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Trishes

Beats, Breaks und Tribe Vibes - oder auch: HipHop, Soul und staubige Vinyl-Schätze.

3. 1. 2015 - 08:08

Leben und Sterben für den Funk

Die Autobiographie von Funk-Ikone Rick James ist in allererster Linie persönliche Beichte, bietet aber auch jede Menge Anekdoten und gute Geschichten aus der Pop-Historie.

Es ist eine Tragödie, dass eine musikalische Karriere mit vielen Highlights im kollektiven Bewusstsein mehrerer Generationen durch einen kurzen Schmäh verdrängt wurde - und ein Treppenwitz, dass auch der dafür verantwortliche Comedian Dave Chappelle davon genervt seine hochdotierte Fernsehshow hinschmiss. Das hedonistische Partytier, als das Rick James dargestellt wurde, dürfte aber sehr nahe an der Realität gewesen sein.

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Nach der Lektüre seiner Autobiographie Glow wird jedenfalls klar, dass kaum jemand das alte Motto von Sex & Drugs & Rock’n’Roll so intensiv gelebt hat wie der US-Funk-Musiker. Vor zehn Jahren starb Rick James im Alter von 56 Jahren mit Kokain, Crystal Meth und sieben verschreibungspflichtigen Medikamenten im Blut. Das Buch zeigt Rick James aber auch als eine Art Forrest Gump der Popgeschichte, der bei vielen interessanten Momenten dabei oder in der Nähe war.

I awoke to see a young dude sitting on the floor in the lotus position, stoned as a motherf–ker, with blood dripping from his wrist. He seemed hypnotized by the flow of his own blood, saying things like, ‘Isn’t the blood beautiful? Isn’t that the deepest red you’ve ever seen?’

Der junge Mann, den Rick James auf derart dramatische Weise traf, während er Ende der 60er Jahre bei Stephen Stills in LA wohnte, hieß Jim Morrison. Später am selben Tag würde James mit ihm das erste Mal LSD ausprobieren. Damals war Rick James hauptsächlich damit beschäftigt, verschiedene Extreme des Lebens zu testen. Nachdem er in jungen Jahren vor der Einberufung in den Vietnamkrieg nach Toronto geflohen war und dort die Folkszene um Joni Mitchell und Neil Young kennengelernt und ihren internationalen Aufstieg verfolgt hatte, war James permanent auf der Suche nach seinem eigenen Durchbruch als Musiker und Sänger. Leider war diese Suche anfangs vor allem von Enttäuschungen gekennzeichnet, außerdem kamen ihm immer wieder Gefängnisaufenthalte dazwischen. Denn wenn das Geld auszugehen drohte, versuchte sich Rick James auch als Einbrecher, Zuhälter oder Drogendealer. Ein längerer Gefängnisaufenthalt in den 90er Jahren war für den Musiker schlussendlich der Anstoß, seine Erinnerungen aufzuschreiben.

I’ve always wanted to write my own life story. But outside of prison I could never sit down and be quiet. My energy was scattered. I was always going in a dozen different directions at once. But now I got no choice. Got nowhere to go and nothing to do.

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Rick James

In Rick James' Reflexionen nimmt die Zeit vor seinem Durchbruch 1978 und sein stetiger Abstieg seit Mitte der 80er Jahre einen weit größeren Teil ein als seine Jahre an der Spitze. Das mag einerseits daran liegen, dass er sich aus einer verschwommenen Zeit mit vielen Substanzen, Frauen und Auftritten an nicht viele Details erinnert. Andererseits könnte es auch der Natur des Buches geschuldet sein, das ein wenig an eine ausführliche Beichte erinnert.

I am an animal, a fuckin’ wild animal. I lost my human soul. I lost my human mind. But in this animal cage, my intention is to win back my humanity. Animals can’t write.

Der erfahrene Musikbiograph David Katz hat das Rohmaterial von Rick James verdichtet und damit sicher auch dazu beigetragen, dass Glow extrem unterhaltsam und schnell gelesen ist. Aber Rick James' Leben war auch im Urzustand voll von Drama, aber auch lustigen Anekdoten: Eine langjährige Fehde mit Prince zum Beispiel, die Nacht, in der er knapp den Morden der Manson-Familie entkam oder das im Meer davongeschwemmte Porträt, das Salvador Dalí von ihm gezeichnet hatte – auch neben der guten Musik bleibt da jedenfalls viel mehr übrig als der Comedy One-Liner, der Rick James kurz vor seinem Tod wieder berühmt gemacht hatte.