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8. 1. 2015 - 14:03

Gerhard Haderer zu "Charlie Hebdo"

Der österreichische Satiriker zeigt sich nach dem Anschlag in Paris fassungslos: "Es kann nicht sein, dass Religionsgruppierungen mit Tabus belegt werden"

Gerhard Haderer macht keine Mohammed-Karikaturen. "Ich kann mich nur zu Themen äußern, die ich auch verstanden habe", sagte er einmal. FM4 hat Gerhard Haderer am Tag nach dem Anschlag in Paris zum Interview eingeladen.

Was war Ihre erste Reaktion gestern?

Gerhard Haderer: Bestürzung. Ich kanns nicht anders sagen. Wie es eben ist, wenn Freunde ums Leben kommen.

Gerhard Haderer

APA/RUBRA

Karikaturist Gerhard Haderer anl. der Presseführung zur Ausstellung "NextComic: Gerhard Haderer", 2011

Für den Anschlag wird ein islamistischer Hintergrund vermutet. Sie standen selbst auch schon in der Kritik. Einige christliche Vertreter wollten Ihr Buch "Das Leben des Jesus" am liebsten verbieten lassen. Was macht gerade die Religion für Satiriker so reizvoll?

Haderer: Religion ist ein Thema wie viele andere auch. Es kann nicht sein, dass Religionsgruppierungen mit Tabus belegt werden. Man muss sich mit auch mit diesen Entwicklungen beschäftigen dürfen. Das ist sogar Teil unserer Vereinbarung in einer demokratischen Gesellschaft: Das Recht der Freiheit des Wortes und der Kunst.

In Österreich ist die so genannte "Herabwürdigung religiöser Lehren" laut Gesetz verboten. In Frankreich gibt es so ein Gesetz nicht. Wenn Sie sich hinsetzen: haben Sie da dieses Gesetz im Hinterkopf, oder zeichnet man als Künstler einfach drauf los?

Haderer: Ich habe mit diesen Gesetzen natürlich viel zu tun. (lacht) Wenn vor 250 Jahren die Aufklärer in Frankreich - und über dieses Land reden wir ja jetzt - damals diese Tabus akzeptiert hätten, dann würden heute noch die Scheiterhaufen brennen. Zu den liberalen Formen des Umgangs gehört auch, dass die Künstler immer an die Grenzen gehen dürfen. Man muss nicht einverstanden sein mit ihnen, man kann sie kritisieren, ablehnen. Aber den Dialog darf man sich nicht wegnehmen lassen. Auch nicht durch schreckliche Ereignisse, wie sie gestern passiert sind.

Abschließend vielleicht eine persönliche Frage. Als Sie die Nachricht von den Morden in Paris mitbekommen haben, hat sich damit für Sie etwas verändert?

Haderer: Absolut. Es gibt eine Zeit davor und eine Zeit danach. Das war zum letzten Mal bei den Twin Tower Anschlägen so. Man hat gewusst: Man muss sich einer Diskussion stellen, die in Radikalisierung ausartet. Die Ereignisse gestern sind ja ein Geschenk an Marine Le Pen oder an H.C. Strache. Wir müssen jetzt dafür sorgen, dass die vernünftigen Köpfe besonnene Töne von sich geben. Es darf nicht darum gehen, Fronten gegeneinander aufzubauen.