Erstellt am: 5. 2. 2015 - 14:35 Uhr
Lawinen wissen nicht, dass du Experte bist
Abseits von Metern und Sekunden
Ein wöchentlicher Überblick auf FM4 über sportliche Entwicklungen und anstehende Veranstaltungen
Schneearme Winter sind von der Lawinensituation gefährlicher als schneereiche Winter. Das müssen wir heuer wieder schmerzhaft erfahren. Bis Anfang Februar sind in Österreich bereits 16 Menschen durch eine Lawine umgekommen. Gefährlich an der aktuellen Schneelage in vielen Teilen Österreichs ist, dass viel Neuschnee auf eine ganz schwache Altschneeschicht gefallen ist. Das macht Schneebrettlawinen besonders wahrscheinlich. Wie gefährlich es in dieser Saison ist, haben diese Woche auch Profis zur Kenntnis nehmen müssen
Lawinenabgang auf der Freeride World Tour
Die Freeride World Tour hat letztes Wochendende den Wettbewerb in Fieberbrunn wegen Sicherheitsbedenken gestoppt, um ihn Anfang dieser Woche in Kappl fortzusetzen. Und dann passiert ausgerechnet dort, was alle vermeiden wollen: Ein Lawinenabgang.
Der Freeskier Julien Lopez fährt mit Startnummer zwei in den Hang ein, zieht erste Schwünge, springt über eine Wächte. Bei der Landung stürzt Julien allerdings, er überschlägt sich und verliert einen Ski. Man sieht ihm den Ärger über sein Missgeschick an, er schlägt mit dem Skistock ein paar Mal in den Schnee. Dann steigt er ein paar Meter hoch, um seinen verlorenen Ski auszugraben. Da beginnt der ganze Hang über ihm zu rutschen. Ein Schneebrett löst sich auf einer Brette von etwa 40 Meter, Anrisskante einen halben Meter. Das alles ist live im Stream zu sehen.
Julien Lopez kann seinen Lawinenairbag auslösen und treibt obenauf auf der Lawine. Die Rettungsmannschaft ist sofort bei ihm. Julien Lopez kommt ohne grobe Verletzungen davon und kann sogar noch selber abfahren.
Ein Restrisiko ist immer vorhanden
Der ORF Tirol hat mit den Experten des Lawinenwarndienstes eine Serie gestartet, um typische Gefahrenmuster im Schnee richtig erkennen zu können.
Wahrscheinlich ist Freeriden nirgendwo so sicher, wie im Wettbewerb. In Kappl haben sich Bergführer Tage zuvor den Hang angesehen, Schneeprofile gegraben und kritische Stellen gesprengt, sogar mehr als üblich. Fünfzehn Sprengladungen haben sie gesetzt. Danach sind sie den Hang selbst abgefahren und haben vor dem Bewerb sogar Vorläufer runtergeschickt, um die Bedingungen zu bestätigen. Trotzdem hat sich dieses Schneebrett gelöst.
Es gibt keine 100% Sicherheit beim Freeriden. Dessen sind sich die BergführerInnen und die RiderInnen auf der Freeride World Tour bewusst. Das Video, das die Tour nach dem Unfall produziert hat und in dem die Sicherheitsvorkehrungen bei Wettbewerben erklärt, findet sich auf nahezu allen Facebook-Profilen der Rider. Sie sind froh, dass alles glimpflich ausgegangen ist.
Alpenvereins-Schitour in Kritik
Viel zu kurz
Die durchschnittliche Verweildauer auf der Website der Lawinenwarndienste beträgt 8-15 Sekunden
Glimpflich ausgegangen ist letztes Wochenende auch eine geführte Tour einer Alpenvereinssektion in der Steiermark. Dort ist von einem Lawinenabgang nur ein Shitstorm in den sozialen Medien geblieben, ausgelöst von der Fotoserie eines Bergführers auf der Website des steirischen Lawinenwarndiensts. Darauf sieht man eine Gruppe von 43 Personen, die eng hintereinander in einem steilen Hang aufsteigen, bei Lawinenwarnstufe 3 - also erheblicher Lawinengefahr.
Die gleiche große Gruppe fährt dann auch denselben Hang ab und löst dadurch eine Schneebrettlawine aus. Niemand ist dabei verletzt worden. Dennoch droht den ehrenamtlichen Tourenführern nun ein Strafverfahren wegen Gemeingefährdung, denn eine so große Gruppe darf sich nicht ohne Entlastungsabstände in so einem steilen Hang bewegen. Die Tourenführer der Alpenvereinssektion, die diese Tour organisiert haben, hätten das wissen müssen.
Der Hauptverein des Alpenvereins hat schnell auf die Kritik an dieser Tour reagiert, Fehler eingestanden und gleichzeitig Empfehlungen für sicheres Tourengehen und Freeriden veröffentlicht.
Risiko ist ein Menschenrecht
Aktuelles Interview mit dem "Lawinenpapst" und "Unsicherheitsexperten" Werner Munter
Wer sich im freien Gelände bewegt, sollte mindestens ein Lawinenverschüttetensuchgerät, eine Schaufel und eine Lawinensonde mit sich haben, wie man an Julien Lopez Unfall sieht ist ein Lawinenairbag auch eine gute Investition. Fast wichtiger ist aber, sich von Profis Lawinenwissen anzueignen, um das Risiko abschätzen zu können, das man eingeht, und dann auch schon bei der Tourenplanung entsprechende Vorsichtsmaßnahmen treffen zu können. Im Februar gibt es etwa noch einige Kurse von risk'n'fun, dem Ausbildungsprogramm der Alpenvereinsjugend für Freerider, oder Lawinencamps von SAAC.
Für die nächsten Tage ist wieder einiges an Neuschnee angesagt, die Gefahr von Lawinen geht also nicht zurück. Niemand sollte leichtfertig Schneebretter wie in folgendem Video riskieren.