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Irmi Wutscher

Gesellschaftspolitik und Gleichstellung. All Genders welcome.

3. 1. 2015 - 12:48

Automaten in Folie

Ein Rundgang über die Reinprechtsdorferstraße zeigt: Die Glücksspielautomaten sind außer Betrieb. Wird das so bleiben?

Die Reinprechtsdorferstraße in Wien Margareten: eine Ausfallstraße Richtung Süden, in der Gegend viele Gemeindebauten, hoher Migrationsanteil und die Mieten halbwegs niedrig.

Reinprechtsdorferstraße by night

FM4/Irmi Wutscher

Allerdings ist die Reinprechtsdorferstraße auch nicht gerade eine schicke Einkaufsstraße und lädt nicht zum Flanieren ein. Seit Jahren gehen hier die kleinen Geschäfte und Cafés ein, und in fast alle leerstehenden Geschäftslokale ist ein Automatencafe eingezogen. Dagegen kämpft eine Bürgerinitiative namens Republik Reinprechtsdorf.

Wolf Jurjans, KPÖ-Bezirksrat

FM4/Irmi Wutscher

Wolf Jurjans freut sich.

Ich treffe mich mit Wolf Jurjans, KPÖ-Bezirksrat und Mitinitiator der Bügerinitiative an der Ecke Reinprechtsdorferstraße und Siebenbrunnengasse. Hier ist eines der typischen Wettcafés. Während aber der Sportwettenteil geöffnet hat, Fernseher dröhnen und Monitore mit den Quoten blinken, ist die andere Ecke des Lokals finster und ruhig. An der Eingangstür klebt ein Schild "Außer Betrieb" und darunter eine lange Erklärung, die beginnt mit: "Aufgrund der wiederholt in den Medien angedrohten rechtswidrigen behördlichen Vollziehungsmaßnahmen, sind wir leider vorerst gezwungen den Betrieb von Glücksspielautomaten einzustellen."

Anschlagtafel

FM4/Irmi Wutscher

Wolf Jurjans freut sich über die geschlossenen Automatencafés. Er sagt aber: "Betont wird das 'leider' und das 'vorerst'. Man hält sich alle Optionen offen. In den nächsten Wochen oder Monaten wird man sehen, wie sich das entwickelt."

Quasi verboten

Seit dem ersten Jänner ist das kleine Glücksspiel in Wien quasi verboten: Alle Konzessionen für die Münzspielautomaten laufen ab und die Stadt vergibt keine neuen mehr. Damit dürfen Spielautomaten nicht mehr in Betrieb genommen werden. Dieses Quasi-Verbot geht auf eine Abstimmung beim Landesparteitag 2011 zurück, als sich die SPÖ Parteibasis, allen voran die Sektion 8, überraschend durchsetzen konnte.

Ö1-Kollege Bernt Koschuh hat übrigens vor Spiellokalen Spieler befragt - mit interessanten Ergebnissen.

Noch ist aber vieles unklar beim Verbot des kleinen Glücksspiels: Automatenbetreiber und Glücksspielkonzerne wie Novomatic sagen zum Beispiel, es gebe kein Verbot ohne EU-Ratifizierung. Auch ist Novomatic der Meinung, dass ihre Konzessionen noch länger gültig sind als bis zum 31.12.2014 – der Konzern will rechtlich vorgehen. Noch scheint das Verbot also nicht fix. Und Sportwetten sowie Casinos bleiben ohnehin bestehen.

2 Außer Betrieb Schilder an Automatencafes

FM4/Irmi Wutscher

Abgesehen davon gibt es rund um Wien noch genug Möglichkeiten, an Automaten zu spielen. Vor wenigen Tagen haben die Aufforderungen an den geschlossenen Cafés, doch nach Niederösterreich zum Spielen zu fahren, für Aufregung gesorgt. Angeblich sollen manche Betreiber sogar die Taxifahrt zahlen. Auch hier hängt eine solche Aufforderung. Wolf Jurjans lacht darüber: "Ja, natürlich. Aber ich glaube, für das Publikum hier ist das kein wirkliches Angebot – die warten schon drauf, dass die hier wieder aufsperren."

Vorerst außer Betrieb

Derzeit aber halten sich die meisten Automatencafés an das Verbot. Wohl auch deswegen, weil von der Finanzpolizei Schwerpunktkontrollen und Strafen bis zu 22.000 Euro pro Automat angekündigt worden sind.

