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Robert Glashüttner

Videospielkultur, digital geprägte Lebenswelten.

6. 1. 2015 - 06:00

◯ - X - △ - ◻

Die Playstation hat Videospiele über Nacht cool gemacht. Vor 20 Jahren ist die Ur-Version der japanischen Spielkonsole erschienen. Wie war ihr Einfluss auf die Gameskultur?

Ein First-World-Problem meiner Jugend war, dass ich ein Super Nintendo wollte, aber ein Mega Drive bekommen habe. Das wäre das erwachsene Gerät, so meine Mutter, und passe besser zu einem 14-jährigen. Warum? Weil die Konsole schwarz und nicht kindlich-bunt war. Dabei wollte ich doch "Super Mario World" spielen. Natürlich habe ich mir damals keine Gedanken über Distinktionsfragen gemacht, doch gesellschaftlich gesehen hatte meine Mutter den richtigen Riecher. Videospiele waren Mitte der 90er Jahre an einem Punkt angelangt, wo die 8- und 16-Bit-Grafik der damaligen Games nicht nur technisch weitgehend überholt, sondern wo auch eine gewisse Ermattung zu spüren war. Interaktive Spiele galten für den Großteil der Menschen als Kinderkram, doch es gab noch keine überzeugenden Spiele oder Geräte, die sie umstimmen hätten können. Da konnte auch das schick-schwarze Mega Drive nichts daran ändern.

Sonys Rache

Anfang der 90er Jahre hat die CD-ROM als neuer Datenträger sowohl auf Computern als auch Konsolen für neue Aufbruchsstimmung gesorgt. Doch wie bei jeder medialen Frühphase wussten die Spielemacher noch nicht so recht, was sie mit dem vielen neuen Speicherplatz (650 Megabytes!) anfangen sollten, und die Gerätehersteller hatten auch noch keinen rechten Plan. Die etablierten Platzhirsche Sega und Nintendo versuchten sich in halbherzigen CD-ROM-Erweiterungen ihrer Konsolen. Das Exotengerät 3DO hatte zwar gute Ideen, konnte diese aber nicht annähernd in die Realität umsetzen.

Unterhaltungselektronikkonzerne wie Sony waren allerdings zu jener Zeit gefragt, denn ihre Technologie war ab sofort notwendig, weil die entsprechenden Laufwerke in die neuen Spielkonsolen eingebaut werden mussten. Nintendo wollte 1991 mit Sony zusammenarbeiten, hat dann aber recht schnell einen Rückzieher gemacht. Für Sony ein Affront - und die Grundlage für das, was gut drei Jahre später als Playstation auf den japanischen und 1995 in den USA und Europa auf den Markt gekommen ist.

Die originale Playstation in unterschiedlichen Grautönen.

Sony

Mit der CD-ROM alleine war es nicht getan. Die Playstation sollte ein komplett neuer Aufbruch werden, eine Abgrenzung von dem, was bisher visuell und spielerisch bei Videospielen üblich war. Weil Sony frisch in den Konsolenmarkt eingestiegen war und keine Altlasten mitbrachte, musste man sich nicht für ein maues Hybridgerät (wie etwa das Sega Mega-CD) entscheiden. Es ging nur ums Hier und Jetzt - und natürlich um die Zukunft. Playstation, das bedeutete 3-D-Grafik, digitalisierte Musik und viel Rambazamba: Zu den ersten Titeln für Sonys Ur-Konsole gehörten vor allem Rennspiele ("Ridge Racer", "Wipeout", "Destruction Derby"), Fighting Games ("Tekken", "Battle Arena Toshinden") und Action-Adventures ("Tomb Raider", "Metal Gear Solid").

Sony hatte kaum Erfahrung mit Softwareentwicklung, doch das machte nichts. Man traute dem Konzern zu, ein technisch mehr als solides Gerät zu entwickeln, und auch hinsichtlich Produktion und Vertrieb war Sony bestens aufgestellt. Die Playstation war einfach zu programmieren und hat durch ihre Spezifikationen die meisten Entwicklerfirmen von Anfang an begeistert. An Software hat es dementsprechend nie gemangelt - übrigens ein Umstand, der sich auch in der weiteren Entwicklung der Playstation-Geschichte fortsetzen sollte.

Ein Bildschirmfoto aus "Battle Arena Toshinden": Zwei Fighter während eines Kampfes.

Takara / SCEA

"Battle Arena Toshinden"

Games for grown-ups

Der größte Coup bei der Geburt der Playstation war jedoch das Marketing. Das Vertrauen in das eigene Gerät und der starke Antrieb, Nintendo und der gesamten damaligen Gamesbranche die Stirn zu bieten, war so groß, das für Zweifel und Zurückhaltung kein Platz war.

