Erstellt am: 7. 2. 2015 - 10:30 Uhr
Pegida Neukölln
Die Pegida-Bewegung in Deutschland ist zerstritten und löst sich hoffentlich so langsam auf, aber das ist nur ein schwacher Trost, denn an der Gesinnung ihrer vielen Anhänger ändert das ja nichts.
Fragen JournalistInnen in Dresden nach, woher denn diese Angst vor der Islamisierung des Abendlandes komme, da doch nur 0,1 % der in Sachsen lebenden Menschen muslimischen Glaubens sind, bekommen sie oft die Antwort: „Es soll hier nicht wie in Kreuzberg oder Neukölln werden!“
CC BY SA 2.0 von Stefan Muth flickr.com/st_muth/
Das Absurde ist, dass diese Berliner Stadtteile, die dem gemeinen Dresdner das Setting für sein Horrorszenario bieten, beim Rest aus aller Welt so beliebt sind, dass es eng wird in Neukölln und Kreuzberg. Alles will hier wohnen und Wohnungen kaufen, und die Alt-Berlinerinnen werden langsam von Akademikerpärchen und den „Kreativen“ der Erbengeneration aus der Wohnung und damit auch aus dem Bezirk verdrängt.
Der Imagewandel des einstigen Loserbezirks Neukölln liegt allerdings noch nicht so weit zurück und es kann durchaus sein, dass manch ein sächsischer Pegida-Hinterwäldler davon noch nichts gehört hatte. (Nicht umsonst nannte man zu DDR-Zeiten die Region um Dresden und Ostsachsen auch „Das Tal der Ahnungslosen“´, weil man dort Westfernsehen auch mit großem Aufwand nicht terrestrisch empfangen konnte.)
Vor sieben, acht Jahren noch war doch der Trinker in Jogginghose das Wahrzeichen Neuköllns, der „Spiegel“ berichtetet in Schockreportagen von hungernden Kindern in der Karl-Marx-Allee und von libanesischen Dealer-Großfamilien, die sich tägliche Schießereien liefern.
Aber auch in Kreuzberg bemitleidete man die Menschen die in Neukölln leben mussten.
So seit 2008 rum aber gilt Neukölln als cool, weil dort nicht nur die Unterschicht das Kindergeld versäuft, sondern ständig neue Cafés, Bars und Galerien öffnen, weil sich die Expats dort niederlassen und ein hysterisches Awesome-Amerikanisch die neue Umgangssprache ist.
Es gibt aber auch einen prominenten Berliner, der in den letzten Jahren immer wieder schlechte Nachrichten über den Bezirk verbreitet hat, das war ausgerechnet der Neuköllner Bürgermeister Buschkowsky. Der ist nun letzte Woche aus gesundheitlichen Gründen zurückgetreten, ein Grund noch einmal über ihn und sein Bild von Neukölln nachzudenken.
Ullstein Verlag
Buschowsky war weit über Berlin hinaus in ganz Deutschland bekannt, er saß gerne in Talkshows, verbreitete starke Parolen wie „Mulitkulti ist gescheitert“ und schrieb Bücher mit Titeln wie „Neukölln ist überall“.
Aber wer den Berliner Schulalltag kennt weiß, dass manch markiger Spruch Buschkowskis á la
„Kinder haben oft die teuersten Handys aber kein Butterbrot wenn sie zur Schule kommen“, durchaus der Realität entspricht.
Buschkowsky als Rassisten zu bezeichnen ist unfair, vor allem solange die Leute aus dem aufgeklärt-linken Milieu, die über seine Sprüche die Nase rümpfen, gerne im quirligen Neukölln wohnen, ihre Kinder dann aber doch lieber in die Schulen bürgerlicher Bezirke mit geringerem Migrantenanteil schicken.
Buschkowsky hat gute Projekte wie das der muslimischen Stadtteilmütter auf die Wege gebracht und die Ansiedlung von vielen Roma-Familien aus Bulgarien in Neukölln unterstützt.
In seinen Büchern klagte er über die mangelnde Integrationswilligkeit der migrantischen Bevölkerung und darüber, dass man in der ganzen Sonnenallee (Prachtstraße Neuköllns) keine Currywurst mehr kaufen könne.
CC BY 2.0 von Andreas Lehner
Den jüngsten Wandel seines Bezirks zum In-Bezirk, die Hipster-Fraktion und die jungen Familien, die nach Neukölln ziehen, all das ging irgendwie an ihm vorbei.
Es sind die veganen Eisdielen, die die Altberliner Eckkneipen verdrängen, Modedesigner verdrängen türkische Gemüseläden, Hipster-Cafés mit Oma-Möbeln den arabischen Friseur, die Mieten schnellen in die Höhe, wer nicht mithalten kann, muss sehen wo er bleibt.
Von den rassistischen Thesen seines Parteigenossen Sarrazin hat sich der Neuköllner Sozialdemokrat nicht nur in seinen Büchern deutlich distanziert, und dass die Pegida-Bewegung sich jetzt auf ihn beruft, gefällt ihm nicht.
Solange bei denen NPD-Leute an der Spitze mitlaufen, gäbe es keine Gespräche, sagte er in Interviews. Denn er stehe für mehr Integration, nicht für weniger Migranten .
So lange man die Sonnenallee entlang fahren kann und über weite Strecken fast nur noch arabische Schriftzeichen sieht und solange in die leerstehenden Geschäfte wieder neue türkische Hochzeitsboutiquen, Shishaläden und ornamentale Raumausstatter ziehen, ist Neukölln noch nicht ganz verloren. Und eine Currywurst findet man schon noch auf der Sonnenallee, allerdings keine aus Schweinefleisch.