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Rainer Springenschmid

Punk & Politik, Fußball & Feuilleton: Don't believe the hype!

1. 1. 2015 - 11:11

Lob der Realitätskrise

"Lob der Realität" von PeterLicht ist ein Buch und ein Livealbum. Mehr noch als ein Lob der Realität ist es die Suche danach.

Cover von PeterLichts Buch "Lob der Realität"

Blumenbar Verlag

Das Buch

Das tanzt jetzt ein bisschen aus der Reihe, denn PeterLicht ist kein Musiker als literarischer Debütant, sondern ein gestandener Autor, Bachmann-Preisträger 2007, Theaterautor für die Münchner Kammerspiele und das Berliner Maxim-Gorki-Theater und eigentlich von Anfang an, seit er "Sonnendeck" (noch unter dem Namen Meinrad Jungblut) herausbrachte, genausoviel Dichter wie Musiker oder vielleicht besser: Sprachkünstler.

Auch PeterLichts literarische Kleinode im Buch "Lob der Realität" sind mehr Sprachkunst als Text, mehr Wortspiel als Weltbeschreibung. Seine Realität ist eine gefühlte, kein Wunder, muss man sich im spätkapitalistischen Zeitalter für ein Lob der Realität doch zunächst auf die Suche nach ihr begeben, zwischen all dem Marketing, der Popkultur und dem sonstigen Gebrabbel, das den Raum füllt. Was also ist die Realität?

PeterLicht nähert sich ihr in Songs und in Gedichten, in Prosatexten und in Dialogen, in Zeichnungen, Slogans und Zeichenspielen. In Zeitgenössischer Monolog, Zeitgenössischer Dialog und Typologie unterteilt er die Prosatexte, und überall ist er gleich unkonkret wie feinfühlig. Schon im titelgebenden ersten Gedicht "Lob der Realität" umkreist er das Eigentliche wie eine Katze den heißen Brei, lässt spüren, wie sehr es im Wirrwarr des Spätkapitalismus verloren gegangen ist, wie sich die Realitäten voneinander entkoppelt haben.


Der wahnsinnstolle PeterLicht singt das "Lied vom Ende des Kapitalismus"

Im zeitgenössischen Dialog "Bauunternehmer – PeterLicht" geht es um die Bestellung und Lieferung eines Liedes über Beton. Solo kostet extra, Saxofon ist gratis. Chor is mit Gefahrenzulage wegen all der Leute und dem ganzen Lärm. Lieferung direkt auf die Baustelle, bei Vorauszahlung 1,3% Skonto.

Cover von PeterLichts CD "Lob der Realität"

PeterLicht / Staatsakt

Die CD

PeterLicht hat sein Live-Doppelalbum via Crowdfunding finanziert und bei Staatsakt veröffentlicht, das Buch mit dem gleichen Titel ist im Blumenbar Verlag erschienen. Die Camouflage hat er aufgegeben, PeterLicht lässt sich jetzt sehen und auch filmen. Das Versteckspiel, so erzählt er im Interview mit dem BR, hatte seine Eigendynamik entwickelt und war vom Versuch, die Person hinter dem Werk zurückstehen zu lassen, zur Masche geworden, also ins Gegenteil umgeschlagen.

PeterLicht spürt dem Sein in der Sprache nach, wie es Karl Valentin oder Karl Kraus getan haben, nur mit einem ganz anderen Witz, viel zurückhaltender und lapidarer. Er schrammt selbst immer knapp an der hohlen Phrase vorbei, die er dechiffriert und umcodiert, der Realität genauso zu entreißen versucht wie er sie zur Annäherung an dieselbe verwendet.