Erstellt am: 30. 1. 2015 - 17:01 Uhr
The daily Blumenau. Friday Edition, 30-01-15.
#fußballjournal15
The daily blumenau hat im Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst. Und bietet Einträge zu diesen Themenfeldern.
INTRO:
In seiner gestrigen Key Note zu Universum Bundesliga, der neuen Zukunftsoffensive, zu der die Liga-Verantwortlichen alle wichtigen Player wie den ÖFB, Partner-Medien, Mitglieder, den Schweizer Super-League-CEO und andere mehr geladen hatten, nannte Bundesliga-Vorstand Reinhard Herovits vorneweg ein zentrales Kriterium, das die Vision 2020 tragen sollte: Vorbildwirkung.
Noch vor wirtschaftlicher Stabilität, verbesserter Infrastruktur, gestärkter gesellschaftlicher Verantwortung oder dem sportlichen Bekenntnis zur Ausbildungsliga kam die Vorbildwirkung.
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Ich bin selber schuld. Ich hätte nicht nachfragen, sondern den Dingen ihren Lauf lassen sollen. Aber es kam mir komisch vor. Und ich habe nachgefragt.
Jetzt, mehr als zwei Wochen nach dem Anlassfall ist nichts 100%ig gesichert oder geklärt, es sind mehr Fragen offen als zuvor, und die mit dieser Nachfrage verbrachte Lebenszeit möchte ich mehrheitlich als verschwendet betrachten. Und auch moralisch ist außer der (wieder einmal) erfolgten Bestätigung eines Alfred-Dorfer-Wortes über Österreich ("Nicht das Erreichte zählt, sondern das Erzählte reicht") auch nichts passiert.
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Aber wie gesagt: es kam mir komisch vor. Und da muss ich dann nachschauen. Komisch war, dass der neuinstallierte Sportdirektor der Austria Wien, Franz Wohlfahrt, ein "Tormann- Instruktor bei der FIFA" sei, wie das in allen Medienberichten erzählt wurde. Wohlfahrt, dessen Torwart-Trainer-Stationen Untersiebenbrunn, Schwadorf und Admira lauteten, ehe er Trainer bei Baden und Neudorf und dann U21- und schlussendlich ÖFB-Torwart-Trainer wurde. Das sieht mir nicht nach einer Vita aus, die FIFA-Standards genügt.
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Der ÖFB sagt 2013 in seiner offiziellen Vorstellung: "... hielt im Auftrag der FIFA als Instruktor weltweit Tormanntrainer-Kurse." Damit bezieht man sich auf eine kleine FIFA-Reihe, die 2011 im Vorfeld der damaligen WM im südafrikanischen Raum stattfand, wo Wohlfahrt als einer von mehreren Unterstützern des FIFA Chef-Torwartinstruktors Alexander Vencel an zwei von Vencel geleiteten Seminaren (in Südafrika, in Namibia) teilnahm.
Seitdem ist kein An/Auftreten Wohlfahrts bei einem FIFA-Event registriert - außer als Zuhörer bei einem FIFA Instruktoren Seminar in Zürich im Herbst 2014. Aus dieser punktuellen (auf 2011 begrenzten) Schnupperkurs- und einer Zuhörer-Teilnahme eine fixe Rolle als Instructor zu konstruieren, erscheint mir ein wenig gar gewagt.
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Im hier auf der FIFA-Site zugänglichen Dokument FIFA list of instructors - 2014 jedenfalls ist Wohlfahrt nicht vertreten. Auch nicht in der Version von 2013.
Genau zu diesen 15 dort angeführten FIFA-Instruktoren will Wohlfahrt aber gehören, wie er hier auch im OTon nachhörbar bestätigt: "Ich hab' seit vier Jahren, also seit 2011, bin ich äh beschäftigt kamma jetzt nicht sagen, aber bin ich einer von zwei Händen vollen Instruktoren der FIFA, des Weltfußballverbandes, in der Trainer-Ausbildung, Tormanntraining, und dieses Thema, also als Instructor bist du natürlich nicht Trainer, und als Instructor bist du nicht der der unbedingt jetzt die Performance von den Spielern, von den Sportlern beobachtet, sondern als Instructor bist du Coach of the Coach. Das heißt das war auch schon in den letzten vier Jahren ganz ein klares Thema."
