Erstellt am: 21. 1. 2015 - 15:06 Uhr
Die Grünen und der Laizismus
Mittlerweile ist der Anschlag auf das französische Satiremagazin Charlie Hebdo schon mehr als zwei Wochen her. Angesichts des Schreckens und aufgrund der ständigen Schlagzeilen über die Gräueltaten von IS und Boko Haram dominieren Debatten über Religion den gesellschaftlichen Diskurs. Gleichzeitig sorgen Demonstrationen der PEGIDA (Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes) in Dresden, aber auch bald in Wien, für Stirnrunzeln bei Politikern, die sich überlegen, wie man den gesellschaftlichen und religiösen Frieden in Österreich und Europa wahren kann.
Die Grünen in Deutschland haben am vergangenen Wochenende den ersten religionspolitischen Kongress ihrer Partei veranstaltet. Teilgenommen haben rund 300 Personen, darunter christliche Theologen, Vertreter islamischer Verbände und jüdischer Gemeinschaften. „Spätestens die Attentate von Paris zeigen: Wir müssen Religionen reinholen in den öffentlichen Diskurs“ – das sagt Bettina Jarasch, Berliner Landesvorsitzende der Grünen und Mitglied des Zentralkommittees der deutschen Katholiken (ZdK).
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Jarasch ist keine Ausnahme bei den deutschen Grünen: Auch der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Nordrhein-Westfalens stellvertretende Ministerpräsidentin Sylvia Löhrmann sind Mitglieder des ZdK, und zahlreiche andere grüne Funktionäre in Deutschland sind bekennende Protestanten. „Islamischer Religionsunterricht ist Prävention gegen Radikalisierung“, zitiert die taz den NRW-Grünen-Chef Sven Lehmann - und: „Wir sind uns einig darüber, dass wir kein laizistisches Modell wie in Frankreich fordern“.
Laizismus und das Konkordat
Die Trennung von Kirche und Staat ist also passé für die deutschen Grünen. Aber wie sieht es in Österreich aus? Mit dem Laizismus hierzulande ist es ja generell keine einfache Sache. Einerseits gilt in Österreich rechtlich die strenge Trennung von Kirche und Staat, denn Kirchen sind Körperschaften öffentlichen Rechts, keine Staatskirchen. In der Verfassung sind Glaubens- und Gewissensfreiheit, öffentliche Religionsausübung für gesetzlich anerkannte Kirchen und Religionsgemeinschaften, sowie private Religionsausübung für AnhängerInnen sonstiger Religionsbekenntnisse verankert.
Gleichzeitig gilt in Österreich aber auch ein Konkordat von 1933, das Bundeskanzler Engelbert Dollfuß mit Papst Pius XI. geschlossen hat. Seine Fortgeltung wurde 1957 von der Bundesregierung anerkannt und 1960 bzw. 1962 in Teilen verändert. Es ist ein weit verbreiteter Irrtum, dass das Konkordat ein Teil der österreichischen Verfassung wäre – aber es ist ein völkerrechtlicher Vertrag mit dem Heiligen Stuhl. Und dann gibt es ja auch noch das sogenannte „Blasphemie-Gesetz“ im Strafgesetzbuch (§188 StGB - Herabwürdigung religiöser Lehren).
Auch Österreichs Grüne gegen Laizismus
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Angesichts des religionspolitischen Kongresses der Grünen in Deutschland und den dort getätigten Aussagen ist also nicht uninteressant, wie die Grünen im hinsichtlich der Trennung von Kirche und Staat höchst widersprüchlichen Österreich darüber denken. Wolfgang Zinggl, Kultursprecher der Grünen, sagte gegenüber FM4 gestern, auch in seiner Partei werde das Thema laufend diskutiert: „Allerdings sind wir übereinstimmend der Ansicht, dass ein Dialog mit den Kirchen und Glaubensgemeinschaften sinnvoll ist und wesentlich mehr zu Frieden und gemeinsamen Respekt beiträgt, als die radikale Trennung, wie sie etwa der Laizismus in Frankreich vorschreibt.“
Über das ständige Nachgeben gegenüber jenen religiösen Kräften, die laufend noch mehr staatliche Privilegien fordern, schreibt der deutsche Autor Simon Urban in der Zeit, dies sei für ihn der falsche Weg. Seiner Ansicht nach gäbe es ein besseres Mittel, „um den Weihnachtslieder singenden Verteidigern des Abendlandes und den Kämpfern für islamische Feiertage, islamischen Religionsunterricht und geschlechtergetrennten Sportunterricht gleichermaßen den Wind aus den Segeln zu nehmen: die strikte Verbannung jedweder Religion ins Privatleben und die überfällige Etablierung eines rigorosen Laizismus, der alle Glaubensgemeinschaften in Deutschland gleichstellt. Und zwar indem er Katholiken, Protestanten und Muslimen gleichermaßen jede finanzielle Zuwendung von Seiten des Staates, jede Übernahme staatlicher Aufgaben sowie sämtliche rechtlichen Sonderstellungen verweigert. Und der jeden Anspruch von Bischöfen und Imamen, sich über reine Kirchenarbeit hinaus in das öffentliche Leben eines säkularen Landes einzumischen, entschieden zurückweist.“
Nur die uneingeschränkte Privatisierung aller Glaubensgemeinschaften, so Urban, würde dem Wetteifern von Christen und Muslimen um größtmögliche Präsenz im deutschen Alltag wichtigen Nährboden entziehen. Die Forderung des deutschen Journalisten klingt auch angesichts des in Österreich bis heute uneingelösten Versprechens der Trennung von Kirche und Staat vernünftig. In Frankreich gilt seit 1905 die Regel, dass der Staat Religionsgemeinschaften nicht anerkennt, finanziert oder subventioniert. Religion ist in der Schule Teil des nicht bekenntnisorientierten Geschichtsunterrichts – er bildet die Schülerinnen und Schüler über Entstehung, Inhalte und in ihrem Namen begangene Gräueltaten.
Wolfgang Zinngl von den österreichischen Grünen ist da ganz anderer Meinung. Er führt die religiös motivierte Gewalt, deren Zeugen wir gerade in Paris geworden sind, auf den mangelnden Religionsunterricht in Frankreich zurück: „Sie dürfen sich nicht wundern, wenn die Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen nicht öffentlich und an den Schulen über Glauben und Religion diskutieren, sondern hinter vorgehaltener Hand – das trägt nicht zu Sicherheit, Frieden und Anerkennung unterschiedlicher Weltanschauungen bei.“
Interessanter Artikel von Michael Walzer über Islamismus, die Linke und das “post-secular age".
In Österreich ist NEOS derzeit die Partei, die am schärfsten für stärkere Laizität eintritt. Ihr Abgeordneter Niko Alm fordert etwa auch die Abschaffung des „Blasphemieparagraphen“ §188 StGB, der für ihn gegen die Meinungsfreiheit steht. Die ÖVP behandelt das Thema in einer Arbeitsgruppe zur Strafrechtsreform, wird sich aufgrund ihres Selbstverständnisses als christlich-soziale Partei aber wohl kaum zu seiner Abschaffung bewegen lassen.
Simon Urban fordert währenddessen die Bildung einer Bewegung namens "FLORIDA" (Fremdenfreundliche Laizisten organisieren die Intensivsäkularisierung des Abendlandes). Auf Unterstützung der österreichischen Grünen darf er dabei wohl nicht hoffen.