Erstellt am: 26. 1. 2015 - 14:13 Uhr
The daily Blumenau. Monday Edition, 27-01-15.
The daily blumenau hat im Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst. Und bietet Einträge zu diesen Themenfeldern.
Wieder da, nach einer grippe/fieberbedingten Beeinträchtigungs-Pause seit letzten Donnerstag.
...und, weil es ja der Ausgangspunkt ist - Runde 2 des Afrika-Cup hat die Bilanz von Runde 1 grosso modo bestätigt.
#demokratiepolitik
Meine Afrika-Cup-Addiktion hat auch einen (bewusst in Kauf genommenen) Nebeneffekt: die Übertragung im deutschsprachigen Eurosport liefert seit Jahren eine verlässliche Fährte hinein in den aktuellen Stand zum Thema Alltagsrassissmus.
Nicht, weil sich bei den Live-Kommentaren dort pegidamäßig die Schleusen öffnen und faktenfern ressentimentgesteuert abgekoffert wird - das Niveau ist im Gegenteil betont bemüht. Aber genau in der leicht übertriebenen Ausschilderung des (nicht ganz so großen) Events und in der für Sportjournalisten immer noch schwierigen Übung des Einbeziehens eines gesellschaftspolitischen Umfelds lauern so viele Fallen, dass jede paternalistische Grundhaltung, jedes postkoloniale Selbstverständnis, jedes zivilisatorische Überlegenheitsgefühl sofort blank und offengelegt wird.
Je mehr sich die Moderatoren (die die Matches in Äquatorial-Guinea aus dem fernen Europa live kommentieren) und ihre Experten in Rage reden, desto lauter pöbelt ihr innerer Stammtisch. Auf Sparflamme zwar, aber in all seinen verästelten Klischees und Vorurteilen (die ich hier weder aufzählen will noch muss) wahrnehmbar.
Aus der wegen drastischer Borniert- und Unterinformiertheit entstehenden Redundanz der Gesprächsfelder (die das übliche Afrika-Bild - Krankheit, westliche Hilfestellung, Despotismus - abgrasen und die das nötige Vorfeldwissen - systematische Ausbeutung durch mittlerweile nicht mehr nur europäische, aber auf den alten kolonialen Schienen fahrenden Konzerne - aussparen) hat sich in den letzten Tagen eine auf den ersten Blick überraschend forsche Sentenz herausgeschält.
Die Kommentatoren hielten Klage über die Verteilungs-Ungerechtigkeit: der über oft neu entdeckte Ressourcen (im aktuellen Fall: Erdöl) entstehende Reichtum, der die lokalen Volkswirtschaften boomen lässt, bleibt ganz schnell ganz oben hängen, die Schere klafft wild auseinander. Die kleptokratischen Oligarchien saugen alles auf, eine dünne urbane Mittelschicht, Verwaltungs- und Sicherheits-Einheiten werden mitgefüttert, der große breite Rest bleibt auf 1-Dollar-pro-Tag-Niveau, falls überhaupt.
Mir geht es jetzt nicht um den Ökonomen-Streit der besten Rezeptur, auch nicht um die jeweils lokalen Ursprünge einer feudalen Praxis, die in Kombination mit den Verlockungen ausländischer Investoren ein schier unzerstörbares Boll-/Filzwerk hinterlassen haben. Sondern um die Selbstverständlichkeit dieser Darstellung.
Dass in bettelarmen Ländern in denen plötzlich irgendwas von Wert produziert/exportiert wird, die 99% trotzdem bettelarm bleiben. Und die gesicherte Empörung über die Verteilungsgerechtigkeit an solchen unheiligen, antidemokratischen Orten. Durch uns heilig-demokratische Europäer.
Interessant ist aber: Wenn es ans Eingemachte, nämlich an die eigene, interne Verteilungsgerechtigkeit geht, dann wird die europäische Vollmundigkeit aber sehr schnell sehr schmallippig wie ein fleischgewordener Schüssel-Mund. Da ist dann von Leistung und jeder-seines-Glückes-Schmid die Rede. Oder von Reichtum durch harte Arbeit. Da wo im Fall der gutmeinend-besserwisserischen Ferndiagnose alles wohlfahrtsstaatlich aufgestellt werden sollte, da bunkern die Eigenschutz-Mechanismen die eigenen Pfründe ein.
Unter anderem deshalb hat es die Syriza in Griechenland geschafft. Und wird deshalb weder Europa noch den Euro noch sonstwas oder wen kaputtmachen, wie es eine europaweite Vorfeld-Propaganda-Campaign der Umverteilungsgegner weismachen wollte. Dazu wohl morgen mehr...
Klar ist ein Unterschied (wenn auch menschheitsgeschichtlich kein sehr großer...) zwischen Oligarchen-Diebsgesindel und alteingesessenen europäischen Eliten - dass beide Reichtum/Status/Bildungschancen etc vererben und dabei und auch sonst so steuerschonend wie möglich vorgehen wollen und somit die Prinzipien der Verteilungsgerechtigkeit mit Füßen treten, steht außer Zweifel. Und weil Demokratie (auch; und vor allem emotional stark) auf diesen Prinzipien basiert, ist sie so gefährdet. Nicht in Diktaturen wie Äquatorial-Guinea (wo man sie leicht und mit paternalistischem Naserümpfen fordern kann), sondern hierzulande, in Demokratien, die das, was sie von Nicht-Demokratien verlangen, selber nicht schaffen.