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Elisabeth Scharang

Geschichten über besondere Menschen und Gedankenschrott, der für Freunde bestimmt ist.

9. 2. 2015 - 18:31

Das FM4 Wirtschaftswunder

Oder: Wie steigern wir unser Wohlbefinden, auch "Glück" genannt? Fahrplan für einen Radiotag zum Thema "Wir hacken die Wirtschaft"

Wir fahren Auto. Kriegen Kinder. Zahlen Steuern. Mieten Wohnungen. Wir bereisen die ganze Welt, ohne verloren zu gehen. Aber sobald wir das Büro betreten, in dem wir unseren Lohn verdienen, ist es aus mit der Selbstbestimmtheit.

Ich weiß schon, die gibt es im Rest des Lebens auch nicht uneingeschränkt. Aber ist es nicht erstaunlich, dass man erwachsenen Menschen widerspruchslos vorschreiben kann, wann sie eine Arbeitspause machen, um zu essen, zu rauchen oder aufs Klo zu gehen? Überhaupt, dass man Menschen an ihrem Arbeitsplatz in so einem Ausmaß kontrolliert? Haben Arbeitgeberinnen, Vorgesetzte, Abteilungsleiter so wenig Vertrauen in Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen? Oder ist es schlicht die eigene Angst? Vor Fehlern? Weil es oberhalb wieder jemanden gibt, der das beurteilt und Druck macht?

Wer hat Lust auf Demokratie

Anneliese Rohrer hat in dem Doppelzimmer-Gespräch, das wir am 6. Jänner geführt haben, über das fehlende Demokratiebewusstsein in Österreich geredet. Kaum jemand weiß, was in der Verfassung steht. Also kratzt es uns auch nicht weiter, wenn diese Grundlage unseres Zusammenlebens verwässert wird.

Auch das Infragestellen von Strukturen, vor allem wenn sie mit dem Begleitsatz "Das machen wir schon immer so" daherkommen, hat etwas mit Demokratiebewusstsein zu tun.

Aber wieviel Spielraum für Mitbestimmung haben wir im Bereich Wirtschaft und Wirtschaftspolitik? Wo es ums Geld geht, haben demokratische Entscheidungen nichts verloren; da muss es EntscheidungstägerInnen geben, die vom Fach sind – so wird es wohl oft von diesen EntscheidungsträgerInnen formuliert. Gegenstimmen gibt es kaum. Aus Angst, dass man sich zu wenig auskennt. Deswegen kann man uns auch fast alles erzählen. Dabei ist es nicht so kompliziert: Jeden Tag werden Devisentransaktionen in der Höhe von fünf Billionen Dollar durchgeführt. Das entspricht einem Zwölftel der Jahreswirtschaftsleistung der ganzen Welt. Der Gewinn, der damit gemacht wird, geht auf Kosten der Realwirtschaft und nützt außer den Spekulanten niemandem auf dieser Welt. Ist doch einfach, oder?

Die Spur des Geldes

"Die Politik sollte wieder die Oberherrschaft über das Wirtschaftliche bekommen", sagt der Ökonom Kurt Bayer in einem Interview für den FM4 Wirtschaftswunder-Thementag.

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Kurt Bayer

Radio FM4

"Die Verflechtungen zwischen Banken und der Politik müssen aufgebrochen werden, weil der Einfluss von Bankmanagern auf Politiker, die sich selbst oft nicht auskennen und den Interessen derer zuhören, die täglich auf ihrem Schoß sitzen, Europa in die Misere gebracht haben. Die Zivilgesellschaft muss sich gegen diese Verflechtungen wehren."

Zu hören in der FM4 Homebase

In Griechenland hat sich die Regierung genau das vorgenommen. In einem Bericht über die Kooperative Sesoula, die ein Wirtschaftsprofessor 2014 mit Studierenden, AnwältInnen und TechnikerInnen in Athen als Antwort auf die Krise ins Leben gerufen hat, hat Claus Pirschner im letzten Jahr vor Ort gefragt, wie diese demokratische Kooperation zwischen KonsumentInnen und ProduzentInnen funktioniert; nach dem Regierungswechsel wollen wir wissen, wie sich die Politik der neuen Regierung auf demokratisches Wirtschaften auswirken wird.

Demokratisch Wirtschaften. Was heißt das überhaupt?

