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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

2. 2. 2015 - 14:13

The daily Blumenau. Monday Edition, 02-02-15.

Dritte-Welt-Schande und Erstwelt-Erinnerungslücken: wie Sportpolitik europäische Armseligkeit offensichtlich macht.

The daily blumenau hat im Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst. Und bietet Einträge zu diesen Themenfeldern.

#kolonialismus

Bei der am Sonntag zu Ende gegangenen Handball-WM in Katar hatte es der Gastgeber mit einer in Europa zusammengekauften Mannschaft und fragwürdiger Schiedsrichterleistungen (auch gegen Österreich im Achtel- und Deutschland im Viertel-Finale) ins Endspiel geschafft, wo man dann von Frankreich gestoppt wurde.

Katar versucht sich ja als globaler Sport-Großereignis-Ausrichter zu etablieren. Nach Schwimm- und Handball-WM folgen in den nächsten Jahren Rad-WM, Turn-WM, Leichtathletik-WM und vor allem die Fußball-WM, deren Bauten auf den Leichen von in sklavenähnlichen Bedingungen gehaltenen Wanderarbeitern errichtet werden.

Beim Afrika-Cup in Äquatorial-Guinea, also der kontinentalen Fußball-Meisterschaft, steht der Gastgeber, ein bislang eher unbeschriebenes Außenseiter-Blatt, seit diesem Wochenende im Halbfinale. Dorthin hat man es, genau, mit einer in Europa und Afrika zusammengekauften Mannschaft und fragwürdigen Schiedsrichterleistungen (je ein absurder Elfer, der das Team im Turnier hielt) geschafft.

Klarer Fall, oder? Despoten instrumentalisieren den Sport

Äquatorial-Guinea ist wie Katar eine widerliche Diktatur (die eine wird von einer neuen Kleptokraten-Klasse beherrscht, die andere von einer absolutistischen Herrscher Dynastie) - beide Länder versuchen mit hängeringender Dringlichkeit ihr Image zu bessern: Das kleine neureiche westafrikanische Land im regionalen Umfeld bzw am Kontinent - das Gold-Emirat auf globaler Ebene.

Dass dabei das Propaganda-Instrument Sport eine wichtige Rolle spielt, ist angesichts von supermächtigen, vorbildhaften Großereignissen der jüngsten Vergangenheit (Sochi, Peking...) keine Überraschung. Im Unterschied zu den Sportmächten Russland oder China müssen die Kleinen halt auch noch die Erfolge im eigenen Land kaufen - und tun das via unauffälliger Schiri-Beeinflussung und über den Zusammenkauf von Mannschaften.

Denn das Potential im eigenen Land ist zu schwach: im bettelarmen Äquatorial-Guinea, wo es Diktator Obiang nur auf kurzfristigen Glanz anlegt, sowieso; aber auch im ambitionierten Emirat - trotz der ambitionierten Aspire Academy; wie der aktuelle, als "überfordert" zu bezeichnende Auftritt des katarischen Fußball-Teams bei Asia-Cup belegt.

Da braucht's Empörung gegen diese Machenschaften!

Es ist also eine Schande, sagt Europa, und suhlt sich in erregter und erregender Empörung.
Und zwar in geschichtsvergessener. Und badet gleichzeitig in realitätsverneinender Zweierlei-Maß-Suppe.

Letztlich kopieren die despotischen Afrikaner und Asiaten ja nur das, was sie in Europa gelernt haben. Das faschistische Italien hat 1934 nicht nur die Fußball-WM, sondern auch gleich den Titel gekauft, die Nationalsozialisten 1936 Olympia. Auch bei den Fußball-Weltmeisterschaften 74, 78, 98 oder 02 profitierten Ausrichter durchaus über Gebühr.
Wenn sich alte Kolonialmächte über die kolonialen Arbeits- und Zuwanderungs-Trails personell verstärken, dann wird das eher als positives Integrations-Beispiel denn als bewusster Brain-Drain abgefeiert - umgekehrt ist es empörend, wenn sich Äquatorial-Guinea bei den spanischen Ex-Besatzern mit Landesbezügen umsieht oder Katar die Profis, die in seine Liga kommen, ködert. Wo besteht der moralische Unterschied zwischen den Einbürgerungen von Ex-Yugo-Akteuren, die bei El Jaish spielen und den ÖFB-Versuch Alan zum Österreicher zu machen?

Wie, kopieren Afrikaner/Asiaten nur europäische Vorbilder?

Das was Europa als Schande beklagt, ist letztlich nur eine Kopie eigener (historisch und auch aktuell komplett unhinterfragter) Vorgangsweisen, die für unsere Augen wohl erst dann sichtbar werden, wenn sie von deutlich kenntlichgemachten Despoten in aller unverschämten Offenheit durchgeführt werden. Wenn sich Irlands Fußball-Nationalmannschaft aus Briten mit einer einzelnen irischen Oma zusammensetzt, dann finden wir das gesellschaftsfähig. Dass die großen holländischen Stars der jüngeren Geschichte ihre Heimat in der südamerikanischen Kolonie Suriname haben, hebt keine Augenbraue.

Nun ist Geschichtsbewusstsein und historische Verantwortung sowieso keine menschliche Stärke und in den Ländern der Pegida-Trotteleien besonders schwer vermittelbar. Gepolter gegen die Schande, die Korruption und die Persversion anderer überdeckt dann auch die eigenen, ganz aktuellen Skandale.

Was, Deutschland ist der allergrößte Schummler?

Dass nämlich Deutschland bei nämlicher Handball-WM auf der Teilnehmer-Liste stand, ist einer gänzlich krummen, zutiefst unsportlichen Machenschaft zu verdanken: der Ex-Weltmeister hatte sich (nach zwei Niederlagen im Play-Off) sportlich nämlich gar nicht qualifiziert. Deutschland wurde durch übles Verbands-Getrickse und auf Kosten anderer mittels Wild Card ins Turnier gehoben. Grund: der wichtige deutsche Markt. Dass das Turnier dann nicht in ARD/ZDF, sondern nur beim Zuschauer-Zwerg Sky zu sehen war, kommt als Treppenwitz dazu.

Eingefädelt hat den Wildcard-Deal ein Mann, der Sepp Blatter alt aussehen lässt: der Ägypter Hassan Moustafa, Präsident des internationalen Verbands IHF, der Skandale wegen Veruntreuung und Spielmanipulationen aussitzt. Moustafa hat in Leipzig studiert und pflegt hervorragende Kontakte nach Deutschland.

Machenschaften wie diese werden im europäischen Sportjournalismus wohl erst dann für Empörung sorgen, wenn sie von Dritte-Welt-Despoten durchgezogen werden. Solange die alten Kolonialmächte selber tricksen und betrügen, ist scheinbar alles nicht so schlimm.