Erstellt am: 11. 1. 2015 - 12:49 Uhr
Wien aus Blöcken
Minecraft ist mittlerweile - neben den Serien "Flight Simulator" und "Die Sims" - unter den Top drei der meistverkauften Computerspiele aller Zeiten. Einer der Gründe für den Erfolg des schwedischen Sandbox-Spiels ist seine Vielseitigkeit. Denn je nach Geschmack kann man Minecraft wahlweise als Zombie-Survival-Spektakel, als PvP-Schlacht, als unendlich großes Set von Bausteinen und auf viele Arten mehr spielen. Diese Vielseitigkeit sowie die Offenheit der ursprünglichen Gamedesigner für Modifikationen durch Fans haben zu einer der kreativsten Spielercommunities der Welt - und damit zum riesigen Erfolg - geführt. Überall auf der Welt gibt es Menschen, die sich zusammenschließen, um gemeinsam auf verschiedenste Art ihr eigenes Spiel zu kreieren, indem sie Welten bauen, aber auch indem sie Minecraft mit eigenen Texturen, mit verbesserter Server-Software, mit neuen Sounds oder völlig neuen Spielregeln ausstatten.
MC Vienna
Ein überaus kreatives Projekt aus Österreich heißt MC Vienna. Ein kleines Team hat sich vorgenommen, die Stadt Wien maßstabgetreu in Minecraft nachzubauen. Begonnen hat das Projekt mit einer Idee, die man ruhig als ein bisschen megaloman bezeichnen kann: Harald wollte auf seinem eigenen Minecraft-Server ganz Europa nachbauen. Nach kurzer Zeit, erzählt der Schüler, trat die Ernüchterung ein, dass das vielleicht doch eine Nummer zu groß ist - aber genau in diesem Moment betrat ein anderer Spieler seinen Server, erzählt Harald: "Er hat gesagt, dass er Wien nachbaut, und ich sagte mir: Noch so einer, der ein Hirngespinst hat. Dann hat er mir Bilder geschickt, und ich dachte: Das sieht richtig gut aus."
MC Vienna
Der andere Spieler war Stefan. Seine Liebe zum Häuser bauen begann schon, als er ein Kind war - mit Legosteinen. Heute studiert Stefan Bauingenieurwesen. "Es gibt viele Architektur- und Bauingenieur-Studenten, die Minecraft spielen. Denn es ist sehr ähnlich zu dem, was man beruflich macht - bietet aber doch viel mehr Freiheiten. Ich könnte in Minecraft einfach eine tausend Kilometer lange Brücke bauen, die einen Meter hoch ist, und es würde funktionieren. Im realen Leben würde das nicht gehen."
MC Vienna
Auf der Livemap von MC Vienna kann man den Fortschritt des Projekts betrachten.
Der Student Stefan und der Server-Administrator Harald schlossen sich also zusammen. Mittlerweile ist das Team auf sechs junge Menschen angewachsen. Die Arbeit geht trotzdem nur langsam voran, weil sich die Gruppe für Bauwerke wie Stephansdom oder Rathaus jeweils mehrere Wochen Zeit nimmt. Deshalb sind bisher nur Teile der Innenstadt Wiens fertiggestellt. Man kann den Stephansdom bewundern, auf der Ringstraße entlang gehen, zur Urania und ins Badeschiff gehen. Am Donaukanal gibt es ein "Puber"-Graffiti. All das wirkt sehr liebevoll gestaltet.
Vor kurzem ging Wien Kanal, also die Behörde die für die Kanalisation der Stadt zuständig ist, eine Kooperation mit "MC Vienna" ein. "Sie wollen, dass wir zusammen mit ihnen Teile des Kanalnetzes nachbauen", erzählt Stefan. "Und zwar jene Teile, die man aus dem Film 'Der Dritte Mann' kennt und die auch im Rahmen der Dritte-Mann-Tour besuchbar sind." Die Kooperation soll auch auf der nächsten Game City im Rathaus zusammen von Wien Kanal und MC Vienna präsentiert werden.
MC Vienna
Ebenfalls unterirdisch wird das gesamte U-Bahn-Netz Wiens nachgebildet: "U-Bahnen sind relativ leicht zu bauen", sagt Harald. "Es gibt in Minecraft sogenannte Minecarts, das sind kleine Wägen, in die man sich setzen und in denen man dann auf Schienen fahren kann." Auch Teile des Straßenbahn-Netzes sollen nachgebaut werden. Auf Autobusse müsse man leider verzichten, so Harald, da es in Minecraft keine schienenlosen Fahrzeuge gibt.
MC Vienna
Oft muss also improvisiert werden. Doch der Reiz von Minecraft liegt ja gerade darin, dass man mit den beschränkten Mitteln eines Spiels kreativ ist. Um schneller voranzukommen, benützt das Team auch Third-Party-Tools, z.B. MC Edit, ein Plugin, mit dem man auch hunderte Blöcke auf einmal in die Welt setzen kann. Das sei vor allem praktisch beim Straßenbau, sagt Stefan. Und was sagen eigentlich Freunde, die nicht Minecraft spielen, zum Projekt MC Vienna? "Es sagen auch die Leute, die Minecraft spielen, dass wir wahnsinnig sind", meint Stefan. "Deswegen fragen wir die anderen gar nicht."
Wer sich jetzt für das Wahnsinnsprojekt interessiert, kann sich gleich ohne Registrierung einloggen - die Adresse des Servers findet man auf der Website von MC Vienna. Nach dem Einloggen im Spiel empfiehlt es sich, einfach gemütlich in der Innenstadt spazierenzugehen und mit den Teilnehmern zu chatten. Wer Harald und Stefan seine Baukünste demonstrieren kann, wird auch gern ins Team von MC Vienna aufgenommen.