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Anna Katharina Laggner

Film, Literatur und Theater zum Beispiel. Und sonst gehört auch noch einiges zum Leben.

30. 1. 2015 - 19:04

Die Suche nach dem optimalen Bild

Und wie man seine Miete zahlen kann. Ein Gespräch mit Leena Koppe, Kamerafrau des Films „Gruber geht“.

Leena Koppe

Die Kamerafrau ist Wienerin und zweisprachig mit Deutsch und Finnisch aufgewachsen. Sie hat an der Filmakademie Kamera studiert und ihre Diplomarbeit über das Nordlicht geschrieben.

Leena Koppe hat unter anderem, für „Die Vaterlosen“, „Das Kind in der Schachtel“ und „Zweisitzrakete“ die Kameraarbeit gemacht.

Derzeit läuft "Gruber geht" in den Kinos. Bei der Diagonale wird der Dokumentarfilm "Unter Blinden" über den blinden Extrembergsteiger Andy Holzer gezeigt.

Wenn so etwas Großes wie ein Film fertig ist, groß im Sinne von Leidenschaft, von Herzblut und Arbeitsschweiß, dann muss man feiern. Leena Koppe und ich treffen uns zwar erst um 14 Uhr zum Gespräch, aber für sie fühlt es sich an, „wie 7 Uhr früh“. Am Vorabend hatte „Gruber geht“, der neue Film von Marie Kreutzer Premiere, für den Leena Koppe die Kamera-Arbeit gemacht hat. Seit einem Jahr, sagt sie, läuft´s gut mit der Arbeit. Davor war nicht immer klar, wie sie ihre Miete zahlen soll.

Anna: Grundsätzlich: wie gehst du an die Entwicklung einer Sprache für einen Film heran?

Leena Koppe: Grundsätzlich les ich zuerst das Buch. Während des Lesens entstehen Bilder im Kopf. Dann les ich es noch mehrere Male und fang dann an, mit den Regisseuren zu kommunizieren. Im Grunde lebe ich dann eine Weile mit dieser Geschichte im Hinterkopf. Und wenn ich dann Bücher lese oder Ausstellungen anschaue, gibt´s immer wieder Verknüpfungs-Assoziationen und irgendwie fügt sich das alles immer mehr zu einem Bild oder zu einer Geschichte. Es ist schwer zu beschreiben, weil es ziemlich intuitiv abläuft.

Das heißt, du gehst grundsätzlich als Kamerafrau, als Fotografin durchs Leben?

Ja, ich glaube, es ist so. Es ist mir nicht permanent bewusst, aber ich schau schon extrem viel, meine Wahrnehmung funktioniert übers Schauen. Das war immer schon so. Als Kind ist es mir aufgefallen, wenn Erwachsene sich unterhalten, da gibt´s die Worte und dann gibt´s das, was unter den Worten liegt und das sieht man. Als Kind spürt man, zum Beispiel, wenn Menschen lügen oder wenn das, was gesagt wird, nicht stimmt. Man sieht sozusagen, die Wahrheit. Und die liegt zu allererst im Sehen. Die Bilder, die suche ich dann als Kamerafrau. Ich gehe also als Schauende durch die Welt und als Kamerafrau suche ich die Bilder in mir und versuche sie zu produzieren und das mit meinen Erfahrungen zu verknüpfen.

gruber geht szenebild

Thimfilm/Petro Domenigg

Eine Kamera macht ja noch keinen Film. Aber ohne Kamera kann es auch keinen Film geben. Während deiner Arbeit, bei der du ja auch ganz konkret mit Technik und dem Gewicht der Kamera beschäftigt bist, also im Moment des Drehens, was macht da den Film?

Schwierig. Ich denk mir, einen Film macht das, was zwischen zwei Bildern entsteht. Ich kann zwei Bilder für eine Szene finden und die Frage dabei ist, was entsteht, wenn man diese Bilder aneinander hängt. Es ist das gleiche, wie wenn viele Wörter aneinandergehängt ein extrem starkes Gefühl bringen. Die Worte für sich ergeben nicht diese Dimension, die ein schön geschriebenes Buch erreichen kann. Und genauso ist es im Film mit den Bildern. Aber abgesehen davon glaube ich, dass man einen sehr guten Film auch mit einer sehr schlechten Kamera machen könnte, weil wenn das Buch und die Geschichte und die Emotion stimmen, weil die Schauspieler gut sind, ist es nicht so wichtig, wie die Bilder sind.

