbaldowern" oder "Pipifax" auftauchen, die gut nach Bahnhofsbuchhandlung riechen. Dass "The Hunter" eine Blaupause für viele, viele Variationen des wortkargen Tough Guys ist, ist nach wie vor keine Überraschung. "The Hunter" hat keine Sympathien für irgendjemanden, besonders nicht für seinen nicht einmal traurigen, eiskalten Antihelden.
"Sein Körper war hart, langgliedrig und von Narben bedeckt. Nach dem Bad setzte er sich nackt auf das Bett, trank langsam den Wodka direkt aus der Flasche und grinste die gegenüberliegende Wand an. Als die Flasche leer war, warf er sie in den Papierkorb und schlief ein."
Eine einzige kurze Sekunde lang erhalten wir Einsicht in das Innenleben Parkers, meist bleibt er einzig Oberfläche, Klotz, dem auch nicht der Weg der Rache Genugtuung zu bereiten scheint. Einer der vier Teile von "The Hunter" wirft den Blick fast ausschließlich auf Gegenspieler Mal und zeichnet ihn als besonders widerlichen Intriganten, schwächlichen Emporkömmling und fast schon bemitleidenswerte Lächerlichkeitsfigur. Ein kaputter Antagonist in einer fertigen Welt voller Bösewichte. Es gibt keine Gewinner.