Erstellt am: 28. 1. 2015 - 15:21 Uhr
1.000 Euro Strafe
Mit Akzent
Die unaussprechliche Welt des Todor Ovtcharov. Im Radio und auch als Podcast zum Anhören.
"Die Leiden des jungen Todor"
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Falls zum Beispiel die Eltern nicht auf Forderungen der Lehrer reagieren, zum Elternsprechtag zu kommen, könnte das als Grund für eine Strafe in der Höhe von bis zu 1.000 Euro betrachtet werden.
Es ist gut, dass ich und mein Bruder die Schule abgeschlossen haben, bevor diese Maßnahmen eingeführt wurden. Als es in unseren Schulen einen Elternsprechtag gab, wollten sich meine Eltern gegenseitig die Verantwortung in die Schuhe schieben. Alles fing damit an, dass mein Vater in die Schule meines Bruders gerufen wurde. Die empörte Geografielehrerin erzählte, dass mein Bruder im Unterreicht wie eine Kuh muht, während sie über die großen Feuer in den Torfgebieten im Norden gesprochen hat. Mein Vater hörte sich alles an und nickte mit dem Kopf. Danach fragte er meinen Bruder, warum er im Unterricht muht. Mein Bruder erklärte ihm, dass er gar nicht gemuht habe, sondern nur "Smoke on the Water" von Deep Purple gesungen habe. Dieses Lied hielt er für einen würdigen Soundtrack für den Unterricht über die Feuer des Nordens. Mein Vater wusste nicht, was er antworten sollte. Einerseits war es wirklich nicht gut, den Unterricht zu stören, andererseits erschien ihm die Idee meines Bruders gar nicht so schlecht. Da er nicht wusste, was er machen sollte, fing er zu lachen an. Genau in diesem Moment kam die Erdkundelehrerin vorbei. Sie sah meinen Vater zusammen mit meinem Bruder, die sich vor Lachen auf dem Boden wälzten. Mein Vater versank danach vor Scham. Seitdem schwor er, dass er nie wieder zu einem Elternsprechtag gehen würde.
Wenn er 1.000 Euro zahlen musste, wäre er aber sicherlich wieder hingegangen.
APA/dpa
Meine Mutter hingegen wollte meine Elternsprechtage nicht besuchen. Der Grund dafür war, dass ich eine schlechte Note in Mathe hatte, und ich mein Heft, in das die Noten eingetragen werden, versteckt habe. Meine Mutter war besorgt, dass das Schulhalbjahr dem Ende naht und ich immer noch keine Mathenote habe. Ich sagte nur, dass etwas nicht in Ordnung sei und die Lehrerin mir einfach keine Note geben wolle. Am Ende ging sie in die Schule, um die Lehrerin zu fragen, was los sei. Als sie erfahren hat, was tatsächlich los war, war sie am Boden. Da ich schon ausgewachsen war und meine Mutter klein ist, musste sie im Schulhof hochspringen, um mir eine Ohrfeige zu geben. Danach sagte sie, dass sie nie wieder einen Elternsprechtag von mir besuchen werde.
In der heutigen Welt wird die Schule schon längst nicht mehr als eine Erziehungsstätte gesehen. Experten meinen, dass auch in "Inländer"-Familien die Eltern nicht immer den Anweisungen der Lehrer folgen. Wenn man dahinter kommt, werden die dann auch mit 1.000 Euro bestraft?
Dass die Maßnahmenvorschläge gleich nach den Attentaten in Paris kommen, ist sicherlich kein Zufall. Dahinter steckt die Idee, dass man weitere Parallelgesellschaften vermeiden und die Radikalisierung der jungen Migranten verhindern will. Das Segregieren der Menschen ist aber genauso gefährlich. Wer kann sich schon eine Strafe von 1.000 Euro leisten? Hoffentlich bewirkt das Einführen solcher Strafen nicht das Gegenteil: eine Entfremdung vom Staat, der verbindende Werte schaffen will. Ich gratuliere dem Minister auch dazu, dass er sogenannte "integrationsunwillige" Kinder unterstützen möchte. Hoffentlich haben aber diese Maßnahmen keine gegensätzliche Wirkung.