43 solche Automatenlokale gibt es auf der Reinprechtsdorferstraße, mit insgesamt 86 Automaten, sagt Wolf Jurjans. Allein an der Straßenecke, an der wir stehen, gibt es 4 Wettcafés, 2 Atomatensalons und sogar das lokale Café Siebenbrunnen mit angeschlossener Pizzeria hatte einen eigenen Automatenraum. Dass es ausgerechnet hier so viele gibt, ist kein Zufall: "Je ärmer die Gegenden sind, desto mehr solche Automaten werden aufgestellt", sagt Jurjans. "Da wird das Elend zum Geschäftsmodell – zynischer geht es nicht!"

Auomaten, von Folie verhüllt

FM4/Irmi Wutscher

Dass die Automaten jetzt ausgeschaltet sind, wertet die Bürgerinitative Republik Reinprechtsdorfist als ersten Erfolg, haben sie doch mit Demos und Straßenfesten auf die Situation im fünften Bezirk aufmerksam gemacht: "Die Spielautomaten wirken sich ja nicht nur auf die konkreten Betroffenen aus, sondern auch lokalpolitisch: Die Gegend versandelt, es gibt keine entsprechenden Angebote mehr, die die Gegend attraktiv machen."

Immerhin gibt es mittlerweile ein Bürgerbeteiligungsverfahren, wo BürgerInnen gemeinsam mit der Stadtverwaltung überlegen, wie die Straße umgestaltet werden könnte, wenn die Automatencafés weg sind.
Anscheinend geht man davon aus, dass das Verbot bleibt. Wobei sich auch Wolf Jurjans nicht sicher ist, ob hier schon das letzte Wort gesprochen ist: "Vielleicht werden die gleichen Kabäuschen jetzt einfach mit anderen Technologien besetzt, das wird sich in den nächsten Wochen und Monaten zeigen", meint er. "Momentan sind das alles eher taktische Varianten. Aber es ist ein Schritt vorwärts - auf jeden Fall!!"

Drei Sportwettenlokale nebeneinander auf der Reinprechtsdorferstraße

FM4/Irmi Wutscher

Reinprechtsdorferstraße: Sportwetten neben Sportwetten, neben Sportwetten.

Keine Automaten heißt nicht keine Süchtigen

Auch im fünften Bezirk, ein paar hundert Meter weiter auf der Siebenbrunnengasse, befindet sich die Spielsuchthilfe. Der Verein bietet seit 1982 ambulante Therapie für Spielsüchtige an. Leiterin Izabela Horodecki betreut seit 1986 Spielsüchtige: "Damals gab es diese kleinen Lokale nicht. Das Angebot war viel kleiner, es gab auch kein Online-Spiel und kaum Wettlokale. Und trotzdem hatte ich genug zu tun!" Und die Frage ist auch, ob das Verbot von Spielautomaten das Problem nicht einfach nur in die Illegalität verdränge: In Salzburg sei das kleine Glücksspiel schon immer verboten gewesen. Und trotzdem bekäme sie immer wieder Anrufe von Automatenspielsüchtigen aus Salzburg.

Izabela Horodecki befürchtet, dass die Wiener Politik von der Schlussfolgerung ausgehe, wenn es keine Automaten gebe, gebe es auch keine Spielsüchtigen. Das stimmt so nicht. Sie spricht sich für etwas anderes als Verbote aus: "Wir sind für ein streng reguliertes Angebot: mit Kontrolle des Alters, mit Identitätskontrollen, mit Sperrmöglichkeit und Selbstsperrmöglichkeit – das ist es übrigens auch, was sich Betroffene wünschen. So könnte ich mir das vorstellen." So wäre das Angebot reduzierter und regulierter, ohne dass man eine Form des Spielens in die Illegalität dränge.

Republik Reinprechtsdorf

Weder Horodecki noch Jurjans können prognostizieren, was das derzeitige Verbot wirklich bringt oder ob es in dieser Form aufrecht bleiben wird. Am 26. Jänner jedenfalls treffen sich die BürgerInnen von Margareten, um gemeinsam zu überlegen, was für ein Branchenmix in der Reinprechtsdorferstraße wünschenswert wäre. Immerhin die sind also optimistisch.