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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

21. 1. 2015 - 14:54

The daily Blumenau. Wednesday Edition, 21-01-15.

Africa-Cup-Journal '15. Teil 1. Angekommen in der Ausgeglichenheit.

#fußballjournal15

The daily blumenau hat im Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst. Und bietet Einträge zu diesen Themenfeldern.

Es ist ein Turnier, das mich magisch in seinen Bann zieht, seit ich es via Liveübertragung sehen kann, das mich tiefer reinsaugt als vieles vergleichbares: der Afrika-Cup, der kontinentale zweijährlich durchgeführte Fußball-Gipfel unserer Nachbarn jenseits des Mittelmeers.

Vielleicht ist es der Jänner-Termin, der das alpine Fußball-Loch so gut füllt, vielleicht es ist das Improvisierte, nicht-perfekt-Konfektionierte der Abläufe, in jedem Fall ist es die andere Rezeptions-Kultur, der unpeinliche Party-Faktor auf den Rängen.

Der Cup findet heuer in Äquatorial-Guinea (Guinée équatoriale) statt, einer der nicht wenigen ganz grauslichen Diktaturen des Kontinents, die eingeklemmt zwischen Kamerun und Gabun liegt. Es gab flächendeckende verpflichtende Ebola-Untersuchungen für alle ausländischen Besucher, die sich seitdem mit den Tücken einer miserablen Infrastruktur herumschlagen müssen (auch die Mannschaften und Delegationen) - die immer dort auftreten, wo eine korrupte Elite von autoritär regierenden Kleptokraten die Gewinne (im vorliegenden Fall vor allem Erdöl) einstreifen anstatt ins Staatswesen zu pumpen. Dafür sehen die Stadien und Rasenfelder erstklassig aus.

Wegen der großen Ebola-Angst hatte der eigentliche Ausrichter des Cups, Marokko, das Turnier verschieben wollen - was der CAF-Verband aber nicht zulassen konnte/wollte (günstiger Jänner-Termin, was Abstellungen aus Europa betrifft, Zeichen gegen die Ebola-Hysterie, Verträge etc). Dass just das sportlich nicht qualifizierte (wegen illegitimen Spielereinsatzes sogar zeitweise gesperrte) Guinea Ecuatorial stattdessen hostet, ist eine echte Gnackwatschn für Marokko. Man liegt sowieso (wie mit halb Afrika) im Streit über das Schicksal der anderen (auch) spanischsprachigen Nation, der von Marokko annektierten Republik Sahara.

Seit Samstag läuft nun der Ball und seit gestern Abend haben wir alle 16 Teilnehmer gesehen. Titelverteidiger Nigeria (Dauerwickel Team/Coach - Verband), Rekordhalter Ägypten (zu spät erfolgter Generationenumbruch) oder auch die aufstrebende Regionalmacht Angola haben sich nicht qualifiziert, Marokko wurde gesperrt.

Trotzdem ist die bemerkenswerteste Tatsache nach Runde 1 die der ziemlichen Gleichwertigkeit aller Mannschaften, die nicht nur durch gefühlte zehn (und tatsächliche fünf) 1:1 Unentschieden belegt wird. Auch die drei Matches, die einen Sieger brachten, wurden auf absoluter Augenhöhe geführt.

Dabei sieht man neben stargespickten WM-Teilnehmern wie Ghana, der Côte d'Ivoire, Kamerun oder Algerien und Evergreens wie Tunesien, Senegal oder Südafrika auch totale Außenseiter wie die Capverden, die kleine Republik Kongo oder eben den Ausrichter. In jedem CAN-Turnier bis dato gab es zumindest einen Ausreißer nach unten; diesmal sieht es eher so aus, als könnte es einen der Großen arg erwischen.
Kamerun und Côte d'Ivoire sind der Auftakt-Niederlage knapp entkommen, Ghana hat es gar erwischt - und in allen Fällen war's nicht unverdient.

Am ehesten Pech kann man der verjüngten Mannschaft von Südafrika konstatieren, die etwas unglücklich gegen Algerien verlor. Die Nordafrikaner waren somit die einzigen der Top-Favoriten, die mit einem Sieg starten, obwohl sie (noch) nicht restlos überzeugen konnten.

Es gibt aber zugegebenermaßen auch noch einen anderen Faktor, der das Bild der Gleichwertigkeit schönzeichnet: in Gruppe A ist keiner der Top-Acts gelost worden, es sind zwei krasse Außenseiter (der kleine Kongo und der Gastgeber) und zwei Mittelklasse-Teams versammelt.

