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4. 2. 2015 - 13:51

Geld für den Terror

Wie finanziert sich der selbsternannt "Islamische Staat"? Der Versuch einer Annäherung.

Florian Matscheko

Florian Matscheko

Florian Matscheko

Text: Florian Matscheko

30.000 Jihadisten aus der ganzen Welt kontrollieren für den selbsternannten Kalifen Al-Bagdadi den „Islamischen Staat in Syrien und im Irak“. Bezahlt werden sie wie „normale“ Soldaten, aus der Staatskasse des „Islamischen Staates“. Diese dürfte bislang gut gefüllt sein. Einnahmen aus Ölhandel, Schmuggel von Antiquitäten, Steuern, Erpressung und Kriegsbeute spülen monatlich Millionen in die Kassen. Mit den Geldern wird nicht nur der Kampf finanziert. Der IS hat auch eine Art jihadistischen Sozialstaat aufgebaut. So erhalten verheiratete Kämpfer zusätzliche finanzielle Mittel, um ihre Familien zu versorgen. Auch für den Transport ist gesorgt, in Mossul und in Raqqa stehen öffentliche Verkehrsmittel kostenlos zur Verfügung. Ebenfalls bezahlt werden die Beamten, die den Staat am Laufen halten sollen – damit ist zu einem gewissen Grad „für Sicherheit gesorgt“. Jeden Monat gibt es Löhne, Menschen die sich an die Spielregeln der Terroristen halten, haben nichts zu befürchten. Der Terrorismusfinanzierungsexperte Tom Keatinge geht davon aus, dass der „Islamische Staat“ über den Militärhaushalt eines kleinen europäischen Staates verfügt.

Grundsätzlich können keine exakten Angaben über die Einkünfte aus den unterschiedlichen Quellen gemacht werden, weil es dafür zu wenige Informationen aus dem Inneren des IS gibt. So sind die folgenden Punkte im besten Fall auch nur eine Sammlung von Indizien.

Ölhandel

Große Teile des Einkommens des IS dürften aus dem Ölhandel stammen. Das Öl, das dabei verkauft wird, stammt vor allem aus Ölfeldern im Osten Syriens, die bis vor Kurzem noch unter der Kontrolle westlicher Unternehmen standen. Zusätzlich zapfen sie auch Öl aus Pipelines die durch ihre Regionen laufen ab. Insgesamt - so schätzt man - dürften die Miliz täglich 100.000 Barrel am Tag „fördern“. Das entspricht beim derzeitigen Marktpreis in etwa 5.700.000 US-Dollar. Das Rohöl wird anschließend zu ebenfalls besetzten Raffinerien gebracht und weiterverarbeitet. Wichtigste Anlage für dieses Geschäft war Baidschi. Diese dürfte aber bereits im November von der irakischen Armee zurückerobert worden sein. Welche zentrale Positionen Baidschi für die Finanzierung der Geschäfte des IS hatte, zeigt, mit welcher Hartnäckigkeit die Terroristen versuchen, sie zurückzuerobern. Um flexibel zu sein, wurden bereits mehrere „Behelfsraffinerien“ zur lokalen Weiterverarbeitung von Öl errichtet.

Ölfass

https://www.flickr.com/photos/sidelong/

Anschließend wird das Öl direkt im Irak, in Syrien oder in der Türkei weiterverkauft. Der IS greift dabei auf ein Schmuggler-Netzwerk zurück, das bereits seit den frühen 1990iger Jahren existiert – damals errichtet, um den Sanktionen zu entgehen die gegen Saddam Hussein verhängt worden waren. Schmuggler bringen das Öl an die türkische Grenze. Die Transportmittel reichen von klassischen Tanklastern über Traktoren bis hin zu Eseln. Auf den Weltmarkt dürftet das so verarbeitete Öl allerdings nicht gelangen, Großabnehmer findet der IS nicht.

Preislich verschleudert der IS das Öl geradezu, um schnell an Geld zu kommen. Die verlangten Preise dürften bei ungefähr 20 US-Dollar pro Barrel liegen, also nicht mal die Hälfte des aktuellen Marktpreises.

"Islamischer Staat"

cc

IS-Terroristen

Schmuggel von Antiquitäten

Der IS hat auf seinem Eroberungsfeldzug quer durch Syrien und den Irak mehrere historisch bedeutende Städte und Stätten eingenommen und geplündert. Mehr als 10.000 historische Stätten befinden sich auf den vom IS kontrollierten Gebieten. Es werden Ausstellungsstücke aus Museen gestohlen, Ausgrabungsstätten geplündert und zum Teil auch Raubgrabungen durchgeführt. Zusätzlich erhalten die Jihadisten Kunstschätze von Privatpersonen, die diese aus Verzweiflung an die Terroristen verkaufen. Die so erbeuteten Stücke werden über Zwischenhändler an große Netzwerke verkauft die auf Antiquitätenschmuggel und Schwarzmarktgeschäfte spezialisiert sind. Beliebte Handelsplätze dafür sind dann die Schweiz oder die Vereinigten Arabischen Emirate. Dort werden die Antiquitäten mit gefälschten Papieren ausgestattet und über Auktionen verkauft. Schlussendlich landen sie so dann bei privaten Sammlern und Museen die über deren zweifelhafte Herkunft oft nicht Bescheid wissen.

Wie viel der IS tatsächlich mit Antiquitätenschmuggel verdient, kann derzeit nicht gesagt werden. Daher plädieren Experten auch dafür, den Handel mit Kunstschätzen aus dieser Region zu sperren, um einen Verkauf zumindest am offiziellen Markt zu verunmöglichen.

