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Chrissi WilkensAthen

Journalistin in Griechenland

9. 1. 2015 - 18:28

Ohne Kreide

Wegen der heftigen Einschnitte in ihr Budget haben die Universitäten in Griechenland zu wenig Geld - und wegen der Entlassungen und Auswanderung von Akademikern zu wenig Personal.

Zu viele Studierende treffen auf ein zu geringes Angebot – denn es gibt immer mehr Studenten an den Universitäten in der griechischen Hauptstadt. Nicht zuletzt, um Wohnkosten zu sparen und bei den Eltern wohnen zu können. Dekane warnen davor, dass ohne zusätzliche finanzielle Mittel der Unibetrieb nicht weiterlaufen kann.

Während gerade wieder über einen Grexit, also einen Austritt Griechenlands aus der Eurozone, debattiert wird (falls die Regierung, die nach den vorgezogenen Wahlen am 25. Januar an die Macht kommt nämlich den Sparkurs nicht fortsetzt), zeigt die Situation an den griechischen Universitäten, wie hart dieser Sparkurs wichtige Bereiche trifft.

Pantelis Ratsas ist im vierten Jahr Student an der Elektrotechnischen Fakultät des Polytechnikums Athens und ist sehr besorgt über die Lage in seiner Fakultät. Manche Vorlesungen, die früher fünf- bis sechsmal im Semester stattfanden, finden nun ein- oder zweimal im Semester statt. "Das bedeutet, dass sie bald ganz abgeschafft werden", sagt er. Der 21-Jährige ist Mitglied einer linken Gruppierung und auch aktiv im Studentenverband seiner Fakultät. Er kommt gerade aus einer Generalversammlung der Studenten. Unter anderem wurde über die repressiven Maßnahmen der Polizei diskutiert.

Studentenproteste in Griechenland

APA/EPA/PANTELIS SAITAS

Immer wieder griff die Polizei vergangenen Dezember die Studenten mit Gewalt an, als sie wegen der Lage an den Universitäten wochenlang protestierten. Dabei verlangen sie das Selbstverständliche. "Laut Professoren ist das Polytechnikum ab etwa 1000 Angestellten funktionsfähig. Voriges Jahr waren es 850 und jetzt ca. 500. Meine Schule hat um die 2000 Studenten und noch 900-1000 weitere, die Aufbaustudien machen. Für all diese Studierenden gibt es nur drei Sekretärinnen. Es ist offensichtlich, dass man die öffentlichen, kostenlosen Hochschulen abschaffen will“, so Pantelis.

Faidonas Panagiotopoulos, ein 24-jähriger Student in der Fakultät der Schiffbauingenieure, macht eine Pause im Hof. Faidonas ist hochrangiges Mitglied der konservativen Studentenpartei DAP-NDFK, die seit Jahren die stärkste Partei an den Hochschulen Griechenlands ist. Auch er ist besorgt über die Situation an seiner Hochschule. Insbesondere über den großen Andrang von Studenten, die aus finanziellen Gründen an die Universitäten der griechischen Hauptstadt oder anderen zentralen Universitäten wechseln. Um bei den Eltern wohnen zu können, sind viele an die Unis ihrer Heimatstadt gewechselt.

In Griechenland müsse dringend ein konstruktiver Dialog über die Lage an den Hochschulen beginnen, sagt er. "Wir sollten aufhören, einfach wegzuschauen. Weil die Situation dort sehr problematisch ist. Die Universitäten bluten. Dies ist seit Jahren der Fall. Aber jetzt mit der Wirtschaftskrise ist es noch schlimmer geworden."

Ein paar Meter weiter, in einem großen Hörsaal, bereitet sich Professor Gerasimos Spathis auf eine Vorlesung vor. Vor ein paar Jahren war er stellvertretender Dekan am Polytechnikum. Heute ist er Vorstandsmitglied des Panhellenischen Verbands der Vereinigungen von Lehr- und Forschungspersonal der Universitäten (POSDEP). Die Bedingungen, unter denen heute die Professoren unterrichten müssen, seien sehr schwierig, betont er. Durch den Schuldenschnitt, der im Jahr 2012 in Griechenland stattgefunden hat, wurden wichtige Reserven der Hochschulen in Griechenland von einem Tag auf den anderen stark reduziert.

"Wenn die Kopierer kaputt gehen, haben wir kein Geld, um sie zu reparieren - geschweige denn, neue zu kaufen. Manchmal haben wir nicht einmal Kreide, um an der Tafel zu schreiben. Der Alltag hier ist dramatisch."

Überdies müssen er und andere Professoren nun auch Themengebiete unterrichten, die gar nicht zu ihrem Lehrbereich gehören - weil andere Kollegen entlassen wurden, oder im Ausland einen besseren Lehrstuhl gefunden haben. Und dies, während die Zahl der Studierenden sich in Athen wie in anderen zentralen Universitäten drastisch erhöhte. Der Arbeitsaufwand habe sich für das Lehrpersonal verdoppelt, erklärt Professor Spathis. "Laut Gesetz dürfen wir nur sechs Stunden wöchentlich unterrichten. Jetzt aber unterrichten wir mehr als 12 Stunden. Akademiker übernehmen Themenbereiche auf die sie gar nicht spezialisiert sind. Einige Themenbereiche können gar nicht mehr unterrichtet werden, und werden somit aus dem Studienplan gestrichen, mit all dem was dies für die Qualität des Studiums bedeutet".

Seit 2009, als die Krise ausbrach, sind die Budgets der Hochschulen bis zu 40 Prozent reduziert worden und das Gehalt des Lehrpersonals beträgt rund 30 Prozent weniger. Sokratis Katsikas, dem Präsidenten des Nationalen Rates für Bildung, der zum Bildungsministerium gehört und eine beratende Rolle hat, bereitet allerdings am meisten Sorge, dass die akademische Elite Griechenlands auswandert: "Die Wissenschaftler verlassen das Land, und wenn es irgendwann wieder hier aufwärts gehen wird - was bestimmt der Fall sein wird - und wir sie brauchen, werden sie nicht mehr da sein."