Erstellt am: 11. 1. 2015 - 16:21 Uhr
Meine Moves sind interessanter als Du
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- Auch der geschätzte Wissenschafts- und Popjournalist Thomas Kramar macht sich in der Presse am Sonntag zum jeweils selben Song seine Gedanken.
Der Wunsch nach möglichst glaubwürdiger Verkörperung von Coolness und slicker Lässigkeit dominiert uns. Hauptsache, erhabene Teilnahmslosigkeit demonstrieren, die Nase rümpfen angesichts der ahnungslosen, ungezügelten Partymeute, die sich mal wieder gehen lässt. Wir haben den Song, den der DJ da spielt, doch schon vor fünf Jahren gepostet, die Musik, die hier läuft, erzählt uns nichts über unser Leben.
Mit solch einer dünkelhaften Haltung geht uns der Spaß flöten. Das komplett neue, gerade erst aus der Garage hervorgekrochene Duo Diet Cig ist mit seinem ersten und bislang einzigen Song dagegen. Gegen cool-hippes Schnöseldasein, für die Entgrenzung und den Fun, möglicherweise auch ohne Würde. Wer braucht sie schon, die Contenance, die Vernunft? In den Paradiesen des Eskapismus, in den Nachtclubs, auf den Tanzflächen, beim Rock'n'Roll-Konzert?
![© Diet Cig Diet Cig](../../v2static/storyimages/site/fm4/2015012/dietcig_body.jpg)
Diet Cig
Gitarristin und Sängerin Alex Luciano und Drummer Noah Bowman kennen sich von der Universität des Städtchens New Paltz im Bundesstaat New York, ein verschlafenes Kaff, das aufgrund des hohen Studentenaufkommens aber vor Kunst- und Musik-Projekten doch recht munter vibriert. Es gibt sie, eine "Szene" - dass das Geschwafel über Ideen, nicht realisierte Pläne, die Selbstprofilierungen als Top-Artiste oft ermüden können, sagt uns schon der Titel dieses putzigen, kleinen Songs von Diet Cig: "Scene Sick".
Es geht in dem Stück aber nicht um elitäre Abgrenzungsmanöver gegenüber von Für-Minder-Empfundenen, vielmehr um ein vor Leben sprühendes Bekenntnis zum Ausflippen, zur Freude und zur Körperlichkeit. Eine alte Geschichte, die beispielsweise auch The Rapture schon in ihrem Song "Whoo! Alright-Yeah..Uh Huh" besungen haben: "People don't dance no more / They just stand there like this / They cross their arms and stare you down / And drink and moan and diss", heißt es da.
In dem hyperminimalistischen Song "Scene Sick", Gitarre, Drums, Stimme, sonst nichts, läuft es ähnlich. "I'm sick of hearing about your scene / I'd rather talk about something more exciting", singt Alex Luciano, eben nicht boshaft oder kratzbürstig, vielmehr gut gelaunt und die positive Alternative im Blick. "I don't care, I don't care, I don't care", heißt es weiter, und schließlich, mit Überzeugung und Juckpulver im Schuh: "I Just Wanna Dance". "Come On Take My Hand, Fuck All Your Romance, I Just Wanna Dance!".
Eine knappe - nach bloß etwas über eineinhalb Minuten ist "Scene Sick" auch schon wieder vorbei - Geschichte, die bewusst vieles, den Ernst des Lebens, ausblendet und sich der Ekstase, gerne auch völlig eigennützig, hingibt. Einmal im Leben die erste Person auf dem Dancefloor gewesen sein.