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Sophie Strohmeier Philadelphia

Film, Film, Film

12. 1. 2015 - 09:27

Golden Globes 2015

“Boyhood” und “The Grand Budapest Hotel” gewinnen bei den 72. Golden Globe Awards

Noch vor Beginn der Preisverleihung verweisen Moderatoren auf die einvernehmliche “silliness” der Golden Globe Awards, jenes feucht-trunkenen Abends der rätselhaften Hollywood Foreign Press Association: auf dem roten Teppich werden bereits 1500 Miniflaschen Champagner konsumiert. Im Saal selbst, so ein Talking Head, werden es dann so 21 000 Flachen sein, oder so. Unabsichtlich habe ich noch kurz vor Beginn des roten Teppichs dieses Video einer sehr ge-stoneden Sarah Silverman bei den Emmys geschaut, und für mich sind jetzt alle Menschen auf dem roten Teppich “wach”, angesoffen, oder eh schon hinüber, Matthew McConaughey allen voran. Und dann sind da noch Tina Fey und Amy Poehler.

Tina Fey und Amy Poehler auf dem Red Carpet

APA/EPA/PAUL BUCK

“Good evening and welcome, you bunch of despicable, spoilt, and minimally talented brats!”

Tina Fey und Amy Poehler sind ein drittes und letztes Mal Moderatorinnen des Abends, ehe sie 2016 die U.S.-Präsidentschaft und von dort an die Weltherrschaft übernehmen. Es ist irgendwie schade, dass dieses Traumpaar eigentlich nur “moderiert” - heißt das Halten des zehnminütigen Eröffnungsmonologs, in dem die beiden wunderbar subversiv die Berühmtheiten des Saals (und das Patriarchat) durch den Brei ziehen, sowie Anspielungen auf gegenwärtige Skandale machen, wie zum Beispiel die Vergewaltigungsvorwürfe gegen Bill Cosby. Oder, bei der Beschreibung des 4-mal-nominierten Selma: in dem geht es um “the American civil rights movement that totally worked and now everything’s fine.”

Am schönsten wäre es, wenn Fey/Poehler auch noch die Preise vergeben und die Dankesreden halten würden. In der Regel sind nämlich die Star-Moderatoren der einzelnen Kategorien schon von Beginn an recht betrunken, high, und so mancher stellt eine riesige, glänzend-verschwitzte Stirn zur Schau. Allein Channing Tatum wirkt wie ein Mensch.

photo eines menschen mit Poehler/Fey2016 Präsidentschaftskandidaten T-Shirt

anonymetumblrperson

Es gibt anscheinend Menschen, die haben tatsächlich Poehler-Fey Wahl-T-Shirts.

Familie, Ehe, Kollegialität

In der Kategorie des Best Supporting Actor/Motion Picture gewinnt als erster - und das haben alle so antizipiert und alle freuen sich - J.K. Simmons, als der urgemeine Jazz-Orchesterdirigent in Whiplash. Simmons’ Rede ist kurz und nett, er bedankt sich z.B. bei seinem jungen Kollegen Miles Teller, der “inspired me every day to scream at him and hit him in the face.” d’Aww!

Auch eine sehr schöne, kollegiale Dankesrede einer Best Supporting Actress hält Patricia Arquette für Boyhood, die sich vor allem auf ihre Kinder und Eltern bezieht - und somit das Familienthema einführt, welches den hauptsächlichen Gewinner des Abends - Boyhood - begleitet. Richard Linklater gewinnt für Boyhood in der Regie-Kategorie sowie Best Motion Picture, Drama. Er widmet den Film Familien und Eltern “who are doing their best… we’re all flawed in this world”, ohne dabei kitschig zu wirken.

Die schönste Rede dieses Abends mit wirklich ungewöhnlich erträglichen Reden geht an Wes Anderson. Als The Grand Budapest Hotel Best Motion Picture, Musical or Comedy gewinnt, bedankt sich dieser bei der Hollywood Foreign Press Association und nennt dabei all ihre Vornamen: Jürgen, and Dagmar, and Lorenzo, and Jean-Paul, and Helmut…

Wes Anderson bei seiner Dankesrede

hfpa

"We'd also like to thank Kiri, and Pablo, and Marquito, and Ivan..."

Solch Unsentimentalität gelingt den Produzenten von The Affair, den doch recht überraschanden Gewinnern von Best TV/Drama (wäre es wirklich zu schlimm gewesen, wenn Game of Thrones hier gewonnen hätte?), leider nicht. Diese realisieren stattdessen, “how sacred our marriages are”. Zum Glück hat später deren Darstellerin Rachel Wilson, Gewinnerin von Best Actress TV/Drama, gerade noch genug Zeit, um bei ihrer Dankesrede den hübschen Hintern ihres Kollegen Dominic West anzusprechen.

Auch sehr familienorientiert sind die Gewinner von Best TV/Comedy sowie Best Actor in TV Series/Comedy: hier regiert die Amazon-Serie Transparent. Jeffrey Tabor, männlicher Darsteller einer Transfrau, schafft es, bei seiner Danksagung weniger kontroversiell anzukommen als Jared Leto voriges Jahr, und die Preise werden auf rührende Weise Leelah Alcorn sowie der Transgender Community gewidmet.