Das klingt jetzt so, als würdest du dich nicht sehr wichtig nehmen.

Ich bin sehr genau und sehr selbstkritisch und ich nehm das alles sehr wichtig und ich bin immer total aufgeregt und verzweifelt, wenn etwas nicht funktioniert, aber es ist nicht so, dass die Kamera den Film macht. Im Vergleich zum Radio ist natürlich die Kamera DAS filmische Medium, aber wenn mir etwas richtig gut gelungen ist, dann stell ich immer fest, es ist uns etwas gut gelungen. Ich allein, ich kann ein wunderschönes Bild kadrieren, aber wenn dann jemand nicht gut spielt, dann ist das für die Fische und kommt auch nicht in den Schnitt.

Die Kamerafrau Leena Koppe

Leena

Ich möchte auf deine Existenz als Kamerafrau eingehen. Es gibt eine Studie aus dem Jahr 2008, eine neuere gibt es nicht, in Auftrag gegeben von der damaligen Ministerin Claudia Schmied zur sozialen Lage von Künstlerinnen und Künstlern. Daraus geht hervor, kurz gefasst, dass Filmschaffende extrem von finanziellen Bedrohungen betroffen sind. Wie ist deine Lage?

Meine Lage ist grad ein bissl im Wandel. Aber sie war bis vor kurzem so, dass ich in die Bäckerei Brot verkaufen gegangen bin, um meine Miete zahlen zu können.
Seit Februar letzten Jahres, seit wir „Gruber geht“ gedreht haben, habe ich so viel zu tun, dass ich in der Bäckerei gekündigt habe. Jetzt im Moment läuft´s gut, aber ich weiß nicht, wie es weiter geht. Und dieser super Bäcker hat zum Glück gesagt, ich kann jederzeit wieder kommen. Aber natürlich, ich würde lieber von meinem Beruf leben können.

Was zwar seit einem Jahr der Fall ist, aber du weißt nicht, wie lange.

Genau, man hat keine Konstante. Als Künstler hat man diese Hoch- und Tiefphasen, vom Produzieren her. Und in den Tiefphasen hat man es nicht nur mit sich selber schwer, sondern auch mit den äußeren Dingen, mit dem Arbeitsamt, mit der Sozialversicherung, mit den Institutionen, die einen stützen sollten, die einem helfen sollten. Aber man passt als Künstler nicht in dieses Schema, das der Beamte hat, dem man begegnet. Ich hab immer das Gefühl gehabt, ich muss denen jetzt sagen, was sie machen sollen, weil sie es nicht wissen, weil sie nur ihr Schema kennen.

szenenbild aus gruber geht

Thimfilm/Petro Domenigg

Du meinst das Schema, man ist angestellt und irgendwann wird man gekündigt und dann ist man arbeitslos.

Ja genau. Bei diesem Arbeiten und Nicht-Arbeiten muss man immer definieren, jetzt mach ich Pause, weil ich mich erholen muss, weil ich zum Beispiel extrem intensiv gearbeitet habe. Dann ist die Frage, was ist jetzt diese Pause - bin ich krank? – Nein, ich bin nicht krank, ich erhol mich nur, das ist normal nach so einer Phase. Aber bin ich jetzt arbeitslos? Man ist da in einer Art Verteidigungshaltung oder hat ein schlechtes Gewissen, weil es von außen so definiert wird. Aber ich hab jetzt ein bisschen gelernt, die Pausen als Erholung zu sehen, weil ich zum Beispiel nach „Gruber geht“ und einer Doku in Osttirol und einer Doku in China von Februar bis September fast nur aus dem Koffer gelebt habe. Ich war so ausgebrannt, dass ich gemerkt habe, ich muss ein paar Tage im Bett liegen und mir etwas kochen und meine Wäsche waschen und ich will nicht ans Meer und mich erholen, sondern in meinen eigenen vier Wänden, obwohl ich es liebe, herumzufahren. Ich bin an einen Punkt gekommen, wo ich mir gesagt hab, ich darf jetzt nicht an Geld denken oder daran, wie es weitergeht. Weil man weiß eh nie, wie´s weitergeht und die Erfahrung zeigt, es geht immer irgendwie weiter und wenn nicht, dann sucht man eine Lösung. Ich versuche zu lernen, in den Pausen Kraft zu tanken, das Hirn frei zu machen und wieder neue Inspirationen, neue Gedanken zu finden.

