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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

5. 1. 2015 - 15:41

The daily Blumenau. Monday Edition, 05-01-15.

Kurt Kuch, das Rauchen und der Missbrauch.

The daily blumenau hat im Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst. Und bietet Einträge zu diesen Themenfeldern.

#medienpolitik #gesundheitspolitik

Kurt Kuch, einer nur einer Handvoll vorbildlicher Investigativ-Journalisten des Landes ist gestorben. Das tut der Branche weh, sehr sogar.

Nun wird Kuchs Tod, ganz dem klassischen Trauerbewältigungsdenken der Menschen entsprechend, dazu benutzt eine Hinterlassenschaft aufzubauen. In Kuchs Fall ist das der Kampf gegen's Rauchen, das sein Sterben verursacht hat.

Das ist nun ein schwieriges Feld.
Rauchen ist kein Autounfall, sondern ein bewusst gesetzter Akt zum Zwecke des Distinktionsgewinns. Man raucht, um einem damit verbundenen Lebensstil Ausdruck zu verleihen. Der soziale Druck in bestimmten Peer-Groups mag ein zusätzlicher Faktor sein, das Suchtpotential wird unterschätzt, aber: letztlich raucht niemand, der nicht will. Rauchen ist vielleicht der letzte (außerkörperliche) Hort der Selbstbestimmung in einer reglementierten Konsum-Gesellschaft.

Die Kämpfe um die gesundheitspolitischen, von der EU durchgeboxten neuen Standards des Nichtraucherschutzes - zu dem die Einschränkung des öffentlichen Rauchens gehört; privat kann eh jede/r pofeln soviel er/sie will - waren/sind im Österreich besonders heftig, der Widerstand recht aussagekräftig für die Bedeutung, die der Tschickerei hierzulande in breiten Kreisen zugestanden wird. Da ist verdächtig oft von einer Freiheit die Rede, die weit über die des Marlboro-Manns (und der war immerhin Cowboy) hinausgeht.

Einer solchen, höchst kampagnenbereit organisierten Lobby-Bewegung lässt sich nur mit einer Gegen-Kampagne begegnen, die a) ebenso emotional daherkommt, im Optimalfall auf Fakten völlig verzichtet und b) aus dem Inland stammt, am besten von Ex-Rauchern initiiert ist. Damit umgeht man des heimischen Wutbürgers Unwillen mit Tatsachen, die nicht in sein kleingeistiges Weltbild passen, konfrontiert zu werden und auch gleich den Anti-EU-Holzhammer.

Insofern kommt Kuchs Don't SmokeInitiative recht und sein Tod einigen noch viel rechter. Denn es ist wohl kein Zufall, dass sich z.B. dieses Massenblatt genau jetzt, nur wenige Stunden nach Kuchs Ableben vollmundig auf das Thema draufsetzt.

Zum einen ist der Tod gerade in Österreich ein hochbeliebter Glorifizierer; er versteht sich auf die hohe Kunst des Glamouring. Zum zweiten ist es für Medien-Kampagnen ein unschätzbarer Vorteil, wenn der Initiator einer Sache nicht mehr da ist, um Auswüchse, absurde Interpretationen und Missbrauch geradezurücken. Ein toter Leader ist einer, der nicht widersprechen kann. Die großen Weltreligionen etwa verfahren gerne und höchst erfolgreich nach diesem Prinzip.

So gut und richtig die Don't Smoke- Forderungen sind - spätestens bei den Andockpunkten in die politische Realität beginnt es zu haken.

Abgabe-Beschränkungen, Altersgrenzen etc sind zu Umgehung reizende Maßnahmen, und Präventionsprogramme, die sicher Vieles, aber dem Lässigen das Lässigsein definitiv nicht nehmen können, sind nicht mehr als ein alljahrzehntliches Abhaken einer gesundheitspolitischen To-Do-List.

Zudem ist Rauchen ein schichtendurchdringendes Phänomen, durch herkömmliche Kampagnen ist die Zielgruppe kaum zu erwischen.
Der viel mehr Tote fordernde Sektor der Herz/Kreislauferkrankungen, der seine Hauptursachen in ungesunder Ernährung und unregelmäßiger Bewegung hat, ist viel eher ein (Unter-)Schichten-Phänomen (nicht nur wegen der besseren Bewusstseins, höheren Mitteln sondern auch der besseren ärztlichen Betreuung; das alles spielt im Fall des Raucher-Tumors keine Rolle). Hier könnte man seriöse Maßnahmen (Produkt-Qualitäts-Kontrolle, verpflichtenden Unterricht etc.) einziehen, um die letale Statistik effektiv zu verbessern.

Aber darum (um echte Maßnahmen gegen sinnlos frühes Sterben, um eine effektive Verbesserung der Lebensqualität, um verbesserte Lebensmittel etc.) geht es nicht.
Es geht - wie beim Rauchen, welch' Koinzidenz - um den schnellen Kick.

Populistische Medien brauchen Aufmerksamkeit und flotte Reize.
Wie ihre Partner in der Populismus-Politik.

Und weil es so selten vorkommt, dass Medien und Politiker gemeinsam einer Verwertungslogik folgen, wird die Tränendruse auch so schön gedrückt.
Im Wissen, dass man eine Anpassung an die EU-Normen (öffentliches Rauchverbot) eh nicht (mehr lange) umgehen kann, wird das Kuch-Vermächtnis dafür missbraucht, eine Selbstverständlichkeit als Erfolg zu verkaufen. Im Wissen, dass auch die 80. Schul-Kampagne "Fangts bloss ned zum Rauchen an, Kinder!" auch wieder einen gegen Null gehenden Impact haben wird, erfüllt man auch hier seine Gangaufsichtspflicht.

Fertig.
Und in Wahrheit ist nix passiert.
Vielleicht ist Forderung 3 der Dontsmoker ja die Praktikabelste: zweckgebundene Tabaksteuererhöhung zugunsten besserer Aufklärung jenseits von fahriger Jugend-Anmache. Dafür reicht aber das, was die neue Medien-Kampagne aktuell vorsieht, nicht aus; da ist dann echte Lobby-Wühlarbeit nötig, die wiederum politischen Gestaltungswillen voraussetzt.

Eine medial g'schwind gesetzte, noch so gut gemeinte Hinterlassenschafts-Kampagne kann genau das nicht leisten.