Erstellt am: 5. 2. 2015 - 16:24 Uhr
Anzeige gegen NOWKR: Wie geht es weiter?
Vorige Woche, kurz vor den Demonstrationen gegen den Akademikerball, untersagte die Wiener Polizei die Kundgebungen des NOWKR-Bündnisses und zeigte NOWKR auch gleich an. Das bestätigt heute auch der Sprecher der Wiener Polizei, Roman Hahslinger, gegenüber FM4 noch einmal: „Nach dem Strafgesetzbuch liegt für die Beamten die Bildung einer kriminellen Vereinigung nahe.“ Derzeit gebe es allerdings noch keine Erkenntnisse, ob jemand erfolgreich ausgeforscht wurde. Es werde gegen unbekannte Täter ermittelt.
Kriminelle Vereinigung heißt im Strafgesetzbuch der §278. Irrtümlicherweise wird er oft verwechselt mit §278a Kriminelle Organisation - dem sogenannten „Mafiaparagraphen“, aufgrund dessen der Verein Gegen Tierfabriken (VGT) angezeigt, vor Gericht gestellt und in erster Instanz freigesprochen wurde (für fünf der Angeklagten nicht rechtskräftig). Einer der Unterschiede zwischen §278 Kriminelle Vereinigung und §278a Kriminelle Organisation: Eine kriminelle Vereinigung kann auch ein Zusammenschluss zur Begehung von Sachbeschädigungen sein. Derer verdächtigt die Polizei das Bündnis NOWKR.
Simon Welebil / FM4
Welche Konsequenzen kann die Anzeige gegen unbekannte Mitglieder von NOWKR nun haben? Für die Kriminalsoziologin Andrea Kretschmann gehört sie zu einem Paket aus repressiven Maßnahmen gegen den Protest. Die Polizei nehme eine Einschränkung von Grundrechten vor, indem sie den Strafparagraphen anwendet: „Die Polizei operiert auf Demonstrationen eigentlich mit dem Sicherheitspolizeigesetz. Wenn sie aber eine Anzeige stellt wegen des Verdachts auf Bildung einer kriminellen Vereinigung – und das auch noch gegen unbekannt – dann operiert sie mit dem Strafrecht, und dann hat sie viel weitere Eingriffsbefugnisse. Auch wenn die Anzeige gegen das NOWKR-Spektrum ging, dann besteht theoretisch die Möglichkeit, trotzdem über diesen engeren Kreis zu ermitteln, weil es hier viel um die Ermittlung von Kontakten unterschiedlicher Personen zueinander geht.“
Befugnisse für schwere Eingriffe
Der Rechtsanwalt Jürgen Mertens, der im Prozess der Jahre 2010 und 2011 den Verein gegen Tierfabriken (VGT) verteidigt hat, präzisiert: Ob und wie genau die Polizei ermitteln dürfe, hänge von vielen Faktoren und Entscheidungen ab, nicht nur von einer Anzeige: „Die Polizei muss keine Anzeige machen, um tätig zu werden. Die Polizei kann beim Verdacht eines Delikts von sich aus Ermittlungen einleiten. Ab einem gewissen Verfahrensstadium braucht sie die Staatsanwaltschaft. Und ab einer gewissen Schwere der Eingriffe, wie bei einer Durchsuchung, braucht sie auch den Beschluss eines Rechtsschutzrichters.“ Doch auch in diesem komplizierten, mehrstufigen System würden die Befugnisse für schwere Eingriffe wie Abhörungen und Durchsuchungen in jedem Fall – je nach Sachverhalt – einzeln beschlossen. Mertens betont, dass die Anzeige gegen NOWKR keinen Einfluss auf die Befugnisse für Maßnahmen während der Demonstration selbst gehabt hätten: „Die Anzeige an sich ist in diesem Fall vollkommen irrelevant. Denn sobald die Polizei oder die Staatsanwaltschaft Kenntnis von einem Offizialdelikt hat, ermittelt sie. Dazu braucht sie keine Anzeige.“
Jürgen Mertens glaubt aber, dass es im Fall von NOWKR aufgrund der Anzeige zu keiner Gerichtsverhandlung kommen wird: „Ich gehe davon aus, dass die Ermittlungen von der Staatsanwaltschaft relativ zügig eingestellt werden. Denn ich sehe keinen Anfangsverdacht.“
Keine Konsequenzen für rechtswidrige Ermittlungen
Wenn es um die Ermittlungsbefugnisse der Polizei geht, hält Mertens einen ganz anderen Aspekt für die eigentliche Kernfrage: Was geschieht in Österreich mit Ermittlungsergebnissen, die auf rechtswidrige Weise zustande gekommen sind? „Was sind die Konsequenzen? Da gibt es in Österreich keine, außer dass man einen Beschluss erhält, in dem steht: Das war rechtswidrig. Den kann man sich dann an die Wand hängen.“
In vielen Ländern, insbesondere im angelsächsischen Raum, seien Ermittlungsergebnisse, die auf rechtswidrige Weise zustande kommen, vor Gericht nicht verwertbar. "Das führt dann bis zu einer Einstellung des Verfahrens. Das haben wir in Österreich nicht. Das heißt, die Ermittlungsbehörde macht etwas Rechtswidriges, setzt zum Beispiel wie im Tierschützerverfahren einen Agent Provokateur ein, und was ist die Konsequenz? Im Grunde keine. Das ist ein Grundproblem."