Erstellt am: 5. 1. 2015 - 21:00 Uhr
"Ich kann Sie auch nicht leiden, Herr Schüssel"
Die Legislaturperiode der Regierung wird von vier auf fünf Jahre verlängert und diese Veränderung der Verfassung geht am Großteil der österreichischen Bevölkerung vorbei wie eine kleine Wolkenfront.
"Die Leute haben keinen Bezug zu ihrer Verfassung. Sie wissen nicht, was drinnen steht. Sie wissen nicht, welche Rechte sie als Bürger haben. Sie scheren sich somit auch nichts, wenn die Verfassung, die die Grundlage für diese Demokratie ist, verändert, verwässert oder missbraucht wird.", sagt Anneliese Rohrer dazu.
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Braumüller
Buchtipp: "Ende des Gehorsams" von Anneliese Rohrer erschienen bei Braumüller, 2011.
Anneliese Rohrer regt es auf, dass die ÖsterreicherInnen solche Demokratiemuffel sind. Es regt sie auf, weil sie ein Leben lang über Politik geschrieben hat, um PolitikerInnen auf die Finger zu schauen. "Es ist eine wichtige Funktion der Medien, aufzupassen, dass PolitikerInnen die Bevölkerung nicht für dumm verkaufen." Aber sind es nicht oft die Medien, die die Menschen für dumm verkaufen? Weil JournalistInnen nicht die entscheidenden Fragen stellen?
Anneliese Rohrer hat als junge Journalistin 1974 bei der "Presse" begonnen und 1987 ebendort das Ressort Innenpolitik übernommen. Sie nickt. "Ja, bei Pressekonferenzen mit Ministern sollten eigentlich die erfahrensten und besten Journalisten sitzen. Das war zu meiner Anfangszeit auch so. Aber dann haben Politiker begonnen, keine Antworten mehr zu geben. Und jetzt sitzen die jungen KollegInnen dort und die Ressortchefs bleiben im Büro." Wäre eigentlich ein Entlassungsgrund, überlege ich laut. Ein Politiker, der dem Volk, für das er arbeitet, keine Auskunft über seine Arbeit erteilt - das ist wie ein Kellner, der sich weigert, einen Gast zu bedienen. Man ist schon wegen Banalerem auf die Straße gesetzt worden.
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Wie viel Spielraum hat man als Journalistin, wenn es um die Blattlinie geht - was darf man schreiben und was geht nicht? "Wenn man sich als Journalistin für eine bestimmte Zeitung entscheidet, dann weiß man, was geht. Und was eben nicht geht."
Umso erstaunlicher, dass Anneliese Rohrer, die Jahrzehnte für das konservative Presselager geschrieben hat, in den letzten zehn Jahren ihre Feder sehr angespitzt und damit die politische Lage in Österreich aus einer rundum kritischen Haltung beschrieben hat. Dem ging eine unfreiwillige Pensionierung voraus. "Das hat mich mehr getroffen, als die Versetzung von der Innen- in die Außenpolitik nach Unstimmigkeiten mit dem Chefredakteur." Rohrer begann, politische Kommentare für den Kurier zu schreiben, bis sie schließlich wieder zur Presse zurückkehrte. Sie ist mit ihren klaren Fragen und scharfen Beobachtungen aus der österreichischen Presselandschaft nicht weg zu denken.
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In einem zweistündigen Gespräch erzählt Anneliese Rohrer über einen magischen Ort in Neuseeland, über die Arbeit mit ihrer Tochter, die als Filmemacherin in New York lebt, über ihre größte journalistische Fehleinschätzung: Jörg Haider und die schwarz-blaue Regierung und sie erzählt, warum Wolfgang Schüssel sie zum Kaffee ins Bundeskanzleramt gerufen hat.
FM4 Doppelzimmer mit Anneliese Rohrer
Das Doppelzimmer mit Journalistin und Publizistin Anneliese Rohrer am 6. Jänner von 13 bis 15 Uhr und im Anschluss für sieben Tage unter fm4.orf.at/7tage sowie hier in der Extended Version.
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