Erstellt am: 12. 1. 2015 - 17:35 Uhr
Volle Regale im Post-Internet
Konsumkritik durch Disco. Medienterrorgebimmel durch House. Der französische Produzent Etienne de Crécy veröffentlicht diese Woche, nach 11 Jahren Pause, den dritten Teil seiner wegweisenden Reihe "Super Discount". Die Serie kommt in schrillen Farben daher, mit plakativem Schriftzug, will "Kauf mich!" schreien und spielt mit ihrem der Welt des Ausverkaufs entlehnten Namen auf den warenförmigen Charakter von Musik an.
Wie schon "Super Discount 2" aus dem Jahr 2004 ist auch die aktuelle Platte eine sanfte Neujustierung gegenüber des Sounds des jeweiligen Vorgängers. 1996 veröffentlichte de Crécy, gemeinsam mit Philippe Zdar von Cassius, unter dem Namen Motorbass ein atemberaubendes, schockierend viel zu wenig bekanntes Album: "Pansoul" von Motorbass ist ein sprödes Meisterwerk, errichtet aus dirty, roher Disco- und House-Musik, funky, körperlich, dabei von Eleganz und magischem Parfum durchsetzt.
Etienne de Crécy
Danach sollte und wollte Etienne de Crécy weicher werden und mit der Spaßkanone in den Club reiten. Dem Schnöseltum und dem elitistischen Gehabe der elektronischen Zirkel setzte er Schabernack entgegen und präsentierte sein Album "Super Discount" Ende 1996 schon durch seinen Titel als billige Ramschwarenveranstaltung. Scherzhaft wies de Crécy "Super Discount" als Compilation verschiedener Urheber aus, tatsächlich operierte er da auf den meisten Stücken unter unterschiedlichen Namen selbst bzw. handelte es sich um Kooperationen de Crécys mit Leuten wie Air oder Alex Gopher.
Einzig an einem Sampler aus alten Soul-, Disco- und Funk-Platten zusammengetackert, wurde "Super Discount" zu einer Definition dessen, was fortan alles ein bisschen über einen Kamm scherend "French Touch" genannt werden sollte. Laszive, zurückgelehnte, gerne auch etwas vernebelte Musik, in Watte gekleideter, abgebremster Filter-House, mit Exotika-Schnippseln geschmückte Lounge-Musik, durch die der große Geist von Dub weht.
Die Stücke auf "Super Discount" waren nach Werbeslogans benannt: "Prix Choc" (Schockpreis) oder "Tout doit disparaître" (Alles muss raus/weg). Nach dem großem Erfolg von "Super Discount" folgte 2000 ein Soloalbum unter eigenem Namen: Auf "Tempovision" gab sich de Crécy etwas sperriger und verspielter, weirder, psychedelischer, nachdenklicher, mit "Super Discount 2" besann er sich vier Jahre später wieder auf Schlichtheit und Direktheit und führte ein Erfolgsrezept in die damalige Gegenwart.
"Super Discount 2" schmirgelte die Smoothness und die Relaxation des Debüts weg und setzte auf knackige, verzerrte Electro- und Techno-Tracks, einen forschen Krawall-Sound, der in ähnlicher Form auch bei Labels wie Ed Banger oder Kitsuné zu hören war. Die Stücke waren nach damals brandaktuellen Peer-To-Peer-File-Sharing-Services benannt: "Soul Seek", "Audio Galaxy", "Napster", seinerzeit wurde Musik gerade gratis.
Wie weit kann die Banalisierung der Kunst also noch voranschreiten? Der Titel der Vorabsingle zu "Super Discount 3" legt die Losung aus: "Hashtag My Ass". Etienne de Crécy hat die Tracks seiner neuen Platte nach hochbeliebten Instagram-Hashtags benannt: "WTF", "Amazing", "Smile", "Family", "Love". Dazu hat er an Samplern und Synthesizern einen mundgerechten Schlagwortpop gebastelt. Richtig echte Songs, Lieder mit Strophen und Refrain und fast durchgehend Gesang von vielen, vielen Gästen, die der Künstler, wie könnte es anders sein, aus den Top 20 der meistgehörten Artists seiner Spotify-Playlist ausgewählt hat.
Pos und Dave von De La Soul sind mit dabei, der Sänger der englischen Band Citizens!, Madeline Follin von dem tollen New Yorker Luftschloss-Pop-Duo Cults oder die aus Florida stammende Newcomerin Kilo Kish. Alex Gopher hat auch wieder im Studio vorbeigeschaut und ein paar Beats und Noten beigesteuert.
Sony
So tönt "Super Discount" mehr noch als die Vorgänger wie eine Compilation. Es gibt dunkle Neo-Disco, wie gerade aus dem "Drive"-Soundtrack abgezogen, einen Rap-Track, lüsternen Schlafzimmer-R'n'B. Kuhglockengebimmel, schwelgerischen Synthie-Pop, Wave, den Banger für den Club, eine Funk-Gitarre, ein Säuseln für die Indie-Disco.
Dabei sind die einzelnen Stücke jeweils schlank und simpel gebaut, aus wenigen Bestandteilen zusammengestellt, schnell produziert. Die Stimmung von "Super Discount" ist Zärtlichkeit und Zuckerwatte, die Machart ist Punk. Die künstlerische Vision des Etienne de Crécy ist das Aufgreifen der Partikel, die in der Luft herumschwirren, das Riechen des Trends und dessen Ausformulierung. Dass die Hashtagisierung der Welt gestern schon altmodisch gerochen hat, weiß er, diese Erkenntnis ist integraler Teil des Projekts.