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Das heißt es irgendwie eben genau nicht. Denn in den letzten drei Jahren, seit 2011, war es eben kein Thema: kein FIFA-Wohlfahrt. Und auch zu den zwei Händen voll jener, die die offizielle Lizenz zum Instrukteur-Sein haben, gehört Wohlfahrt nicht. Und weil das (getreu des Dorfer-Zitats) in Österreich sonst niemanden interessiert, hab ich diese Ungereimtheiten eine Woche nach der Wohlfahrt-Bestellung hier noch einmal thematisiert.
Seitdem sind zwei Dinge passiert: ich habe einen Anfangs-Crash-Kurs in FIFAlogie und einen Stalker bekommen.
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Ein FIFA-Instructor, so erklärt mir einer, ist man dann, wenn man in Eigenregie Kurse hält.
"Die Bezeichnung 'FIFA Goalkeeping Coaching Course' trifft dann zu, wenn ein FIFA-Instruktor einen Kurs allein in einem Land abhält an dem die Torwarttrainer eines einzelnen Landes teilnehmen. Die Bezeichnung 'FIFA Goalkeeping Instructor Course' trifft dann zu, wenn die FIFA in einem ihrer Development Offices einen Kurs abhält an dem die Torwart-Instruktoren mehrerer Länder eingeladen werden. Dieser Kurs wird dann in der Regel vom FIFA Chef Torwart-Instruktor und ein, zwei, drei weiteren FIFA Instruktoren geleitet."
Die Kurse, an denen Wohlfahrt 2011 teilgenommen hat, fallen in die zweite Kategorie. Wohlfahrt war 2011 bei solchen Kursen dabei. Seitdem nimmer.
Warum er sich trotzdem und vor allem jetzt, beim öffentlichkeitswirksamen Job-Umstieg als jemand, der "seit vier Jahren" FIFA-Instructor ist, stilisiert?
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Den Stalker hab' ich mir auf Twitter eingetreten. Es ist ein anonymer Account, dem außer jetzt mir nur noch sieben junge Damen einer Dating/Flirt-Plattform folgen. Seine 47 Follows weisen auf die Interessensfelder IT/Computerwelt und Austria Wien hin, in der Überschneidungs-Menge fällt der Multimedia-Veranwortliche der Austria auf.
Mein neuer Twitter-Freund ist angetreten um Wohlfahrt zu verteidigen/vertreten. In seinen Tweets lieferte er zunächst die da eh schon bekannten Infos von 2011, und drängt angesichts dieser 'Beweise' doch eine Ruh' zu geben. Schließlich lädt er mir zwei Versionen von FIFA-Instruktoren-Listen in ein Dropbox: eine in der er mich spaßeshalber zum Master of Everything (danke, das ist lieb) macht, eine von ihm durchgeführte Fälschung; und eine andere Liste, in der Wohlfahrt plötzlich inkludiert ist. Diese pdf soll wohl meinen Irrtum beweisen.
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Abgesehen davon, dass mein Stalker durch seine Spaß-Manipulation ja belegt hat, dass solche pdfs nicht bedeuten - die echte Liste auf FIFA.com bleibt trotzdem Wohlfahrt-frei.
Außerdem sind dem Twitter-Mann (und da wirds jetzt so interessant, dass diese reichlich absurde Nebenstrang Erwähnung verdient) zwei aussagekräftige Fehler unterlaufen.
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Zum einen unterzeichnet Wohlfahrt alle auch nur ansatzweise offiziellen Dokumente mit seinem echten Namen - so wie hier eine Ehrenerklärung nämlich als Bernhard Franz Wohlfahrt. Bernhard ist nämlich der Name, der in seinem Pass steht, Franz ist sein Nenn-Name, der auf einem Seminar-Blattl stehen kann, nicht aber in einer FIFA-Liste, die (da es sich um weltweite Jetter handelt) natürlich mit dem Reisepass abgeglichen werden muss.
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Zum zweiten löschte der Anonymus den in der FIFA-Liste tatsächlich angeführten österreichischen Goalkeeping-Instruktor raus: Hans Leitert, bei Red Bull globales "Head of Goalkeeping Development".
Leitert hat bei Tottenham, Panathinoikos, Huelva, dem ÖFB, Rapid und der Admira gearbeitet und ist Autor des auch ins Englische übersetzten Standard-Werks The Art of Goalkeeping, ein medienscheuer Fachmann (hier eines seiner raren Interviews), also eine Art Gegenmodell zu Wohlfahrt. Im Gegensatz zu Wohlfahrt sind Leiterts FIFA-Instruktoren-Aufgaben auch gut dokumentiert, nicht nur auf der FIFA-Site.