Die Playstation wurde von Anfang an nicht als neue Spielkonsole, sondern als Teil eines modernen, jungen Lifestyles verkauft, der von urbaner Hippness, vielseitigem Popkulturkonsum und einem ausgewogenem Sozialleben geprägt war. Vom solitären Nerd war weit und breit keine Spur, im Gegenteil: Sony hat mit der Vermarktung der Playstation den bis heute unerreichten Spagat vollbracht, Fortgehkultur und Clubleben mit Videospielen zu verbinden. In Europa wurde die Konsole als etwas gezeigt, das im Grunde nichts mit dem zu tun hat, was man bisher unter Gaming verstanden hat. "Playstation spielen" war lange Zeit über eine eigene Freizeitbeschäftigung, bei der man kaum Sorgen haben musste, dass jemand darüber sein Näschen rümpft. Bis heute werden in Serien oder Filmen, wo coole Dudes und Dudettes mit jeder Menge Alkohol und Rauchwaren in irgendeiner Bude bei irgendeiner Party abhängen, Playstation-Controller geschwungen. Man stelle sich die selbe Szene mit ein paar Wiimotes vor.

Vor den Indies

Sieht man sich heute den vielseitigen Katalog an Spielen für die originale Playstation an, ist nicht alles davon gut gealtert. Obwohl die heute oft als low poly bezeichnete 3-D-Grafik mit einer geringen Polygonanzahl als immer schicker gilt, sind lange Ladezeiten, hakelige Steuerung und schlechte Kamerapositionen vieler alter Playstation-Spiele gute Gründe, sie heute nicht mehr auszuprobieren. Neben Klassikern wie "Tomb Raider" oder "Tekken" hat die erste Sony-Konsole aber auch viel Ungewöhnliches und Experimentelles hervorgebracht. Lange, bevor es den Begriff des Indiespiels gab, der nicht nur eine finanziell unabhängige Spieleentwicklung sondern vor allem eine stilistische Andersheit kennzeichnet, war die Playstation ein Ort für so manche Kuriosität. Der japanische Musiker Masaya Matsuura etwa war von dem Gerät so begeistert, dass er zum Spieledesigner wurde und Titel wie "Parappa The Rapper" entwickelt hat, die nebenbei das Genre des Musikspiels mitbegründet haben. "LSD: Dream Emulator" wiederum passte in die ausklingende Zeit der Raves Ende der 90er Jahre, und Puzzle-Games wie "Devil Dice" oder "I.Q.: Intelligent Qube" waren der Beweis, dass 3-D auch in Denkspielen ein Gewinn sein kann.

Ein Bildschirmfoto aus "Devil Dice": Ein kleines Cartoon-Wesen springt auf bunten Würfeln herum.

THQ / SCEI

"Devil Dice"

20 Jahre Playstation: Lustvolles Wühlen im Backkatalog

Bis heute hat sich am Design der Playstation-Serie äußerlich wenig verändert. Die Konsolen sind weitgehend funktionelle, schwarze Boxen - nur das graue Original mit dem top loader (die Disc wird oben eingelegt) sticht im Vergleich mit den Nachfolgern hervor. Auch der Controller mit den legendären Tasten ◯ - X - △ - ◻ ist im Wesentlichen gleich geblieben.

Von der Aufbruchstimmung von 1994 bis 1998 und den starken Unterscheidungsmerkmalen zu anderen Computer- und Videospielsystemen ist heute allerdings nicht mehr viel übrig. Wo sich die PS2 noch mit hunderten Exklusivtiteln schmücken konnte, ist diese Vorherrschaft danach - trotz solider Marktstellung - stetig gesunken. Mit der ewigen Ausnahme Nintendo sind Spielkonsolen - sowohl mobile Versionen (Playstation Portable seit 2004, Playstation Vita seit 2012) als auch Standgeräte - gegenwärtig immer schwerer von Heimcomputern zu unterscheiden. Umso abwechslungsreicher ist es, sich mit der reichhaltigen Geschichte von Playstation und dem mehr als umfangreichen Backkatalog an Spielen zu beschäftigen.

Verlosung!

Die Playstation 4 in der "20th Anniverary Edition" in hellgrau und schwarz.

Sony

Wir haben am Dienstag, 6.1., in Connected eine limitierte Playstation 4 im "20th Anniversary Edition"-Design verlost. Rainer Sigl und ich waren bei Esther Csapo zu Gast, plauderten über Playstation und suchten in Form eines Quizzes nach einer würdigen Besitzerin bzw. einem würdigen Besitzer für das edle Teil. Arno und Nik haben sich dem Wagnis gestellt, und Arno hat während eines Gleichstands dem Geburtstagskind Nik den Gewinn zugesprochen. Eine schöne Tat, Arno! Einen Preis in Form eines Spiels gibt's für dich natürlich trotzdem, und die Anniversary-PS4 wird Niks 30. Geburtstag veredeln.