Erstellt am: 18. 1. 2015 - 12:05 Uhr
Demo gegen Grazer Akademikerball
Zum 63. Mal fand gestern der Grazer Akademikerball statt. In den Vorjahren waren Stimmen dagegen kaum zu hören. Wieso wurde diesmal gegen die Veranstaltung demonstriert, die von Burschenschaftern und Corpsstudenten gefeiert wird?
Im Sommer formierte sich die überparteiliche "Offensive gegen Rechts Steiermark". Sie rief unter dem Motto "Fasching gegen Faschismus" zur Demonstration gegen den Ball der Burschenschafter und zugleich auch gegen die FPÖ auf. Also gegen jene Partei, die bei den Nationalratswahlen 2013 in der Steiermark auf Platz eins gewählt wurde.

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VertreterInnen der Grazer Grünen, die sozialistische Jugend und die kommunistische Jugend fanden sich am späten Nachmittag am Südtiroler Platz mit Protestschildern und Fahnen ein, vor Ort waren auch das Solidaritätskomitee Rojava Graz und nicht zuletzt hunderte Privatpersonen.
Vom Grazer Akademikerball distanzierten sich auch ursprüngliche Sponsoren. Ihnen ließ die Offensive gegen Rechts Steiermark Informationen über die Burschenschaften zukommen und forderte sie auf, die Unterstützung zurückzunehmen. Sechs von den ursprünglich elf Sponsoren wären abgesprungen und ließen ihr Logo entfernen, darunter etwa ein Blumengeschäft, sagt Johanna Mayr, Sprecherin für das überparteiliche Bündnis. Eine steirische Brauereigenossenschaft blieb Sponsor, die Website des Balles zeigt seit Tagen allerdings nur noch ein Startbild mit dem Stiegenhaus des Congress.
Der Akademikerball wurde im Grazer Congress eröffnet. Die Polizei hatte ein Platzverbot für den gesamten Sparkassenplatz und die Landhausgasse verteilt, Begründung: Um "Gefahr für Leben oder Gesundheit von mehreren Menschen" ebenso wie für "Eigentum und Umwelt" zu vermeiden. Die Absperrungen durften nur Ballgäste, Casino-BesucherInnen und AnrainerInnen passieren.
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
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Sitz- und Straßenblockaden
Der Demonstrationszug "Fasching gegen Faschismus" ist friedlich gewesen, 900 Personen nahmen laut Polizei daran teil und spazierten skandierend vom Südtiroler Platz ("Alerte, Antifaschista") über die Tegethoffbrücke und die Albrecht- ("Nazis raus!") und Schmiedgasse ("Grazer Polizisten schützen die Faschisten") schließlich in die Herrengasse und zur Schlusskundgebung vor dem Rathaus.
Während dort zwei Clowns den angekündigten Links- statt Rechtswalzer drehten, vierzig DemonstrationsteilnehmerInnen neben dem Soundsystem tanzten und sich die große Mehrheit um 19:15 verabschiedete, war die Polizei ums Eck vom Congress in der Neutorgasse bereits auf Position.
Mit Sitzblockaden hielten DemonstrantInnen nach dem Ende des angemeldeten Protests den Verkehr in der Neutorgasse auf, die Zufahrt per Taxi für BallbesucherInnen wurde zeitlich verzögert. Böller knallten. Zwei Antifa-Anhänger liefen hinter das Plastikband, das die Absperrung markierte, und wurden unmittelbar von Polizisten zu Boden gerungen. Eine Ballbesucherin schlüpfte im Dresscode "Große Abendgarderobe" (langes Abendkleid, bedeckte Knie) hinter die Sperrlinie und begrüßte eine ihr offensichtlich gut bekannte junge Frau auf der anderen Seite persönlich tadelnd: "Simma noch ein bissl kindisch, tumma demonstrieren?"
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Die drei "D"s der Polizei
Die Polizei verfolgte eine "Drei-D-Philosphie", so Oberst Joachim Huber von der Landespolizeidirektion Steiermark: "Dialog, Deeskalation und das dritte D heißt Durchgreifen, wenn es nötig sein sollte". Die Exekutive war in einer Zahl vergleichbar mit einem Einsatz bei einem Bundesliga-Fußball-Spiel vor Ort.
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Update 24.1.2015:
Das eingeschlagene Schaufenster war eine Fehlmeldung der Polizei.
Vor der Tegetthof-Brücke bildeten protestierende Menschen Hand in Hand eine Kette, die Polizei rückte mit Abstand vor, kesselte kleine Gruppen vorübergehend ein. Ein Pizzataxi machte über die doppelte Sperrlinie kehrt. In der Neutorgasse zündeten Protestierende Raketen und Böller, ein Blumentopf eines Zierdebäumchens vor einem Geschäft fing Feuer, die Feuerwehr war schnell vor Ort. Diese musste in den kommenden zwei Stunden noch mehr löschen: Mehrere Müllcontainer und Mistkübel wurden in Brand gesetzt. Ein Schaufenster in Nähe des Congress wurde eingeschlagen. Über der Stadt kreiste ein Hubschrauber.
Gegen 21:30 war es rund um den abgesperrten Austragungsort des Burschenschafterballs sehr ruhig. Vierzehn Personen wurden vorübergehend festgenommen.