Leitert aus der echten Liste rauszufälschen ist also ein echt starkes Stück.
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Echt hingegen ist ein Mail, das der anonyme Twitter-Account präsentiert - ein Mitglied der FIFA-Pressestelle schreibt auf Anfrage folgenden Einzelsatz zurück: Franz Wohlfahrt ist seit 2011 als "FIFA Goalkeeper Instructor" tätig.
Nun ist die FIFA als strukturell korrupt verschrien und die Pressestelle genießt nicht gerade der Ruf verlässlich und schnell zu reagieren (ich warte noch auf als verlässlich und schnell angekündigte Rückrufe aus den Jahren 2009 und 2013) - aber so ein Statement ist nicht vom Tisch zu wischen.
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Mein Überprüfungsanruf bei der FIFA-Pressestelle lief dann ab wie bei einer Gothic-Variante von "Verstehen Sie Spaß". Der zuständige Press-Officer, ein gut Deutsch sprechender Schweizer bedeutete mir mit einer weiteren (meiner) Anfrage in der Causa gerechnet zu haben und erwies sich als überaus präpariert. Er könne mir auf Wunsch nochmal denselben Wortlaut per Mail schicken, mehr aber nicht.
Meine Frage nach Listen, doks oder pdfs, die Wohlfahrts Instruktoren-Tätigkeit bestätigen würden, wurden ebenso abgeblockt wie meine Frage nach einer Bestätigung durch den zuständigen Teamleiter Vencel oder die Bitte um eine Weiterleitung in den Fachbereich.
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Es gab nur einen einzigen über den Verweis auf die Bestätigungszeile hinausgehenden Satz. Auf die Frage wie es denn sein könne, dass Wohlfahrt in der offiziellen Liste nicht auftauche, meinte der Pressesprecher, es müsse sich wohl um einen Irrtum handeln (er sprach diesen Satz ganz bewusst im Konjunktiv, als Nichtösterreicher ungewöhnlich). Auf meine Nachfrage, wie es bitte denn möglich sein könnte, dass dieser "Irrtum" seit 2011 schlagend ist, bekam ich das aussagekräftigste Schweigen der letzten Monate zur Antwort. Es ist ja legitim sich ja einer Antwort zu entschlagen um nicht lügen zu müssen.
Der Mann am anderen Ende der Leitung war froh den wohl erwarteten Anruf mit so wenig Information wie möglich zu Ende zu bringen.
Selten hat ein Anruf bei einer Auskunftsstelle so sehr das Gegenteil der reinen Aussage abgestrahlt: keine Unterlagen, keine Belege, keine Links, keine Nachfragen, sofort als Unsinn zu belegende Ausreden. So taugt der dürre Einzeiler nicht zum Beweis.
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Ich kann jenseits einer kleinen Gefälligkeit für einen in Erklärungsnot geratenen ehemaligen freien Mitarbeiter, der gut in einer Teil-Organisation vernetzt ist, nichts unterstellen - und nicht einmal daran mag ich wirklich glauben: ich gehe davon aus, dass man bei der FIFA mit dem Alltags-Umgang von Positionsbezeichnungen einfach sehr freimütig ist. Wer bei FM4 um eine Bestätigung ansucht, dass er schon einmal on air als DJ auflegetechnisch vertreten war, wird die womöglich auch bekommen.
Ich mag mir auch nicht vorstellen müssen, dass der plötzlich aufgetauchte Twitter-Troll mehr als nur ganz private und persönliche Interessen verfolgt.
Ich habe keine Lust auf verschwörungstheoretische Ansätze.
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Aber: wenn ich nicht weiterfrage, dann bleibt der Mythos vom Instructor so stehen. Und dann zählt eben wieder einmal nicht das Erreichte, sondern das Erzählte reicht.
Wenn Bernhard Franz Wohlfahrt "nur" ein Instructor zweiter Ordnung ist, besser: einmal war, einer der punktuell einmal bei Seminaren dabei war, dann sollen er und seine Fans/Freunde das so kommunizieren, anstatt alles zeitlich auszudehnen, sich als Eigenverantwortlicher um die Welt reisender Instrukteur zu gerieren und sich in Listen hineinzuimaginieren. Wo fällt da ein Zacken aus welcher Krone? Und vor allem: wo bleibt (siehe Intro) die Vorbildwirkung?