Steuern

Die wichtigste Steuer für den IS ist wohl die „Jihad-Steuer“ die von der Bevölkerung und Unternehmen verlangt werden. Dabei handelt es sich um eine Art „Solidaritätsabgabe“ für die Weiterführung des Krieges. Zusätzlich erhebt der IS in weiten Teilen des von ihm kontrollierten Gebietes eine Art Wegzoll direkt an extra dafür errichteten Checkpoints. Auch an Grenzübergängen werden diese Wegzölle verlangt. Angehörige anderer Religionen müssen, sofern sie nicht hingerichtet oder vertrieben wurden, außerdem eine Art Schutzgeld bezahlen.

Lösegeld, Erpressung und Kriegsbeute

Bekannt und berüchtigt wurde der IS auch durch die brutalen Enthauptungen seiner Geiseln. Diese Enthauptungen werden vom IS vor Kamera inszeniert um so zusätzliche Aufmerksamkeit auf die anderen, noch lebenden Geiseln zu richten. Das ist zum einen eine politische Botschaft aber auch Teil des dahinterstehenden Geschäftsmodells. Vor allem ausländische Journalisten und Hilfsarbeiter sind als Entführungsopfer „beliebt“. Das liegt daran, dass bei ihrer Entführung höchste mediale Aufmerksamkeit in ihren Heimatländern garantiert ist und, so denken die Terroristen, die Zahlung von Lösegeld wahrscheinlicher ist. Die verlangten Summen rangieren zwischen einigen wenigen Millionen bis zu - wie im aktuellen Fall der beiden entführten Japaner - mehreren hundert Millionen Dollar. Die Geiseln kommen während der Verhandlungen laut übereinstimmenden Angaben verschiedener Terror-Experten in ein zentrales, unterirdisches Gefängnis nahe Raqqa. Dort werden die Häftlinge gefoltert, „verhört“ und es werden Videobotschaften mit ihnen aufgezeichnet, die sich an ihre Heimatstaaten richten. Von einigen Geiseln wie z.B. dem Amerikaner James Foley ist bekannt, dass sie in ihrer Gefangenschaft zum Islam konvertiert sind. Werden die Forderungen der Terroristen nicht erfüllt, folgt früher oder später die Enthauptung – wie auch im Falle von James Foley. Gerade die USA und England sind bekannt dafür keine Lösegelder zu bezahlen, daher sind es auch die Geiseln dieser Länder, die am häufigsten für die grausamen Inszenierungen des IS herhalten müssen.

IS

cc

Der "Sozialstaaat IS" - und die Realität, wie sie in Raqqa vom Aktivisten-Kollektiv "Raqqa Is Being Slaughtered Silently dokumentiert wird (siehe Tweet weiter unten)

Sklavenhandel

Eine ähnlich grausame Einnahmequelle des IS ist der Handel mit vor allem jesidischen Sklaven. Besonders junge Frauen und Mädchen sind beliebt um mit ihnen vor und außerhalb der Ehe Sex zu haben. Rechtfertigung für diese Praxis behaupten die IS-Terroristen unter anderem in der Sure al-Nisa zu finden, dort heißt es, "und wer von euch nicht vermögend genug ist, um gläubige Frauen zu heiraten, der heirate von dem Besitz eurer rechten Hand unter euren gläubigen Mägden“, dabei wird „Mägde“ als „Sklavinnen“ interpretiert. Zusätzlich berufen sie sich auf das Recht der „Genußehe“ oder auch „Zeitehe“, um die Sklavinnen nach einiger Zeit, oder auch schon nach einer Stunde, einfach wieder „auf den Markt zu werfen“. Wieviele Einnahmen dem IS dadurch erwachsen, ist nicht bekannt – lediglich, dass mehrere tausend Jesidinnen verschleppt und versklavt wurden. Wie es ihnen dabei erging, legte Ende vergangenen Jahres ein Bericht von Amnesty International offen. Wie es auf diesen Sklavenmärkten zugeht zeigt ein Video, das im Herbst des vergangenen Jahres erschienen ist - dabei unterhalten sich junge Jihadisten darüber, welche Jesidinnen sie kaufen werden und aus welchen Gründen.

Spenden aus dem Ausland

Der IS dürfte seit Beginn seiner „Tätigkeit“ vor allem aus Saudi-Arabien und den autokratisch regierten Staaten am Golf finanziell unterstützt werden. Diese Gelder stammen nicht von den Staaten selbst, sondern von reichen Geschäftsleuten und Firmen, die ihre Spenden als „Dienst am Glauben“ betrachten. Zu Beginn war der IS von diesen Spenden abhängig – das ist heute nicht mehr der Fall (siehe weiter oben) – und dürfte zumindest einen Teil seiner Waffen und Ausrüstung von dort bezogen haben. Der syrisch-katholische Patriarch Ignatius Joseph III. Yonan wirft in diesem Zusammenhang dem Westen vor, diese Praktiken zu billigen um weiterhin Öl aus den Golfstaaten beziehen zu können.

Inzwischen ist es dem „Islamischen Staat“ gelungen, seine Finanzierung unabhängig von externen Quellen zu machen. Das ist es auch, was den IS so gefährlich macht, sagt Tom Keatinte, Experte für Terrorfinanzierung. Die Terroristen entziehen sich damit jeglichem politischen Druck, der auf „verbündete“ Staaten ausgeübt werden könnte. Wichtiges Ziel müsste also sein, des IS‘ Geldquellen versiegen zu lassen, was den Westen bei einer derart breit aufgestellten Finanzierungsbasis noch eine Weile vor Schwierigkeiten stellen dürfte – auch, weil über die genauen Wege und Mittel der Terroristen nur sehr wenig bekannt ist.