Erstellt am: 30. 1. 2015 - 13:45 Uhr
Casual aus der Hardcore-Hölle
Heatpot Games
Irgendwo in unserem Gehirn muss ein Spaßzentrum sitzen, das jedesmal verzückt Glücksgefühle aussendet, wenn bunte Steinchen plötzlich in Dreierformation aufblinken und mit lustigem Geklingel verschwinden. Man kennt das ja: Von “Candy Crush” abwärts ist das Herumschieben von Juwelen, Goldstückchen oder anderen Symbolen zu Dreier-, Vierer- oder gar Fünferreihen ein millionenfach bewährter Zeitvertreib.
“Match Three” heißt das Spielprinzip, und es steht wie wenige andere für den simplen Spaß für zwischendurch: Casual, also übersetzt "beiläufig", nennt man diese Spiele. Wenn man das harmlose und auf Dauer auch etwas langweilige Spielprinzip mit anderen Genres mischt, entstehen Spiele, die den süchtigmachenden Flow auch für andere Zielgruppen interessant werden lassen. “Hero Emblems” ist ein solches Hybrid, denn hier bekommen wir eine heftige Dosis Rollenspiel als Draufschlag. Eine gefährliche Mischung.
Casual Flow-Grindcore JRPG
Vom klassischen japanischen Rollenspiel leiht sich "Hero Emblems" so einiges: Eine Fantasy-Story, vier niedliche Manga-Helden mit unterschiedlichen Fähigkeiten, Waffen, eine erkundbare Welt und natürlich massenhaft Monster und besonders schwierige Bosskämpfe. Statt allerdings wie üblich rundenweise Befehle zu erteilen, schlichten wir genauso wie in “Candy Crush” & Co bunte Steinchen. Je nachdem, wie gut uns das gelingt, fallen die Angriffe und Zaubereien unserer Helden dann aus, und es braucht tatsächlich einiges an Geschick und Strategie, um gegen die laufend stärker werdende Gegnerschar bestehen zu können.
Wer entspannend belangloses Gameplay erwartet, wird überrascht sein: “Hero Emblems” ist recht umfangreich und ziemlich schwierig geraten, und ohne ausdauerndes Sammeln von Erfahrungspunkten und Ausrüstung kommt man nicht weit. Und ja, das JRPG-Erbe bedeutet auch Grinding, also das wiederholte Absolvieren eigentlich erledigter Passagen, um aufzusteigen und Gold zu farmen, das man für die dringend benötigten Ausrüstungs-Upgrades braucht. Gut, dass das klassische "Match-3"-Gameplay im hypnotischen Flow von der Hand geht: In diesen weniger herausfordenden Replays entpuppt sich "Hero Emblems" als die entspannende Erfahrung, die es in den als Ausgleich oft anfänglich absurd schwierigen Endkämpfen so gar nicht ist.
Heatpot Games
Vom Flow zum Angstschweiß und retour
Was "Hero Emblems" von anderen Spielen seiner Art unterscheidet, ist genau diese Mischung aus Härte und hypnotischem Flow. Vor allem die gemeinen Endgegner, die man zum Weiterführen der Story besiegen muss, zwingen uns regelmäßig dazu, unsere Taktik zu ändern. Die meisten sind gegen normale Angriffe immun, andere machen uns mit Spezialfähigkeiten das Leben schwer und überwuchern zum Beispiel das Spielfeld mit Tentakeln, lassen Spielelemente versteinern oder in Flammen aufgehen.
Das der Härte geschuldete Maß Frustration peppt das ansonsten bekannt statische Spielprinzip auf und motiviert auch Hochleistungsverweigerer dazu, die Zähne zusammenzubeißen und immer weiterzumachen. Es ist eine beachtliche Leistung der Entwickler, die Herausforderungskurve so gekonnt an der feinen Grenze zwischen Ehrgeiz und Überforderung auszurichten - mit dem von anderen Obsessivspielen bekannten Schlusseffekt, dass einen wohl nur gute Vorsätze und Schock angesichts der verspielten Zeit wieder davon wegbringen.
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Rette sich, wer kann
Neu ist die hochmotivierende Verbindung von Puzzle und Rollenspiel übrigens freilich nicht: Schon 2007 hat der Überraschungshit "Puzzle Quest" die gemein süchtigmachende Melange perfektioniert. Einige Nachfolger sowie unzählige Variationen des Spielprinzips haben sich seitdem auf allen möglichen, aber vor allem mobilen Plattformen versucht, doch nur selten gelingt die Mixtur in derartiger Perfektion.
"Hero Emblems" ist für Apples iOS erschienen.
Die Musik mag an den Nerven sägen, die Figuren der banalen Story mögen lächerliche Klischees sein, doch Vorsicht: "Hero Emblems" lockt seine Spieler immer wieder zurück; im Normalfall wohl so lange, bis sich beim Anblick all der Klötzchen leichte Übelkeit einstellt. Es ist ein Casual Game für Hardcore-Spieler oder vielmehr: ein Hardcore-Spiel für Casual-Freunde.
Eigentlich zeigt es aber, dass Unterscheidungen wie diese im Jahr 2015 schon ziemlich überflüssig geworden sind. Ein großes Spiel im Kleinformat.