Zu hören in FM4 Connected

Die österreichische Firma Tele Haase ist seit 50 Jahren ein Familienunternehmen. Vor ein paar Jahren hat es einen Generationenwechsel gegeben, der eine neue Perspektive für die Unternehmenskultur gebracht hat. Es ist kein einfacher Prozess, hierarchische Strukturen umzubauen. Viele MitarbeiterInnen wollen klare Ansagen und Führung. Eigenverantwortung will gelernt sein, erzählen uns die Beteiligten.

FM4 Auf Laut

    Zu hören in FM4 Auf Laut – live aus dem Radiocafe im Wiener Funkhaus

    Das Kollektiv von Premium-Cola ist noch einen Schritt weiter gegangen. Demokratisch Wirtschaften heißt hier: Konsensdemokratie. "Wir reden solange, bis alle einverstanden sind", erzählt Premium-Cola-Gründer Uwe Lübbermann. Wie kriegt man das hin? "Man nimmt alle Beteiligten – Lieferanten, Hersteller, KonsumentInnen, Gastronomie – in ein Kollektiv und redet mit ihnen. So kommen wir eigentlich ziemlich rasch zu stabilen Entscheidungen, weil alle dasselbe wollen."

    premium cola grafik

    premium

    Am Dienstagabend ist der Hamburger Uwe Lübbermann in FM4 Auf Laut zu Gast und diskutiert mit euch von 21 bis 22 Uhr im Radiocafe im Wiener Funkhaus über Wirtschaften ohne Businessplan, ohne schriftliche Verträge und ohne Mengenrabatt. Bei Premium-Cola ist alles eine Frage des Respekts und des gegenseitigen Vertrauens.

    Peak Everything

    Wer dafür einen wissenschaftlichen Unterbau braucht, findet ihn in Oldenburg. 2007 haben die beiden Ökonomen Niko Paech und Werner Onken von der Uni Oldenburg die Grundidee zur "Postwachstumsökonomie" entwickelt und vorgestellt. Folgen wir den fünf Entwicklungsschritten der Wissenschaftler, dann sind wir in einer Welt angekommen, in der es für Menschen gerechter, autonomer und relaxter zugeht.

    "Mehr Einkommen und Konsum können ab einem bestimmten Niveau keine weitere Steigerung des individuellen Wohlbefindens, auch 'Glück' genannt, bewirken", steht da geschrieben. Also müssen wir:

    • Unseren übervollen Lebensstil entrümpeln. Das bringt Zeit, Raum und schont ökologische Ressourcen.
    • Wir brauchen eine bessere Kombination aus Selbst- und Fremdversorgung. Mehr Tauschkreise, Communitygärten und Gemeinschaftsnutzung von Autos, Werkzeug etc. Das bringt weniger Abhängigkeit von Geld und eine graduelle De-Globalisierung.
    • Mehr Regionalökonomie macht die Wirtschaft krisenrestistenter und ökologieverträglicher.
    • Instandhaltung und Aufwertung von Produkten, die es bereits gibt. Das bringt ebenfalls Arbeitsplätze und die Umwelt freut sich.
    • Institutionelle Innovationen – das erinnert daran, dass "Reform" auch "Innovation" bedeuten kann.

    Alles da für einen Systemwandel

    Von 20. bis 22. Februar findet übrigens an der WU-Wien ein Kongress mit Workshops statt, der die Frage stellt, wie ein gutes Leben für viele möglich werden kann, und was Politik und Wirtschaft dafür lernen müssen.

    Ideen für eine sozial gerechte und ökologisch verträgliche Wirtschaftspolitik gibt es genügend. Also geht es um den politischen Willen. Aber was kann Politik in einer Zeit der Globalisierung gestalten? "Es ist heutzutage einfach, UnternehmerIn zu werden. Und darin liegt die Gefahr für das bestehende System", sagt Uwe Lübbermann von Premium-Cola. "Wir UnternehmerInnen können eingreifen und neu definieren, weil der Markt regelt das nicht von selber, und schon gar nicht gut. Ich trau uns keinen Systemwechsel, aber einen Systemwandel zu."

    Gibt es so etwas wie eine "Good Bank"?

    Zu hören in Connected

    Systemwechsel oder Systemwandel - Geld werden wir auch künftig brauchen. Das Projekt "Bank für Gemeinwohl" ist seit 2010 in Planung, vor wenigen Wochen gelang der Genossenschaft mit der Eintragung ins Firmenbuch ein wichtiger Schritt Richtung Realisierung. Eine demokratische Bank - ein Widerspruch in sich? Wer lässt sein Geld auf einer Bank und verzichtet auf Zinsen? Kurzum: Wie funktioniert eine demokratische Bank?