Und die Begegnung zwischen Burkina Faso (im letzten Turnier Sensations-Zweiter) und dem aufstrebenden Gabun (mit dem Dortmunder Star Aubameyang) lieferte dann auch gleich einen (damals noch nicht wahrnehmbaren) Fingerzeig: nicht das aktivere, spielbestimmende Team ging als Sieger vom Platz, sondern das reaktivere. Ähnliche Rezepte brachten später Zambia, Algerien oder Mali Punkte. Nur Senegal, die gegen ein höchst zauderliches Ghana erfolgreich waren, und Guinea, das sich gegen arg selbstgefällige Ivorer behaupten konnte, brachen diese Regel.

Dass die WM-Teilnehmer Elfenbeinküste und Kamerun erstmals seit Jahren ohne ihre Superstars Drogba und Eto'o auskommen müssen, hat mit ihrer mäßigen Performance aber nur insoweit zu tun, als beide Kultfiguren viel verbrannte Erde hinterlassen haben, was Taktik- und Systemfragen betrifft. Die Macht der Superstars, die gerne am Schoß ihrer Staatsregenten Platz nehmen und von dort aus gegen Coach und/oder Verband intrigieren, ist ein leidiges (west-)afrikanisches Dauerthema.

Dass sich etwa Mali, eine Mannschaft ohne große technische Skills, seit Jahren in den oberen Gefilden halten kann, ist nicht nur auf die gefestigte Strategie und die taktische Disziplin zurück zu führen, sondern auch dem Fakt zu verdanken, dass der dortige Superstar Seydou Keita eben kein überkandidelter Selbstdarsteller ist. Andererseits sind die Probleme, die Ghana (vielleicht die Mannschaft mit der größten Dichte an erstklassigen Akteuren) hat, auch auf Zickereien von selbsternannten Halbstars zurück zu führen. Ja, und die Tatsache, dass man den Coach direkt vor dem Turnier wechseln musste, spielt auch rein.

Gecoacht werden die afrikanischen Teams wieder einmal fast durchwegs von weißen Daddys; seit Keshi oder Appiah ihre Jobs los sind und das Vertrauen in die einheimischen Kräfte sank, herrschen wieder alte Kolonial-Zustände. Mit Volker Finke, Alain Giresse oder Henryk Kasperczak sind es nun nicht die Schlechtesten ihrer Zunft und Leute wie Put, Le Roy oder der junge Herve Renard verfügen auch über genügend Afrika-Erfahrung. Allerdings sind die alten Seilschaften entlang der alten europäischen Schein-Schutzmächte schon ein mehr als schlechtes Zeichen, was Willen zur Selbstständigkeit und dem Vorlegen einer eigenen Linie betrifft.

Systemisch und taktisch ist - auch deshalb - zwischen Klassik (das 4-3-3 von Mali oder den Ivorern, das 4-2-3-1 von DR Kongo oder Zambia) auch durchaus europäisch Gewagtes zu sehen: neben dem flexiblen, von der WM bekannten Spiel der Algerier stach das 4-1-4-1 von Gabun ebenso hervor wie das 4-2-1-3 von Kamerun. Das interessanteste Aufeinandertreffen in dieser Hinsicht gabs beim Match Ghana - Senegal: Avram Grant stellte da eine Art 5-1-4 auf den Platz, Alain Giresse begegnete dem mit einem 5-3-2, das sich gern in ein 3-5-2 umstülpen ließ. Probleme, derlei anspruchsvolle Varianten umzusetzen, sieht man beim Afrika-Cup nicht; die Mängel liegen - wie bei der WM auch bei südamerikanischen und vor allem europäischen Teams gern/oft sichtbar geworden - im Teambuilding, kontraproduktiven Egos und gruppentaktischer Überforderung.

Insofern ist der afrikanische Fußball vollständig im Mainstream angekommen. Und weil das Niveau beim Afrika-Cup das der heimischen Fußball-Meisterschaft deutlich übersteigt (Sadio Mane saß bei Senegal auf der Bank, Ouédraogo erwarteterweise sowieso; Naby Keita fiel bei Guinea nur durch die Watschen auf, die er von Gervinho vor dessen Ausschluss bekam) und die Unvorsehbarkeit der Ereignisse heuer eine besonders hohe ist, sind die CAN-Spiel auch weiter mein (vor-)abendlicher Fixpunkt.