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27. 1. 2015 - 12:59

Je suis terroriste?

Nach den Terroranschlägen in Paris wird in Österreich die Forderung nach Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung lauter. Vor dem Innenministerium wurde heute dagegen protestiert.

Vorratsdatenspeicherung (VDS) nennt man die anlasslose Speicherung aller Telefonnummern und E-Mail-Adressen, mit denen Bürgerinnen und Bürger in Kontakt waren. In Österreich wurde die VDS voriges Jahr abgeschafft, weil sowohl der Europäische Gerichtshof, als auch der österreichische Verfassungsgerichtshof sie als grundrechtswidrig beurteilt haben.

Trotzdem dachten Politiker in Österreich schon voriges Jahr darüber nach, die Vorratsdatenspeicherung leicht abgeändert wieder einzuführen. Und jetzt, nach dem Terrorattentat auf die Redaktion des Satiremagazins Charlie Hebdo in Paris, werden die Rufe danach lauter.

Demo

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Bei Schneeregen versammelten sich deshalb heute Früh etwa 30 Menschen vor dem Innenministerium. Sie trugen Schilder, auf denen in mehreren Sprachen steht: "Bin ich Terrorist?" Durch die Vorratsdatenspeicherung, sagen sie, werde jeder Bürger und jede Bürgerin unter Generalverdacht gestellt: "Einfach nur dadurch, dass wir im Internet surfen oder unsere Handys verwenden", sagt der besorgte Demonstrant Roland Giersig, "Offenbar geht die Logik so: Das haben die Terroristen auch getan, also sind wir alle Terroristen."

Organisiert hat die heutige Aktion Thomas Lohninger, Sprecher des AKVorrat - jener Initative, die mit Verfassungsbeschwerden die VDS zu Fall gebracht hat. Der Aktivist findet es nicht angenehm, jetzt wieder bei eisigen Temperaturen zu demonstrieren - doch es sei notwendig: "Leider ist es so, dass sich die Grundwerte nicht von selbst verteidigen, sondern immer wieder aufs Neue erstritten werden müssen. Natürlich fragen wir uns auch, was es denn noch braucht, wenn wir schon von alleroberster richterlicher Stelle Recht bekommen haben? Wann werden es die Politiker endlich lernen?" Die gesamte Bevölkerung sei von anlassloser Massenüberwachung betroffen. "Das ist der Grund, warum die Richter uns Recht gegeben haben und dieses Instrument nicht mit unseren Grundwerten vereinbar ist."

Thomas Lohninger

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Thomas Lohninger (Mitte)

Neben ihrer Verfassungswidrigkeit hält Lohninger die VDS aber auch für zwecklos, wenn es darum geht, Terroristen unschädlich zu machen. Das hätte sich in den letzten Jahren bei allen großen Terroranschlägen in der westlichen Welt gezeigt: "Dort war nie ein Mangel an Daten das Problem. Sondern es war ein Problem, dass diese Daten nicht ausgewertet wurden. Alle Verdächtigen waren schon längst bekannt. Jedoch wurde nicht darauf geachtet, dann auch die notwendigen Schritte zu setzen. Auch die Attentäter von Paris waren alle schon namentlich bekannt, man hätte sie gezielt, nicht anlasslos, überwachen können, um draufzukommen, was diese Leute vorhaben. Dazu hätte man nicht die gesamte Bevölkerung überwachen müssen."

Frankreich hat die Vorratsdatenspeicherung trotz EuGH-Urteils nie aufgehoben - die Debatte wird also auch auf europäischer Ebene weitergehen. In Österreich ist die Regierungskoalition über die weitere Vorgangsweise uneinig: Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) hat sich wiederholt für die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung stark gemacht, Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) hat sich in einem ZIB-Interview dagegen ausgesprochen.