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Trishes

Beats, Breaks und Tribe Vibes - oder auch: HipHop, Soul und staubige Vinyl-Schätze.

30. 1. 2015 - 14:51

"Bakin' soda, I got bakin' soda"

Der Erfolg der recht plumpen Crack/Kokain-Hymne "CoCo" von O.T. Genasis lässt Erinnerungen an eine vermeintliche Verschwörung zwischen Rap- und Gefängnis-Industrie wieder hochkommen - der FM4 HipHop-Lesekreis konspiriert!

Mehr Lesekreis

Weitere Textanalysen vom HipHop-Lesekreis gibt es hier:

Vor mehr als zwei Jahren kursierte ein angeblicher Insiderbericht von einem konspirativen Treffen zwischen Rap-Industrie und dem Prison Industrial Complex durch die HipHop-Blogs. Auch wenn die Geschichte etwas von einem Schundroman hatte, traf sie doch einen Nerv: Dass die kommerzielle Rap-Musik nämlich seit den frühen 90er Jahren stark auf den Gangsta-Aspekt fokussiert ist. Ob dies nun an der tatsächlichen Nachfrage liegt, Gangsta Rap also einfach populärer ist, oder ob diese Nachfrage nicht auch durch das reduzierte Angebot der (von wenigen, meist konservativen, Firmen kontrollierten) Massenmedien gesteuert wird, ist wohl ein klassisches Henne-Ei-Problem.

Der Videoblogger J-Smooth hat die vermeintliche Verschwörung damals jedenfalls sehr eloquent auseinandergenommen. Unter anderem mit dem Argument, solche Geschichten würden nur vom wirklichen Problem ablenken: Dass trotz sinkender Kriminalitätsraten immer mehr Menschen in die privaten (und hochprofitablen) Gefängnisse gesteckt würden - darunter überproportional viele African-Americans und Latinos.

All das geisterte mir durch den Kopf, als ich zum ersten
Mal dieses Video sah:

Der erste einigermaßen erfolgreiche Song des in Belize geborenen und in Long Beach, Kalifornien, aufgewachsenen O.T. Genasis klingt wie die vertonte Anleitung zum schnellsten Weg in die private Haftanstalt. Im Video wird neben dem Rapper weißes Pulver abgepackt, der heimliche Refrain des ohnehin nur aus gefühlt drei verschiedenen Zeilen bestehenden Songs bezieht sich wiederum auf Backpulver, die wichtigste Zutat, um Kokain in Crackform zu bringen:

Bakin' soda, I got bakin' soda

O.T. Genasis

Das extrem süchtig machende Crack-Kokain, das O.T. Genasis scheinbar so liebt, ist entscheidend für die Verwahrlosung zahlreicher vorwiegend afro-amerikanischer Viertel in den gesamten USA, für den Zerfall von Familien und die Zerstörung von Menschenleben verantwortlich. Das macht die Ikonisierung von Crack-Dealern zu einer höchst zynischen Angelegenheit - die aber im populären Mainstream-Rap schon seit Jahr und Tag gerne und oft praktiziert wird.

O.T. Genasis ist auch kein Einzelkämpfer ohne Hintergrund: Nach einer kurzen G-Unit-Verbindung ist er jetzt im Camp von Busta Rhymes gelandet (der kürzlich bei einem Konzert "CoCo" so gefeiert hat, dass er das Gleichgewicht verlor), die Single und das dazugehörige Album erscheinen beim Majorlabel.

Das wiederum nährt bei uns im HipHop-Lesekreis (Natalie Brunner, Mahdi Rahimi, Ole Weinreich und meine Wenigkeit) eine andere Verschwörungstheorie: Dass O.T. Genasis so etwas wie der neue Trinidad James ist, eine schnell gesignte Industrie-Erfindung, die jetzt auch vom aktuellen Trend zu wenigsilbigen aber umso öfter wiederholten HipHop-Refrains profitieren soll. Ob das aber irgendetwas besser macht?

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