Erstellt am: 9. 1. 2015 - 17:48 Uhr
§188 StGB - "Herabwürdigung religiöser Lehren"
„Wir sind etwas weniger wagemutig als die Franzosen, wir haben auch eine andere Kultur der Blasphemie – nicht zuletzt aufgrund der verfassungsmäßigen Situation“, das sagte Armin Thurnher von der Wiener Wochenzeitung Der Falter über Religionskritik und diesbezüglich heikle Karikaturen in Österreich gestern zur ZiB. Und meinte damit auch den §188 des Strafgesetzbuches. Denn dort steht:
„Wer öffentlich eine Person oder eine Sache, die den Gegenstand der Verehrung einer im Inland bestehenden Kirche oder Religionsgesellschaft bildet, oder eine Glaubenslehre, einen gesetzlich zulässigen Brauch oder eine gesetzlich zulässige Einrichtung einer solchen Kirche oder Religionsgesellschaft unter Umständen herabwürdigt oder verspottet, unter denen sein Verhalten geeignet ist, berechtigtes Ärgernis zu erregen, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.“
Der letzte bekannte Fall war der Karikaturist Gerhard Haderer. Für sein Comic-Buch „Das Leben des Jesus“ wurde er 2002 nach diesem oft „Blasphemie-Paragraf“ genannten Gesetz angezeigt. 2003 stellte die Staatsanwaltschaft Wien das Verfahren wieder ein. Doch was soll diese Rechtsnorm denn genau wovor schützen? Helmut Fuchs, Professor für Strafrecht an Uni Wien sagt dazu folgendes:
„Geschützt wird nicht die Religion unmittelbar, sondern der religiöse Frieden zwischen den Menschen. Und es ist nicht die Kritik oder die Satire verboten, sondern das Verspotten, das Herabwürdigen, im Sinne von Missachtung ausdrücken und verspotten.“
Bildzitat aus Grabenwarter/Pabel "Europäische Menschenrechtskonvention"
In anderen Ländern, etwa auch in Frankreich, gibt es solche Gesetze allerdings gar nicht. Manche Kritiker behaupten auch deshalb, dass die Trennung von Staat und Religion in diesen Ländern viel weiter sei als bei uns. Einer derjenigen, denen der §188 StGB ein Dorn im Auge ist, ist der NEOS Abgeordnete Niko Alm. Er meint:
„Das Problem mit diesem Gesetz ist, dass es gegen die Meinungsfreiheit an sich steht. Es gibt keinen nachvollziehbaren Grund warum Religion im Rahmen der Meinungsfreiheit anders behandelt werden soll, als andere gesellschaftliche Phänomene wie Sport, Politik, Kunst oder Kultur. Dass man hier mit zweierlei Maß misst, ist einfach nicht demokratisch.“
Diesen Vorwurf will Professor Fuchs nicht so stehen lassen: „Religion hat eben eine Sonderstellung. Wenn aber aus der Religion eine Ideologie erwachsen würde, es also um politische Umsetzung statt religiöser Lehre ginge, oder statt um verehrte Personen wie Jesus oder Mohammed, dann wäre es durch das Strafrecht auch nicht geschützt.“
Während vereinzelte Abgeordnete wie Alm, aber auch der Justizsprecher der Grünen, Albert Steinhauser, das Gesetz reformieren oder abschaffen wollen, möchte etwa die ÖVP, die sich ja gern christlich-sozial nennt, im Moment gar nicht Stellung nehmen. Derzeit läuft eine Arbeitsgruppe zur Strafrechtsreform, und hier will man abwarten. Auch unter Juristen ist man sich nicht mal einig, ob der Paragraf nicht gar verfassungsrechtlich geboten ist. Niko Alm von den NEOS ist jedenfalls pessimistisch, was eine Änderung betrifft. Die einzige Chance sieht er, dass im Zuge der Strafrechtsreform auch dieser Paragraf zur Debatte steht.
Bis auf weiteres bleibt es also in Österreich verboten, etwa dem muslimischen Propheten Mohammed in einem Seminarvortrag eine pädophile Neigung zu unterstellen. So hat in diesem Fall der Oberste Gerichtshof vor einem Jahr eine Geldstrafe bestätigt.