Wenn du arbeitest, bist du versichert. Bist du so lange versichert, wie du an einem Projekt arbeitest? Oder ist die Versicherungszeit immer kürzer als die tatsächliche Arbeitszeit an einem Projekt?

Drehbuchlesen und Orte suchen, also die erste Arbeit am Projekt, das beginnt viel früher. Und hinten nach gibt es Farbkorrektur. Bei mir war das meistens bis jetzt eine Pauschal-Verhandlungssache und eine Abmachung, wie man die Anstellung dehnt. Aber im Prinzip beginnt die Arbeit viel früher und endet viel später als irgendeine Versicherung oder Anstellung. Das ist alles eine Grauzone für mich. Es ist ein schwammiges Gebiet, aber man gewöhnt sich daran, dass man sein Schema in dem Ding findet.

Empfindest du deine Lage als prekär? Das ist ja das Schlagwort, aber es ist glaube ich eine sehr persönliche und subjektive Frage, als wie prekär man die eigene Lage empfindet.

Ich empfinde mich momentan nicht als in einer prekären Lage, aber sie ist jetzt auch nicht so, dass ich mir keine Sorgen machen muss. Also es ist immer bewusst. Und ich hab schon sehr prekäre Situationen erlebt. Ich kenne das.

Du konntest deine Miete nicht mehr zahlen?

Ja. Ich hab früher viel als Kameraassistentin gearbeitet, dann kam der erste Spielfilm, "Die Vaterlosen" und danach hat mich niemand mehr zum Assistieren angerufen, das ist in Österreich nicht üblich. Jedenfalls habe ich mir gedacht, ich nehm das als Anlass, umzusteigen und es wirklich als Kamerafrau zu versuchen. Und dann kam eine ziemlich lange, große Durststrecke und dann hab ich halt mein ganzes Geld, das ich von dem Film hatte, aufgebraucht. Wie ich meine letzten 10 Euro vom Minus vom Konto abgehoben hab, hab ich mir gedacht, ich kann jetzt nicht mehr warten, dass Projekte kommen. Das war schon ein krasser Moment, weil ich auch keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld hatte, weil ich nicht genug Tage dafür hatte. Dann haben die mir gesagt, es gibt einen Antrag auf Mindestsicherung, den ich stellen kann. Den hab ich dann gestellt, da hat sich aber vier Monate nichts getan, aber wenn man vier Monate kein Geld hat, um Essen zu kaufen und meine Eltern können mich auch nicht locker unterstützen. Das ist schon ein schirches Gefühl und zieht so viel Energie und Kraft von dem ab, was man eigentlich machen will. Im Moment geht’s aber.

Und wie ist dein Gefühl für die Zukunft, hast du Angst oder bist du zuversichtlich?

Im Moment bin ich zuversichtlich, dass ich mir als Kamerafrau irgendwie einen kleinen Boden geschaffen hab. Wie gut das laufen wird, das weiß ich nicht, aber ich wollt immer ins Kino und ich wollt immer Spielfilme machen und jetzt nach drei Spielfilmen denke ich mir, ich kann´s und auch ein paar andere denken das vielleicht, dass wir etwas zusammen machen können. Insofern bin ich zuversichtlich. Die Frage wird halt sein, wie viele Filme das pro Jahr sein können und wie gut ich davon leben werde können. Aber ich denk mir, ja, es wird schon und ich denke nicht sehr weit voraus. Und wenn´s dann nicht funktioniert, dann befasse ich mich mit dem, wie´s ist, wenn´s eben nicht ist. Aber ich hab gemerkt, es bringt nichts, sich ständig Sorgen zu machen, das ist so zehrend und bis jetzt ist es immer irgendwie gelaufen. Mehr oder weniger. Ich hab das Gefühl, es geht vorwärts.

Sonst hast du immer noch die Telefonnummer vom Bäcker.

Ja, genau.