Als Matthew Homer für The Normal Heart zum Best Supporting Actor in a TV Series, Miniseries, or Motion Picture gewählt wird, scheint ein ganz und gar queerer Abend hereingebrochen zu sein.

TV-Überraschungen

Verwirrend, wie die Golden Globes (und Preisverleihungen) es eben sind, geht Best Supporting Actress in a TV Series, Miniseries, or Motion Picture weder an die großartige Kathy Bates in American Horror Story: Freak Show, noch an meine persönlich Favoritin Uzo Aduba aus Orange is the New Black noch an die immer großartige Allison Janney, sondern an, wie bitte, Joanne Froggatt für Downton Abbey. Schade, Kathy Bates’ surreale bärtige Frau aus Freak Show hätte man nur heuer auszeichnen können.

Eine relativ große Überraschung kommt bei Best TV Miniseries or Movie: da hätte ich stark auf Olive Kitteridge oder True Detective gesetzt. Stattdessen: Fargo. Fargo gewinnt auch bei Best Actor in a TV Miniseries or Movie, und Billy Bob Thornton hält die schönste, kürzeste Rede des Abends: “you can say anything in the world and get in trouble … so I’m just gonna say Thank You!”

Bei Best Actress in a TV Miniseries or Movie gibt Maggie Gyllenhaal dann doch eine der schönsten Reden des Abends, in einem feministischen Tonfall: “…what I think is new is the wealth of roles for actual women in television and in film. That’s what I think is revolutionary and evolutionary and it’s what’s turning me on.”
Oh, Maggie. Keep telling us what turns you on, pls.

Leading Roles

Lifetime achievement award geht heuer an George Clooney. Dazu gibt es eine bewegende Tribute-Montage aus Clooney Filmen und humanitären Einsätzen - alles aber überschattet von Tina Feys Witz: “George Clooney married Amal Alamuddin this year. Amal is a human rights lawyer who worked on the Enron case, was an advisor to Kofi Annan regarding Syria and was selected for a three person U.N. commission investigating rules of war violations in the Gaza Strip. So tonight her husband is getting a lifetime achievement award.”

George Clooney und sein Lifetime Achievement Globe

HFPA

Seufz.

Der häufig nominierte Clooney ist wie der gute Coach des Abends, als er alle zukünftigen Verlierer des Abends aufmuntert, und dann auch noch ein sanftes “Je suis Charlie” beim Abgang seufzt.

Kevin Spacey gewinnt Best Actor, TV Series/Drama, für seine Rolle in House of Cards und bedankt sich gleich mit einer kleinen, haarsträubenden Referenz zu Frank Underwood. Den Witz hat er schon einmal bei den Emmys gebracht, aber er dient nie aus.

Der frisch vermählte Eddie Redmayne, dieses Blumenmädchen der englischen Rosen, gewinnt für seine Rolle als Stephen Hawking in The Theory of Everything Best Actor, Motion Picture/Drama. Und life imitates art als Michael Keaton für seine Rolle als alternder Superhelden-Darsteller Birdman den Best Actor, Motion Pircure/Comedy or Musical gewinnt: die darauf folgende Rede ist ein bisschen betrunken, ein bisschen verwirrt, ein bisschen so, wie der Birdman-Film selbst.

In den komplementären Kategorien gewinnen Julianne Moore für eine Rolle im Film mit dem viel-sagenden Titel Die Golden Globe und Academy Award Preisträgerin (okay, der Film heißt Still Alice und beschäftigt sich mit dem Thema Alzheimer), und Amy Adams das zweite Jahr in Folge für Big Eyes - so unerwartet, dass sie gar keine Rede vorbereitet hat! Und Lipgloss hat sie auch keinen aufgetragen, unabsichtlich! und als Normalsterblicher fragt man sich einfach nur, Wie in aller Welt würde das einem Menschen passieren?

Tina Fey, Amy Poehler, und die kontroversielle Kim Kong-un verarsche

HFPA

Der Nordkorea/HFPA-Witz

Und schon ist die Award-Show weitergestrudelt.

Fey und Poehler tauchen leider nicht mehr so häufig auf - dafür ist Fey aber in einem Tuxedo gekleidet - und der größte Running Gag wird natürlich eine Kim Jong-Un-Verarsche, die irgendwie nicht so gut ankommt, außer bei mir, denn wie ich ist die Witzfigur, die ein nordkoreanisches Mitglied der Hollywood Foreign Press Association darstellen soll, ein viel zu großer Fan der Serie Orange is the New Black, die heute komplett leer ausgegangen ist. Zum Glück gibt es immer noch ein nächstes Jahr.

Alles zur Award Season auf fm4.orf.at/film

Und jetzt, wo wir die Golden Globe Preisträger wissen, haben sie auch schon ihren Zweck erfüllt: so können wir mit viel größerer Gewissheit erraten, wer wohl am Donnerstag für den Oscar nominiert wird! Oh Award Season, oh Du fröhliche.