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Rainer Sigl

Spiel, Kultur, Pop im Assoziationsblaster.

17. 1. 2015 - 13:19

Grabraub im Weltall

Im originellen SF-Strategiespiel "Deadnaut" lauert der interstellare Horror gleich hinter dem Bildschirm.

Screwfly Studios

Als sich die Menschheit im 22. Jahrhundert endlich ins All hinauswagt, wartet eine makabre Überraschung: Es gibt intelligentes Leben da draußen - nur ist es schon lange, lange tot. Der Weltraum ist ein gewaltiger Friedhof, voll mit Raumschiffen als schwebende Särge, in denen die Überreste längst ausgestorbener Zivilisationen schlummern. Was als hoffnungsvoller Aufbruch zu den unendlichen Weiten beginnt, verwandelt sich schnell zum organisierten Grabraub.

Denn in den driftenden Raumschiffwracks, in altbekannter Tradition veritable Spukschlösser im All, wartet noch genug Wertvolles, um Glücksritter anzulocken, die sich den Gefahren für ein paar Credits stellen. "Deadnauts" werden diese Söldner genannt, denn die Wahrscheinlichkeit, dass unsere Astronauten die Einsätze an Bord der unheimlichen Raumschiffe überleben, ist eher klein.

On Screen!

Während uns die meisten Science-Fiction-Horror-Titel direkt als einer dieser Abenteurer in medias res losschicken würden, geht das atmosphärische Indie-Spiel "Deadnaut" einen höchst originellen eigenen Weg: Als Commander sitzen wir im bis zu kleinsten haptischen Details nachgebauten Gefechtsstand und verfolgen den Einsatz unserer fünf Spezialisten auf einer ganzen Reihe von Monitoren und Status-Displays. Links leuchten die Vitalsignale unseres Trupps, rechts gibt es Hintergrund-Infos und gefundene Logbuch-Einträge von Displays abzulesen.

Direkt vor uns aber sehen wir auf einem runden Screen einen ungefähren Scan der Umgebung, unserer Einheiten und etwa auftauchender Gefahren. Aus sicherer Entfernung überwachen wir hier den Einsatz, erteilen in (leider etwas fummeligem) Mikromanagement und in Echtzeit Befehle und müssen hilflos zusehen, wenn - wie so oft - etwas schiefläuft.

Screwfly Studios

Schweine im Weltraum

Unsere Deadnauts, die wir übrigens auch extrem detailliert einzeln erstellen können, halten dabei Funkkontakt, streiten schon mal miteinander und reagieren ihren teils exzentrischen Eigenschaften gemäß. Dass die ruppigen, teils richtiggehend psychopathischen Raubeine auf den Porträts eher wie College-Kids aussehen, ist einer der ganz wenigen Style-Schnitzer des Spiels - wer mag, kann aber sogar eigene Fotos einbinden und sich so mit Freunden auf Himmelfahrtskommado begeben. Solange ein einziger Überlebender den Weg von Bord schafft, ist nicht Game Over, denn wir können etwaige Verluste einfach nachklonen - dumm nur, dass sich dabei regelmäßig Verschlechterungen der Eigenschaften einstellen und uns dann das Geld für die dringend benötigte Aufrüstung fehlt.

"Deadnaut" ist in gewisser Weise eine Simulation, wenn auch eine sehr spezielle. In vielen Science-Fiction-Filmen bekommt man den Blick aus der Einsatzzentrale zu sehen, doch kaum ein Spiel hat bislang diesen Arbeitsplatz im Hintergrund so zentral zum Thema gemacht. Beim sorgfältigen Manövrieren unseres Teams, beim abgestimmten Einsatz der Spezialfähigkeiten und den immer wieder spannenden Missionen kommt tatsächlich das Gefühl auf, hier für das Leben echter Menschen verantwortlich zu sein - auch wenn diese nur als blinkende Punkte auf dem Scanner dargestellt werden.

Screwfly Studios

Dead Space Hulk Alien Event

Der Einfluss des Rogue-like-Genres ist unverkennbar: Es gilt gestrenger Permadeath, dafür werden bei jedem Spielstart per Zufallsgenerator neue Szenarien von Weltraumhorror generiert - vier Missionen ergeben eine Kampagne, die im Optimalfall in etwa einer Stunde abgeschlossen ist. Die Inspirationen für die unheimlichen Begegnungen reichen dabei von Filmklassikern wie "Alien" oder "Event Horizon" bis hin zu Vorbildern aus dem Gamesbereich, wie "Space Hulk" und "Dead Space": Einmal wimmeln die Schiffe von tödlichen, kleinen Xenomorphs, das nächste Mal droht das Grauen aus einer anderen Dimension auch unsere Soldaten in den Wahnsinn zu treiben und so weiter.

"Deadnaut" ist für Windows, Mac und Linux erschienen. Es gibt eine Demo.

"Deadnaut" beweist, dass es für außergewöhnliche Atmosphäre keine Hochglanzgrafik wie etwa in "Alien: Isolation" braucht - ein Wille zur Konsequenz und zum außergewöhnlichen Style genügen. Die originelle Optik und der fast klaustrophobische Blick bringen uns dazu, uns ganz alleine die drastischen Szenen vorzustellen. Eine gewisse Härte, erstaunliche Komplexität im Detail und genügend Abwechslung lassen dabei beachtlichen Nervenkitzel aufkommen, und die an Bord der Weltraumwracks auffindbaren Logs sorgen für stimmungsvoll düstere Hintergrundinformationen . Science-Fiction-Freunde mit Hang zum Außergewöhnlichen sollten schon allein wegen seiner Originalität "Deadnaut" einen Besuch abstatten.