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Christiane Rösinger Berlin

Ist Musikerin (Lassie Singers, Britta) und Autorin. Sie schreibt aus dem Leben der Lo-Fi Boheme.

24. 1. 2015 - 14:00

Eskapismus

Mit der 9.Staffel des Dschungelcamps abtauchen und die Sorgen über den Weltzustand vergessen.

Dieses 2015, das so hoffnungsvoll angefangen hat, ist erst knapp drei Wochen alt und es sind doch schon genug Katastrophen für ein ganzes Jahr passiert.

Gleichzeitig zieht sich das Jahr grad Ende Januar schon arg in die Länge. Den Grund dafür haben Wissenschaftler herausgefunden: Der 23. Januar ist der traurigste Tage des Jahres (wir berichteten).

Dieses Jahr ist es noch trauriger, die ganze Welt scheint aus den Angeln gehoben: Terror in Paris, Krieg in der Ukraine, Isis, Al Qaida, Boko Haram, bei uns tobt die Pegida-Legida-Magida-Bagida-Pest. Wie soll das alles nur enden?

Aber der Mensch neigt zum Eskapismus und wenn du denkst es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her. Und siehe da: Letzte Woche ging sie los, die 9. Staffel der Dschungelshow, auch bekannt unter dem Namen „Ich bin ein Star, holt mich hier raus“. Endlich abtauchen und die Sorgen über den Weltzustand vergessen!!

Dschungelcamp-Kandidaten

RTL

Paris, Dresden, die Islamisten und die Nazis - alles egal!
Jetzt wird jeden Abend in den australischen Dschungel geschaltet, man wird die Stars, die man vorher nicht kannte, lieben und hassen lernen, wird mit ihnen am Lagerfeuer sitzen, in die Dschungelprüfung gehen, wie Brüder und Schwestern werden sie werden und uns allabendlich in unseren Stuben besuchen und das Leid der Welt vergessen lassen.

Was macht es da, dass man kaum einen von ihnen kennt?
Bei aller Liebe - die „Bachelorette“ und den „Bachelor“ und „Popstars“ und „DSDS“ und „GNTM“ - die ganzen Trash-Formate kann man sich in der Vorbereitung nicht auch noch ansehen, nur weil die Fünft- bis Letztplatzierten ein Jahr später in der Dschungelshow auftauchen.

Wer ein kleines bisschen serienaffin ist, kennt ja zumindest Iffi Zenker aus der Lindenstraße und Jörn Schlönvoigt aus Gute Zeiten, Schlechte Zeiten. Patricia Blanco dürfte der aufmerksamen Zuschauerin aus diversen Boulevardmagazinen, in denen sie über das schwierige Verhältnis zu ihrem Vater Roberto berichtet hat, bekannt sein, Rolfe war einst Juror bei Germanys Next Topmodel.

KandidatInnen fürs Dschungelcamp 2015

RTL

Soweit so gut, man richtete sich auf herrliche 16 Tage ein, lernte langsam die zickigen Blondinen auseinanderzuhalten und freute sich an Walter, einem älteren, rachitischen Ex-Showmaster, der abwechselnd als „Gollum“ , „Borderline -Opa“, „Methusalem auf Ecstasy“ betitelt wird, aber eigentlich als alter Zausel die Rolle des „Enfant Terrible“ hervorragend spielt.

Doch am Tag 6 der Show stellte sich bereits große Langweile ein, es passiert einfach nix. Angelina sitzt, schläft und heult und verlässt schließlich aus übertiefer Sehnsucht nach dem Freund und den Hunden die Sendung. Jörn denkt er wär auch im echten Leben Arzt und operiert Baumharz an Kopfhaut weg und entfernt Blutegel. Die anderen Bachelor- Verstoßenen oder Casting-Opfer oder was auch immer führen den branchenüblichen Smalltalk über Silikon/Operation und dürfen bei der in diesen Dingen erfahrenen Patricia obenrum nachfühlen. Der Rest ist Kotzfrucht, Kamelpenis und Bauschschweinsperma.

Fad ist es, die Gedanken schweifen immer weiter ab und man greift zur Fernbedienung - eine fatale Fehlentscheidung. Denn im richtigen Leben haben inzwischen Pegida-Organisatoren beschlossen, doch mit der Lügenpresse zu reden und überall, ob bei Jauch, Plasberg, Illner & Co., hocken jetzt ein paar „besorgte“ Bürger und reden wirres Zeug von Überfremdung und anderen Sorgen. Inzwischen gibt es auch Berichte von Flüchtlingen aus Dresden, die um Hilfe bitten, weil sie sich in der sächsischen Kulturmetropole nicht mehr sicher fühlen, von den „Bürgern“ angegiftet und bespuckt werden.

Es ist zum Kotzen, dann lieber zurück zu RTL und den „Stars“ beim Ekeln, würgen und speien zusehen.

Ach Larissa, wo bist ? Wie schön war es letztes Jahr mit dir und deinen Erzählungen vom Hausdiener Engelbert und seiner Vogelspinne!

Bald ist die Dschungelshow zu Ende und dann heißt es wieder raus ins feindliche Leben. Man muss trotz allem hoffnungsfroh in die Zukunft sehen. Der Pegida-Vorsitzende ist zurückgetreten, nach Leipzig kamen nur ein Zehntel der erwarteten Demonstranten und vielleicht ist die große Zeit der Gidas schon vorbei- und Dschungelkönig wird natürlich Walter.