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Chrissi WilkensAthen

Journalistin in Griechenland

26. 1. 2015 - 18:48

Schnelle Angelobung und hohe Erwartungen

Weniger als 24 Stunden nach den Wahlen hat Griechenland eine links-rechts-Koalition und einen neuen Ministerpräsidenten.

Alexis Tsipras, Chef der linken Syriza, hat sich am Montag mit der rechten Partei Unabhängige Griechen (ANEL) auf eine Regierungskoalition geeinigt, seine Partei hat mit 149 der 300 Sitze im Parlament nur knapp die absolute Mehrheit verpasst.

Trotz der unterschiedlichen politischen Richtung verbindet beide Parteien eine klare Haltung gegen den von den Gläubigern durchgesetzten Sparkurs.

Tsipras wurde am frühen Nachmittag als Premierminister vereidigt. Der 40-Jährige ist der jüngste Premierminister Griechenlands. In einer stark symbolischen Geste besuchte er als erstes nach seiner Ernennung die Gedenkstätte beim Schießstand von Kesariani, der im zweiten Weltkrieg der deutschen Besatzungmacht in Griechenland als Hinrichtungsstätte für Erschießungen diente.

Parlamentswahl in Griechenland

APA

Beobachter deuten die Kranzniederlegung als klare Botschaft vor allem gegenüber Deutschland, vor allem was die Forderungen Griechenlands um den Besatzungskredit und die Kriegsentschädigungen angeht.

Auch die Tatsache, dass Tsipras sich als Koalitionspartner für die Unabhängigen Griechen entschieden hat und nicht mit der liberalen neugegründeten Partei To Potami eine Koaltion eingeht, deutet darauf hin, dass er eine harte Linie bei den Verhandlungen mit den Gläubigern verfolgen wird.

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Chrissi Wilkens

25 Januar, wir bekämpfen die Angst steht auf dem Plakat in Athen

"Zusammen mit der Freude fühle ich auch ein schweres Gewicht auf meinen Schultern. Wir können dieses Gewicht nicht alleine tragen. Wir brauchen die Unterstützung aller griechischen Bürger. Ich glaube, sobald wir anfangen, unser Programm umzusetzen, werden wir diese Unterstützung bekommen", meint Giannos Giannapoulos, der vor dem SYRIZA-Stand steht und pausenlos Interviews gibt. Der 28-Jährige hat für die Linke kandidiert und freut sich über den Wahlsieg, ist sich aber auch der schweren Aufgaben bewusst, die auf die neue Regierung zukommen.

Kater bei den Konservativen

Er übergäbe ein Land, das sich auf dem Weg des Wachstums befinde, ein Land, das Teil der Eurozone und der EU sei, sagt Antonis Samaras, der scheidende, konservative Premier noch am Wahlabend, Dies solle die neue Regierung auch weiter so pflegen. Die Stimmung bei den Konservativen ist trüb, nachdem sie die Macht verloren haben.

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Theodoris Matalas

Theodoris Matalas, hochrangiges Mitglied der Partei, fürchtet die Folgen des Wahlergebnisses. "Wir hoffen, dass diese Entscheidung der Griechen nicht schicksalhaft sein wird für die Teilnahme des Landes in der Eurozone und die EU. Wir hoffen, dass all das, was SYRIZA vor den Wahlen versprochen hat, nicht umgesetzt wird und dass die neue Regierung dem Weg der Vernunft und der Zustimmung folgt, damit wir diese schwierige Zeit hinter uns bringen."

SYRIZA-Anhänger feiern

Vor der Universität von Athen haben sich am Sonntagabend Hunderte von Anhängern von SYRIZA versammelt. Sie feiern den Wahlsieg und den Wahlsieger Alexis Tsipras. Griechenland lasse die Austeritätspolitik hinter sich, Griechenland gehe nach vorne in ein Europa, das sich verändere, betonte er in seiner Siegesrede. Und vor allem werden die Griechen ihre Würde zurückbekommen, versprach er. “Mal abwarten”, sagte leise eine der Anwesenden, die skeptisch die Rede mit ein paar Freuden angehört hat.

Nicht alle Griechen sind davon überzeugt, dass SYRIZA es tatsächlich schaffen wird, Griechenland zu verändern. "Es ist gut, dass sich die GriechInnen für etwas anderes entschieden haben, aber ich glaube es wird sich nichts ändern", sagt Alexandra, eine 40-jährige Angestellte. Sie ist nicht optimistisch, weil sie meint, dass ihr Land kein souveräner Staat mehr sei, nach all den Abkommen, die die vorige Regierung mit den Gläubigern unterschrieben habe.

Apres la grece, la france #syriza

Chrissi Wilkens

Dutzende Vertreter linker Organisationen und Parteien aus ganze Europa waren am Wahlsonntag in Athen um Syriza ihre Unterstützung zu demonstrieren

Giannis Kibouropoulos, Journalist und Blogger meint, dass die neue Regierung eine gute Chance auf einen Kompromiss für den Schuldenberg mit den Gläubigern habe. Ob sie auch langlebig sein wird, ist noch offen.

Es hängt von der Regierung selbst ab wie schnell sie die Erwartungen der Bürger erfüllen wird, aber auch von der Haltung der Europäer, meint Kibouropoulos. Im Inland und im Ausland redet man über das Szenario einer sogenannten 'linken Parenthese', also einer kurzen katastrophalen Amtszeit der Linken, die wieder die konservativen an der Macht bringen werde. "Wichtig ist, dass es eine demokratische Entwicklung gibt. Die europäische Führung ist mit diesem Wahlergebnis aufgefordert zu zeigen, wie kompatibel sie zu den Entscheidungen der Bürger ist."