Erstellt am: 11. 1. 2015 - 10:58 Uhr
Wie der Panda tickt
Song zum Sonntag - Panda Bear und Boys Latin
Panda Bear und der Sensenmann
Der "Grim Reaper" ist der Sensenmann. Muss man sich um den Panda Bären sorgen?
Dem Panda Bären geht es prächtig. Der Titel war nicht als Todesanzeige gedacht, dafür ist er doch auch viel zu überzeichnet. Der Sensenmann funktioniert vielmehr wie eine Comic-Figur. Er ist ein Gehilfe, der einen leichten Zugang zu schweren Themen ermöglicht. Das trifft auch den Charakter vieler Songs am neuen Album.
Christian Lehner
Es geht aber doch um eine Konfrontation?
Ich verstehe es eher als Teamwork. Viele Stücke handeln von dramatischen Veränderungen. Das sind dann jeweils kleine Tode, die dort stattfinden und schon sind wir wieder beim Titel.
Es könnte auch so eine Art Moby-Dick-Geschichte sein. Jedenfalls tragen einige Songs Namen, die darauf hinweisen.
Das stimmt. Ein Interlude heißt zum Beispiel "Davy Jone’s Locker". Es war nicht so geplant, aber am Ende habe ich gemerkt, dass das Album eine nautische Dimension hat. "He went down to Davy Jone’s Locker" bedeutet, dass jemand auf den Grund des Meeres gesunken ist. Diese Phrase ist ein Synonym für den Tod auf hoher See. Mir gefällt es im übertragenen Sinn, wenn man seine Gedanken auf den Grund des Ozeans sinken lässt. Das war auch ein Auftakt, denn viele der folgenden Stücke sind deep sea level.
Domino Rec
Wie drückt sich das musikalisch aus?
Der Sound klingt, als wäre er nass. Große, tropfende Räume finde ich als Klangbilder undwiderstehlich. Genau so hört sich für mich Dub an. Seit ich als Kind diese Musik kennengelernt habe, ist sie mir Ausgangspunkt und Ziel, auch wenn man das nicht immer so offensichtlich hört. Ich trage unheimlich gern Schicht um Schicht auf. Eine andere Konstante sind wirbelnde oder sprudelnde Sounds. Sie tragen mich förmlich fort. Da ensteht im Gehirn so ein prickelndes Gefühl. Ich versuche, diesen Wirbel in immer tiefere Regionen vordringen zu lassen und so die Synapsen zum Tanzen zu bringen. Das verschafft mir einen Kick.
Ist die Dub-Technik auch der Grund, warum du den Sound der Platte als "Suppe" bezeichnest hast?
Das Statement habe ich ganz am Anfang gemacht. Am neuen Album haben wir (gemeint ist Co-Producer Sonic Boom) im Studio zunächst sehr simpel begonnen. Dann ist es wieder mit mir durchgegangen und ich habe einmal mehr dick aufgetragen. Beim Mixing haben wir dann wieder fast alles entrümpelt und auf das Wesentliche runtergeschnitten. Ich wollte dann doch einmal etwas anderes ausprobieren.
Viele Stücke klingen weniger entrückt, verhüllt und introvertiert. Manchmal schlägt der Panda Bear richtig zu mit seiner Tatze. Das ist wohl eine Folge davon?
Ehrlich gesagt, ich hatte einfach die Nase voll von der Beschäftigung mit mir selbst. Irgendwann wird das einfach zum reinen Narzissmus. Ich wollte also so weit weg von der Introspektion wie möglich hin zu allgemeineren Aussagen. Vielleicht weil ich älter geworden bin, vielleicht weil ich jetzt Kinder habe. Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Das schlägt sich natürlich auch auf die Musik nieder.
Das Persönliche bleibt aber Ausgangspunkt, oder? Vor einigen Jahren hast du deinem Vater, der an Krebs gestorben ist, ein ganzes Album gewidmet (Young Prayer, 2004). Du engagierst dich in der Krebsforschung und ein Song, "The Tropic Of Cancer", beschäftigt sich erneut mit dem Thema.
Anhand dieses Songs lässt sich ganz gut erklären, was ich meine. Er beginnt mit einem sehr persönlichen Trauma, dem Tod meines Vaters, am Ende geht es aber um Krankheit im Allgemeinen. Ich konnte nur deshalb Frieden finden, weil ich die Perspektive wechselte und Krankheit als eine weitere Lebensform betrachtet habe, die, wie alles auf dieser Welt, auch nichts anderes macht, als versucht zu existieren.
Und trotzdem kommen diese Themen in der ein oder anderen Form immer wieder zurück. Das ist die typische Erfahrung des Erwachsen werdens - oder? Manchmal kommt man damit besser klar, manchmal nicht.
Wenn man jung ist, ist das alles so weit weg. Das Konzept der Veränglichkeit ist einfach nicht präsent. Und, klar, wenn du ein gewisses mittleres Alter erreicht hast, hat man manchmal schon einen Elternteil verloren. Todesfälle im Bekanntenkreis häufen sich, der eigene Körper sendet bestimmte Signale. Man wird zwangsläufig mit der Endlichkeit konfrontiert und das nicht nur auf einer abstrakten, philosophischen Ebene. It becomes a real concern. Und schon steht er wieder auf der Matte, der Grim Reaper vom Albumtitel.
Christian Lehner
Schlägt sich das auch auf dein Kunstverständnis nieder?
Absolut! Man hinterfragt die eigenen Dogmen. Wenn man experimentelle Musik macht, möchte man in der Regel Neuland betreten, Dinge anders machen, als es die Konvention vorschreibt. Am neuen Album habe ich bei den Drums auf alte Drum Breaks zurückgegriffen, wie sie im Old Skool Hip Hop verwendet wurden. Sonic Boom und ich haben sie dann auch tatsächlich genau so verwendet, wie sie es damals gemacht haben. So etwas hätte ich vor einigen Jahren noch nicht gemacht. Sicher auch aus einer gewissen Arroganz heraus. Ich hätte das als unkreativ und klischeehaft empfunden.
Mit dem Animal Collective und Panda Bear hast du etwas mitbegründet, das sogar noch größere Kreise gezogen hat als die Musik. Ich rede von der tierischen Ästhetik, von Masken, Kostümen usw., eine Art fantastischer Naturalismus, der nach 9/11 von Brooklyn aus zunächst die Indie-Welt durchdrungen hat, mittlerweile aber längst in den Mainstream eingesickert ist. Einer der aktuell erfolgreichsten Popmusiker Deutschlands trägt zum Beispiel eine Panda-Maske.
Ha! Das wusste ich nicht! Ich glaube, es geht dabei um das Potential von Musik, unsere Körper und das Bewusstsein in andere Zustände zu versetzen. Man kann etwas anderes werden, jemand anderes sein. Für diesen Transformationsprozess stehen die Masken. Eine zweite Komponente ist, dass wir als Musiker nicht zu viel darüber nachdenken, ob etwas gut ist oder nicht. Wir folgen vielmehr unseren Instinkten, so wie all die Viecher rund um uns.